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Forderung nach 10,5 Prozent mehr Geld

Geschlossene Bäder und volle Mülltonnen: Verdi-Streik im Öffentlichen Dienst in Böblingen

Großer Demo-Zug durch die Böblinger Innenstadt. Erstmals sind Mitarbeiter des Abfallwirtschaftsbetriebs dabei. Wegen des Streiks können nicht alle Leerungen der Mülltonnen nachgeholt werden.
Von Isabell Gospodarczyk

Kreis Böblingen. Hier und da steht in Sindelfingen am Dienstag eine Mülltonne am Straßenrand, die vergebens auf Abholung wartet. An diesem Tag fährt kein Müllfahrzeug durch die Kernstadt, das den Bioabfall leert. Grund dafür ist, dass die Beschäftigten des Abfallwirtschaftsbetriebs streiken. Und das zum ersten Mal. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten aus der Abfallwirtschaft im Landkreis Böblingen sind beim Warnstreik im Öffentlichen Dienst dabei, schätzt Sidar Carman vom Verdi-Bezirk Stuttgart.

„Daran sieht man, dass es bei den Beschäftigten brodelt“, sagt Sidar Carman. Insgesamt beteiligen sich laut Carman etwa 500 Beschäftigte aus dem Öffentlichen Dienst am Streik, darunter unter anderem Erzieherinnen, Pflegekräfte, Müllwerker, Straßenwärter, Mitarbeiter der Sparkassen und der Stadtwerke Böblingen und Sindelfingen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt versammeln sie sich auf dem Elbenplatz. „Wir stehen hier in der Kälte, und genauso frostig war das Angebot der Arbeitgeber“, ruft Sidar Carman ins Mikrofon. Bei der zweiten Verhandlungsrunde zwischen Verdi und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände am vergangenen Donnerstag legten die Arbeitgeber das Angebot vor, die Gehälter um insgesamt 5 Prozent zu erhöhen über eine Laufzeit von 27 Monaten. Außerdem bieten sie eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten an.

„Angebot ist sozial blind“

Das sei ein Schlag ins Gesicht, so Sidar Carman: „Das Angebot ist sozial blind. Die Inflationsausgleichsprämie darf man zwar nicht verteufeln, aber eine einmalige Zahlung kann höhere Löhne nicht ersetzen. Durch die Inflation und die steigenden Preise leiden unsere Kollegen unter Reallohnverlusten. Gerade Kollegen in den unteren und mittleren Entgeltgruppen sind an die Wand gedrängt und brauchen Erhöhungen. Hier geht es nicht darum, ob ich mir den zweiten Urlaub im Jahr leisten kann, sondern darum, wie ich meinen Kühlschrank füllen soll.“ Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst.

Ihre Forderungen machen die Streikenden lautstark deutlich. Mit Trillerpfeifen und Fächerklappern ziehen sie durch die Innenstadt, zeitweise müssen Straßen gesperrt werden. Vom Elbenplatz aus geht es in Richtung Parkstraße und Tübinger Straße hoch zum Marktplatz. Dort rückt der Demozug wieder enger zusammen, um Thomas Jurcan sprechen zu hören.

Bis zu 500 Überstunden

Thomas Jurcan arbeitet seit 25 Jahren als Straßenwärter. „Wir sind die mit dem gelben Rundlicht auf dem Dach“, beschreibt er seine Tätigkeit, die wohl jeder im Alltag wahrnimmt. Vor allem im Winter, wenn die Straßenwärter unterwegs sind, um die Straßen zu räumen. Dann machen die Beschäftigten etwa 300 bis 500 Überstunden, die sie normalerweise im Sommer wieder abbauen, sagt Thomas Jurcan.

Dieses Jahr weiß er allerdings nicht, wie er seine 300 Überstunden wieder loswerden soll: „Vom Verkehrsministerium kam die Anordnung, dass wir dabei helfen sollen, bei Unfällen Straßen zu sperren oder Sturmschäden zu beseitigen. Dafür bräuchten wir 8 bis 10 Leute mehr, die nur für die Verkehrssicherung zuständig sind. Die kriegen wir aber nicht.“ In seiner Zeit als Straßenwärter hätten sich die Arbeitsbedingungen zunehmend verschlechtert. Die Beschäftigten hätten rund um die Uhr Rufbereitschaft, sogar in ihrer Freizeit. Er kritisiert das Angebot der Arbeitgeber und die fehlende Anerkennung.

Sidar Carman ist zuversichtlich, dass die Streiks bei den Arbeitgebern etwas bewirken. Die nächste Verhandlungsrunde findet Ende März statt. Bis dahin könnten weitere Streiks im Landkreis Böblingen drohen.

Wann werden die Tonnen geleert?

Die Biomülltouren in der Sindelfinger Kernstadt, in Darmsheim und Maichingen sind streikbedingt entfallen und können nicht nachgeholt werden, heißt es auf der Homepage des Abfallwirtschaftsbetriebs des Landkreises Böblingen. Die Tonnen sollen zur nächsten regulären Abfuhr wieder bereitgestellt werden.

Die Restmülltonnen und -container werden im Laufe der Woche geleert, deshalb sollen die Behälter draußen stehen gelassen werden.

Die Papiertonnen in Renningen-Malmsheim konnten streikbedingt ebenfalls nicht geleert werden. Die Papiertonnen sollen zur nächsten regulären Abfuhr bereitgestellt werden.

Die Leerungen der Wertstofftonnen in Herrenberg-Gültstein und Gäufelden sowie die Leerungen der Papiertonnen in Herrenberg-Haslach fielen streikbedingt aus und können nicht nachgeholt werden. Betroffene werden gebeten, die Tonnen zur nächsten regulären Abfuhr bereitzustellen.

Ab Mittwoch werden alle Abfalltouren wieder regulär nach Terminplan gefahren.