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Kommentar

Die Lahmlegung des Gemeinderats

Von Chefredakteur Jürgen Haar

Der Marathon der Anträge: Der Sindelfinger Gemeinderat hat große Aufgaben vor sich. Die Stadträte müssen eine Haushaltskrise bewältigen, deren Ausmaße in den Sternen steht. Der Rat will Visionen für die Zukunft der Innenstadt entwickeln und das Gremium muss zusammen mit der Verwaltung gewaltige Projekte wie die Sanierung der Marktplatz-Tiefgarage und die Erneuerung des Badezentrums entscheiden und managen. Dafür braucht man Gehirnschmalz, Energie, Zeit und vor allem eine Prioritätensetzung. Über die Frage, „was ist wichtig und was kann auf dem kleinen Dienstweg erledigt werden“, muss der Gemeinderat rasch befinden. Wie in dieser Woche eindrucksvoll zu besichtigen war, verstrickt sich die Runde in Kleimkram und Nebensächlichkeiten und legt sich durch eine neue Regelung für den Umgang mit Anträgen regelrecht lahm. Was immer die Initiatoren damit bezweckt haben: Dass ein Antrag vom Antragsteller 3 Minuten lang begründet werden darf und anschließend jede Fraktion und jede Gruppierung 1 Minute antworten darf, sprengt den Rahmen. Allein am Dienstag standen 9 Anträge auf der Tagesordnung. Deren Behandlung nahm über eineinhalb Stunden in Anspruch, nachdem man schon 3 Stunden getagt hatte. Am Ende werden alle Anträge, wie nach dem bisherigen, einfachen Ablauf, zur Weiterberatung in die Ausschüsse verwiesen. Hinzu kommen Anfragen von Stadträten zum Zustand von Fahrradständern am Rathaus oder die fehlende Beleuchtung auf dem kurzen Abschnitt eines Radwegs. Es folgt jeweils die Antwort eines Rathaus-Mitarbeiters. Was mit einer E-Mail ans Amt hätte geklärt werden können, wird coram publico ausgebreitet und hält den Betrieb auf. Die Zeiten, wo Gemeinderat und Stadtverwaltung dank eines „neuen Steuerungsmodells“ versucht haben, Ressourcen effektiv einzusetzen und sich auf das wesentliche zu konzentrieren, sind lange vorbei. Wer gehofft hat, dass der neue, etwas verjüngte Gemeinderat straffe und effiziente Sitzungen bevorzugt, sieht sich getäuscht. Selbst der FDP-Jungstadtrat Maximilian Reinhardt schafft es mit seinen altklugen und langatmigen Beiträgen, seinen Gemeinderats-Kollegen und den Zuhörern unnötig Lebenszeit zu klauen. Dass es so nicht weitergehen kann, ist Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer klar. Er will das Prozedere mit den Anträgen im Ältestenrat auf den Prüfstand stellen. Auch CDU-Rat Georg Schindler mahnte seine Kollegen an, über den sich abzeichnenden Dauer-Marathon der Anträge schnellstens nachzudenken. juergen.haar@szbz.de