

Kreis Böblingen. „Wir sehen uns gezwungen, den dritten Bauabschnitt, der unter anderem die Modernisierung der Radiologie am Standort Leonberg beinhalten würde, zunächst auszusetzen“, so der Böblinger Landrat Roland Bernhard und Aufsichtsratsvorsitzende des KVSW. Aktuell wird das Krankenhaus Leonberg für geplante 87 Millionen Euro saniert. An sich wäre alles bereit für die Vergabe der nächsten Arbeiten, aber noch wisse niemand, welche Auswirkungen die Reform auf einzelne Klinikstandorte haben werde.
„Sollte die Reform in der jetzigen Form kommen, gefährdet das millionenschwere Investitionen in Klinikstrukturen und die wohnortnahe Versorgung vieler Bürgerinnen und Bürger“, so Bernhard. Bisher handele es sich nur um Empfehlungen der Expertenkommission; jetzt komme es darauf an, dass diese so nicht 1:1 vom Bund umgesetzt werden. Krankenhausplanung war bisher eine klassische Aufgabe der Länder, betont Bernhard. „Wir fordern die Landesregierung auf, sich in den Bund-Länder-Gesprächen zur Krankenhausreform nachdrücklich für passgenaue Lösungen mit Augenmaß einzusetzen und mit dem Blick auf die unterschiedlichen regionalen Versorgungsbedarfe der Bevölkerung.“ Eine Reform sei notwendig, aber keine Revolution.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sowie die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hatten sich bereits in den letzten Tagen vehemente Kritik an den ursprünglichen Reformplänen geäußert. Von den in Baden-Württemberg untersuchten 186 Krankenhäusern wären laut BWKG künftig lediglich 33 in den angedachten Versorgungsstufen 2 und 3. Das sind die Krankenhäuser, die die enorm hohen Ansprüche der Regierungskommission erfüllen würden. Nur an diesen Häusern wäre künftig zum Beispiel eine Geburtshilfe vorgesehen. Für bis zu 136 Häuser, das heißt fast 3 von 4 bestehende Krankenhäuser, wäre damit die Zukunft ungewiss. Sie würden der untersten Versorgungsstufe zugeordnet. Dort würden die allermeisten Häuser zu regionalen Gesundheitszentren mit einem primär ambulanten Angebot und ohne 24/7 Präsenz abgestuft; man könnte dann nicht mehr von einem Krankenhaus sprechen.
„Vor diesem Hintergrund wäre es unverantwortlich, rund 6 Millionen Euro in einen nächsten Sanierungsschritt in Leonberg zu investieren“, so der Böblinger Landrat. Lediglich für die Betriebssicherung notwendige Dinge werden realisiert. Das gelte sinngemäß so auch für den Standort Herrenberg. Aktuell stehe hier – nach derergabe einer PV-Anlage – keine weitere Vergabe an. Das Parkhaus war bereits im Herbst beschlossen worden und ist im Bau; es ist unabhängig von der Entwicklung am Standort Herrenberg notwendig.Man sei bereit, beim Reformprozess mitzuwirken. So ist es schon jetzt Vorgabe, dass sich laufende und künftige Baumaßnahmen perspektivisch an der fortzuschreibenden Medizinkonzeption des KVSW orientieren müssen.
Diese wiederum muss sich an den neuen bundesweiten Rahmenbedingungen basierend auf der anstehenden Krankenhausreform orientieren. Wie groß die Auswirkungen wären, wenn die Kriterien der Regierungskommission streng angewendet würden, zeigt sich laut DKG bei der Verschiebung potentieller Patientenströme: So müssten sich bundesweit aufgrund der Levelneuzuordnung und der angewandten 30-Minuten-Regel (max. Entfernung zu einem Zentralkrankenhaus) 52 Prozent aller werdenden Mütter einen neuen Standort für die Geburt suchen. 56 Prozent der Patientinnen und Patienten in der interventionellen Kardiologie müssten das Krankenhaus wechseln. In der Urologie wären es 47 und in der Neurologie 39 Prozent.
„Die Krankenhausreform ist definitiv nicht bis zu Ende gedacht. Sollte die Umsetzung so wie vorgestellt erfolgen, habe ich größte Sorge um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in unserer Region. Wir brauchen jetzt schnell ein schlüssiges medizinisches Zielbild für den Klinikverbund und für unsere Krankenhäuser. Dies muss mit den Eckpunkten der Krankenhausreform abgestimmt sein und über allem muss während des gesamten Transformationsprozesses die flächendeckende Versorgungssicherheit stehen. Dann wären wir bei den baulichen Weiterentwicklungen entscheidungsfähig. Standortdiskussionen, wie sie die Reformpläne des Bundes aktuell anstoßen, sind sowohl für die Fachkräfte als auch für die Patienten nicht dienlich“, unterstreicht Alexander Schmidtke, Geschäftsführer des KVSW.
Im KVSW laufen derzeit Modernisierungs-, Sanierungs- und Neubauprojekte, bei denen die beiden Trägerlandkreise Böblingen und Calw bis 2025/26 rund eine Milliarde Euro in die klinische Infrastruktur investieren. Neben der Sanierung der Krankenhäuser Leonberg, Herrenberg und Nagold ist dabei der Neubau des Flugfeldklinikums im Landkreis Böblingen sowie der Neubau des Krankenhauses Calw mit angeschlossenem Medizincampus im Landkreis Calw hervorzuheben. Letzteres soll bereits im kommenden Jahr in Betrieb gehen, für das Flugfeldklinikum werden aktuell die Rohbauarbeiten fertiggestellt.




