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Offener Brief

Lieber VfB!

Von Tim Schweiker
Die Hoffnung stirbt zuletzt: VfB-Fans sind leidensfähig. Bild: Hamann

Die Hoffnung stirbt zuletzt: VfB-Fans sind leidensfähig. Bild: Hamann

Oft habe ich dir schon in Gedanken geschrieben. Und jetzt, wo es für dich wieder einmal um so viel geht, muss es einfach raus.

Sag mal, mein Lieber, hast du eigentlich eine leise Vorstellung davon, was du mit uns seit Jahren veranstaltest? Weißt du, wie es ist, wenn man am Montagmorgen im Büro die leeren Blicke des Kollegen H. aus B. aushalten muss, der sich wieder einmal tief enttäuscht aus dem Stadion zurück an den Arbeitsplatz gequält hat? Ahnst du, wie es ist, wenn man einmal mehr die schlechte Laune des Kollegen K. aus M. ertragen muss, wenn du wieder einmal ein Heimspiel vergeigt hast?

Nein, mein Lieber, komm mir jetzt nicht mit anderen Vereinen, die Probleme haben. Die Hertha, der Big Shitty Club, ist doch nun wirklich nicht dein Niveau. Oder etwa doch?

Vielleicht begreifst du ja jetzt, am Ende der nächsten Katastrophensaison, endlich, dass deine Probleme nicht auf der Trainerbank sitzen, sondern in deinem Oberstübchen. In dem nämlich kochen seit Jahren ein paar Herrschaften ihr eigenes Süppchen, in das sie sich dann auch noch mit größtem Vergnügen gegenseitig spucken. Auslöffeln dürfen diese unappetitliche Brühe natürlich wir, die wir dir die Treue halten. Seit Jahrzehnten. Trotz allem.

Ja natürlich, wir haben zusammen Großartiges erlebt. Maradona und das Uefa-Cup-Finale 1989. Den Pokalsieg 1997. Die Meisterschaften 1984, 1992 und 2007. Und ja, auch die Wiederaufstiege haben wir stets zusammen gefeiert. Aber unser Bedarf an Aufstiegsfeiern ist so langsam gedeckt. Und die früheren Erfolge zeigen im Grunde schon lange nicht mehr, dass du ein großer Club bist, sondern dass wir zusammen alt werden.

Das tut weh, ich weiß. Aber Hand aufs Herz: Du siehst schon lange älter aus als du bist, mein lieber VfB! Dabei bist du sogar drei Jahre jünger als die Zeitung, in der dieser Brief erscheint.

Also reiß' dich am Donnerstag und am Montag bitte zusammen! Immerhin hast du das Glück, dass du dich nicht gegen einen vorbildlich geführten Kleinstadtclub von der Ostalb blamieren musst. Denn der ist völlig zurecht schon aufgestiegen.

Und wenn es doch schief geht in der Relegation? Liebe kennt keine Liga. Daran würden wir uns vermutlich auch bei deinem nächsten Abstieg halten. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wir haben es uns ja nicht ausgesucht. Das ist halt der Unterschied zu... ach, du weißt selbst, von wem ich spreche.

Wie gesagt, lieber VfB, ich wollte dir schon lange mal schreiben. Und immerhin: Mir hat das mal gut getan. Ob sich von den Möchtegern-Alphatierchen in deiner Führungsetage wirklich jemand dafür interessiert, wie es uns mit dir geht, das weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob du diesen Brief jemals zu lesen bekommst.

Aber, mein lieber VfB, es wäre jetzt wirklich an der Zeit, dass dir nicht nur in Sonntagsreden deines Präsidenten klar wird, was du an uns hast. Wir haben dich ja auch. Ob wir wollen oder nicht.

Trotz allem: viel Glück, lieber VfB! So wie es aussieht, brauchst du jede Menge davon. Und danach wünschen wir dir gute Gedanken von guten Leuten, die für sich da sind. Und nicht nur für sich.

Herzlich,

Dein Tim