Menü
Kreis Böblingen: Seltsam romantische Himmelsfarben in den frühen und späten Tagesstunden und die nüchterne Physik

Abendrot, Schönwetterbot'

Von Hansjörg Jung

Sonne, purpurgeborene, / Glänzend im Glanz der Rubinenkron / Und des goldenen Mantels, Steigest Du empor Aus Deinem Palast von Kristall – euphorisch beschreibt Heinrich Heine den roten Sonnenaufgang. Heine ist zwar schon lange tot, aber seltsam stimmen uns bis heute Himmelserscheinungen. Schon lange bedienten sich Krieger- und Schlachtenpoeten des Morgenrots als Zeichen des nahenden Endes – na ja. Rot reimt sich auf tot und die Farbe .... Lassen wir das. Für die Linken war er stets ein Zeichen der Hoffnung – schließlich geht im Osten die Sonne auf und so heißt es folgerichtig in Hannes Waders Adaptation eines alten britisch-amerikanischen Gewerkschaftslieds: „Haltet Stand, wenn Feinde drohen, seht das Morgenrot ...“.
Viel emotionaler besetzt ist das Abendrot – mal abgesehen von der Adam-und-Eve-Schnulze „Wenn die Sonne erwacht in den Bergen“. Das reicht von den Caprifischern und endet noch lange nicht bei Wencke Myhres Gummiboot im Abendrot. In Friedrich Hammers Reim „Das Abendrot erlischt; mit hellem Scheine / Steht schon der Stern der Lieb' am Horizont“ spiegelt sich jede Menge von Postkarten- und Hollywoodromantik. Was am Ende ja naheliegt – denn die Morgenröte wird von den Liebenden gemeinhin meist verschlafen. Nicht zuletzt warnte auch Gordon Lightfoot in „Sundown“, nicht den romantischen Verlockungen der Stunde zu erliegen.
Nüchtern und unromantisch
„Das Abendrot entsteht durch den sich verlängernden Lichtweg bei sinkender Sonne. Dabei wird in zunehmendem Maße der kurzwellige Anteil der Sonnenstrahlung durch Streuung an den Gasmolekülen sowie Staub- und Dunstteilchen der Atmosphäre herausgefiltert, so dass nur der rote, länger wellige Anteil übrig bleibt.“ Peng, so nüchtern und unromantisch sieht es die Physik. Wolkenloser Horizont, Schmutz oder Wasserdampf in der Luft, lange statt kurze Welle. Aus diesem Rezept, das gleichsam für die Morgenstunden gilt, lassen sich leuchtend rote Himmel zaubern. Nur: Beim Morgenrot kommen zunehmend die kürzeren Lichtwellen hinzu und die Röte verabschiedet sich..
Als Wetterboten taugen die glutroten Himmel allerdings nur bedingt. Meine Oma sagte mir schon: „Abendrot, Schönwetterbot'“. Damit hatte die Gute nicht ganz Unrecht. Denn wenn die Sonne am wolkenlosen Abendhimmel im Westen leuchtend rot versinkt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch am nächsten Morgen keine Wolken am Himmel stehen, relativ groß. Denn das Wetter kommt bei uns ja in der Regel aus Westen. Auf ganz wackligen Beine steht hingegen der Umkehrschluss, dass das Morgenrot schlechtes Wetter ankündigt. Die Chancen stehen dabei 50 : 50. Also, nichts wie hinein damit in die Mottenkiste der Wetterregeln.
Ein Halo-dri
Ein ziemlich sicheres Zeichen, dass sich demnächst das Wetter ändert, ist der so genannte Halo, wie Andrea Babel einen in Maichingen fotografiert hat. Das englische Wort für Heiligenschein. Die Ringe dieses Wetter-Hallodris um Sonne und Mond sind so etwas ähnliches wie Regenbögen – nur dass sich das Licht nicht im Wassertröpfchen bricht, sondern in Eiskristallen. Meistens sind es Zirruswolken, die in großen und vor allem eiskalten Höhen Eiskristalle mit sich tragen. An denen bricht sich das Licht von Sonne oder der Mond zu einem kreisrunden Halo.
Und oft sind diese von Höhenwinden zerzausten Federwolken Vorboten für eine Warmfront, die ein ganzes Tief mit schlechtem wetter hinter sich herziehen kann. So scheints mit dem Halo wie mit dem Morgenrot, das Justinus Kerner so besang: „Morgenrot, das herrlich rings den Himmel hellt,/ Ach! du bist nur Bote, dass heut Regen fällt! / Oft bringt, was entzücket, Tränen nur und Not. / Tausend Menschenfreuden sind ein Morgenrot.“