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Böblingen: Beim 20. Geburtstag der Psychiatrischen Tagesklinik berichten Patienten von ihren Erfolgen und Problemen

„Müssen die ganze Bandbreite anbieten“

Sektempfang in der Psychiatrischen Tagesklinik im Haus am Maienplatz zum 20. Geburtstag dieser Einrichtung – was für die Zukunft nötig ist, erklärte der Vorsitzende der deutschlandweiten Arbeitsgemeinschaft der Tageskliniken für seelisch Kranke, Dr. Herald Hopf.
Von unserer Mitarbeiterin Renate Lück
Beim 20. Geburtstag der Tagesklink: am Rednerpult Michael Eichhorst, Geschäftsführer des Klinikums Nordschwarzwald in Calw, in der ersten Reihe die leitende Ärztin Dr. Sabine Gerritsen, hinten in der Mitte Dr. Herald Hopf. Die Band Alterna story sorgte für musikalische Aufheiterung. Bild: Lück

Beim 20. Geburtstag der Tagesklink: am Rednerpult Michael Eichhorst, Geschäftsführer des Klinikums Nordschwarzwald in Calw, in der ersten Reihe die leitende Ärztin Dr. Sabine Gerritsen, hinten in der Mitte Dr. Herald Hopf. Die Band Alterna story sorgte für musikalische Aufheiterung. Bild: Lück

Als die Böblinger Tagesklinik 1998 gegründet wurde, hatte sie 25 Behandlungsplätze. Seit 2004 können 40 Patienten ab 18 Jahren aufgenommen werden. Sie kommen aus dem ganzen Landkreis. Zwei Drittel haben Depressionen, 20 Prozent leiden unter Angststörungen und die anderen unter Persönlichkeitsstörungen.

Vier Ärzte, drei Psychologen und fünf Therapeuten und Sozialarbeiter bemühen sich, die seelisch Kranken zu befähigen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Was sie am Tage lernen, können und sollen sie am Wochenende zu Hause erproben, zum Beispiel ihre Freizeit zu gestalten.

Mehrere Patienten, die der Klinik noch verbunden sind, erzählten, dass sie zunächst Probleme hatten, pünktlich zu sein, die vorgeschriebene Tagesstruktur einzuhalten und sich etwa bei der Ergo- oder Arbeitstherapie kollegial zu verhalten. Sogar sich Rat holen, wenn sie bei der ungewohnten Beschäftigung nicht weiterwussten, musste geübt werden. Dabei ist es aber auch möglich, neue Fähigkeiten zu entdecken.

In den Gruppengesprächen erfuhren sie, dass es außer ihrer eigenen Krankheit noch verschiedene andere gibt. Ein junger Mann mit Borderline - das sind Gefühlsschwankungen, die zu extremer Anspannung führen - verletzte sich früher selbst. Jetzt hat er ein Gummiband am Handgelenk und lässt es als Schmerzersatz schnalzen, wenn ihn wieder so eine Phase überkommt. Dass er keine Drogen zur Entlastung nimmt, darüber wachen nun Hausarzt und Sucht-Therapeut.

Das Team der Tagesklinik hält nicht nur Kontakt zum Psychosozialen Dienst der Diakonie, der sich bemüht, die Entlassenen wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, sondern auch zur Firma Daimler, die regelmäßig Mitarbeiter zur Information schickt. Andersherum besuchen Team-Mitglieder die Produktion in Sindelfingen.

22 Menschen in 2 Teams

Mittlerweile sind es 22 Menschen, die in zwei Teams in der Tagesklinik arbeiten. Die meisten sind Frauen, weshalb sich Dr. Hopf wünschte, dass sich mehr Männer dafür ausbilden lassen, damit sich die Patienten an einem gleichgeschlechtlichen Gegenüber abarbeiten können.

Zur Deutschen Arbeitsgemeinschaft der Tageskliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik gehören 730 Einrichtungen, die möglichst wohnortnah den Patienten bei Alltags- und Arbeitsproblemen helfen. Neben all den vorhandenen Therapien in Musik, Kunst, Sport und Arbeit hätte er gern noch Tageskliniken für seelisch kranke Mütter mit Kindern, möglichst schnell nach der Entbindung, falls sich da schon Depressionen einstellen. Außerdem findet er Einrichtungen für Migranten wichtig: „Es könnten doch Mitarbeiter Türkisch oder andere Sprachen lernen.“ Gefangene in den JVAs sollten ebenfalls behandelt werden. „Wir müssen die ganze Bandbreite der Psychiatrie abdecken.“

Die einzelnen Tageskliniken sollten sich untereinander austauschen und eventuell spezialisieren. In Baden-Württemberg seien sie fein dran mit der Raumausstattung und der durchschnittlichen Behandlungsdauer von über acht Wochen. Freilich gebe es Wartelisten. Doch die Zeit könnte mit Therapiegruppen überbrückt werden. „Vielleicht heilen sich manche dann schon selbst.“.