Die meist-gewanderte Frau der Welt
Kreis Böblingen. „Bei der Frage: „Sind Sie glücklich?“ eiern die meisten immer irgendwie rum. „Ja, aber…“ Bei mir gibt es kein Aber“, so die meist gewanderte Frau der Welt. Christine Thürmer ist seit 2004 in über 35 Ländern unterwegs gewesen und legte dabei mehr als 53.000 Kilometer zu Fuß zurück.
Davor war sie als Saniererin mittelständischer Unternehmen tätig, bis ein guter Freund einen Schlaganfall erlitt. „Mit wurde klar, dass meine Zeit kostbar ist. Ich habe mich damit beschäftigt, wo Unternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen sollen. Es wurde Zeit, dass ich mir überlege, wo ich in fünf oder zehn Jahren sein will“, so die 54-Jährige.
Wenn Sie über den Winter nicht auf Wanderschaft ist, hält sie Vorträge. Dabei erzählt sie wie sie zum Fernwandern (Thru-Hiking) gekommen ist und dass jeder das Zeug dazu hat, solange man nur einen Fuß vor den anderen setzt. Am vierten März kommt sie ins Sparkassen-Forum nach Böblingen. Für die Präsentation um 20 Uhr können über noch Tickets erworben werden. Da die SZ/BZ Medienpartner ist, bekommen Abonnenten eine Vergünstigung (siehe Info-Kasten).
Frau ThürmerFrau , mit Ihrem Ersparten könnten Sie laut Ihrem Bankberater noch weiterwandern bis Sie 90 sind. Ist das der Plan?
Christine ThürmerChristine : „Das Leben ist wie ein bunter Hochglanz-Katalog, in dem all die schönen Wünsche drinstehen. Die meisten blättern nur durch und schlagen den Katalog dann frustriert wieder zu. Das ist bei mir anders. Ich mache einfach, was ich da an Träumen finde. Im Moment sehe ich noch keine Grenze, aber wer weiß, was ich beim Blättern noch so finde.“
Wer sollte Ihrer Meinung nach Thru-HikingWer sollte Ihrer Meinung nach ausprobieren?
Christine ThürmerChristine : „Beim Thru-Hiking reduziert man sich auf das Nötigste. Dadurch senkt sich die Glücksschwelle enorm. Bei einer warmen Dusche könnte ich vor Glück schreien. Man wird demütig und das ist ein absolutes Geschenk. Das gönne ich jedem. Ich selbst bin die Anti-These zu allen Wanderer-Klischees. Ich habe Plattfüße, X-Beine und fünf Kilo Übergewicht. Meine erste Strecke über den Pacific Crest Trail war 4280 Kilometer lang. Ich war total untrainiert. Das kann also echt jeder schaffen.“
Ihr Gepäck mit dem Nötigsten wiegt gerade einmal fünf Kilo. Gibt es einen Luxusartikel, auf den Sie trotzdem nicht verzichten?
Christine ThürmerChristine : „Ja, ein Pfund Elektronik. Mein Handy ist zwar mein Backup-Navi, aber ich nutze es auch mehrere Stunden pro Tag für Podcasts und Hörbücher. Mit 16 bis 18 hat ja jeder so seine Sturm- und Drang-Phase und man löst alle politischen Probleme im Alleingang. Sobald man in die Arbeitswelt kommt, ist man nicht mehr Herr seiner Gedanken. Die bestimmt der Chef. Beim Wandern hat man plötzlich wieder Zeit zu philosophieren. Podcasts und Hörbücher geben mir dafür den Nährboden.“
Was ist denn das Beste am Fernstreckenwandern?
Christine ThürmerChristine : „Da gibt es viele Faktoren. Zum Beispiel das neue Körpergefühl. Viele quälen sich im Fitness-Studio, um anderen zu gefallen. Ich quäle mich, um mir meinen Traum zu erfüllen. Nach tausenden Kilometern zu Fuß fühlt man sich sauwohl in seinem Körper, weil man ihm eine neue Funktion zuordnet.“
Und das Schlechteste?
Christine ThürmerChristine : „Das Leben im Dreck. Man macht schließlich alles am Boden. Auf Dauer ist es schon scheiße, wenn man nicht schlafen kann, weil alles juckt. Dafür gehe ich aber auch alle sieben Tage runter vom Trail in die Stadt. Da nehme ich mir ein Hotelzimmer, wasche mich und esse worauf ich Lust habe.“
Wie sieht es denn sonst mit der Ernährung aus?
Christine ThürmerChristine : „Es geht immer darum genug Kalorien zu bekommen. Schokolade ist mein Dreh- und Angelpunkt. Das ist auch ein ganz zentraler Punkt meiner Vorträge. Ich lache mich schlapp, wenn mir irgendwer mit Ernährungsplänen und Proteinangaben ankommen. So funktioniert das nicht. Im Supermarkt sagt mir dann der Appetit, was ich brauche. Da zieht es mich immer zuerst zum Obst und Gemüse.“
Als Frau alleine unterwegs zu sein, birgt ja auch ein gewisses Risiko. Machen Sie sich darüber Gedanken?
Christine ThürmerChristine : „Stellen Sie sich vor, Sie sind ein böser Vergewaltiger. Warten Sie da im Wald, bis eine einsame Wanderin vorbeikommt? Da bin ich in der Stadt in größerer Gefahr. Außerdem hat man als Frau viel mehr Vorteile. Man wird nicht als Bedrohung wahrgenommen und die Leute, vor allem Frauen, sind viel hilfsbereiter. Ich werde oft irgendwo eingeladen und bekomme ganz andere Einblicke als männliche Wanderer. Das erzähle ich auch in meinen Vorträgen, was den Frauen Mut zu neuen Erfahrungen gibt.“
Wie haben Sie sich in den Jahren auf Wanderschaft verändert?
Christine ThürmerChristine : „Da gibt es zwei Sachen. Erstens habe ich mehr Gottvertrauen. Man lernt, dass Probleme sich immer irgendwie lösen. Und selbst wenn man denkt es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Schokoriegel her.
Zweitens erkennt man, dass die meisten Probleme nur im Kopf existieren. Aus einer Couch-Potato ist die meist gewanderte Frau der Welt geworden. Ich musste es einfach nur machen. Das gibt ein unglaubliches Selbstbewusstsein und das strahlt man auch aus. Das versuche ich auch in jedem meiner Vorträge zu vermitteln. In jedem Fall werden die Leute mit einem guten Gefühl rausgehen.“
Info:
Am Freitag, 4. März gastiert Christine Thürmer unter dem Motto „Laufen, essen, schlafen“ ab 20 Uhr im Böblinger Sparkassen-Forum. Abonnenten der SZ/BZ gekommen Rabatt. Karten gibt es allerdings nur online unter: www.expedition-erde.de/veranstaltungen/christine-thuermer-laufen-essen-schlafen/ Statt 21,40 Euro kosten die Karten dann 19,40 Euro. Auch die Abendkasse am Freitag hat für Kurzentschlossene geöffnet.