Menü
Cutting: Die Ehningerin Jette Jürgensen ist Deutsche Vizemeisterin in der amerikanischen Traditionssportart und trainiert gelegentlich auch mit einer Stoffkuh

Das Rind im Blick und fest im Sattel

Langsam reitet Jette Jürgensen in die Herde der Rinder hinein. Diese machen respektvoll Platz und die junge Cuttingreiterin hat ein Rind fest im Blick. Es wird langsam von der Herde getrennt und jetzt beginnt die Arbeit von Inagaddadavida, liebevoll CD genannt, dem Cuttingpferd von Jette Jürgensen.
Von unserer Mitarbeiterin Annette Nüßle

„Das Rind will natürlich zurück zur Herde“, sagt die Gymnasiastin, „und ganz genau das möchte mein Pferd verhindern.“ Damit dies gelingt, lässt Jette Jürgensen die Zügel los, greift mit der einen Hand das Horn am Sattel und mit der anderen die Decke unter dem Sattel. Die Zügel liegen jetzt lose auf dem Hals des Pferdes und CD beginnt mit seiner Arbeit. Denn ab diesem Moment ist es einzig und allein das Pferd, das in gebührendem Abstand zum Rind versucht, diesem den Weg zur Herde abzuschneiden. Erst wenn Jette wieder die Zügel übernimmt, ist sie wieder Herrin der Lage und das Rind verschwindet schnell in der Herde.

„Es ist diese Dynamik, die mich fasziniert. Der Blick zwischen Pferd und Rind und die schnelle Reaktion meines Pferdes auf die Bewegungen der jungen Kuh“, sagt sie und auf die Frage, was denn ihre Aufgabe in diesem Moment sei, antwortet sie: „Ich muss mich nur festhalten und durch den Blickkontakt mit dem Rind vorausahnen, in welche Richtung es geht. Wenn ich hier nicht aufpasse, liege ich ganz schnell im Staub der Arena.“

Es ist ungewöhnlich für eine junge Schülerin, diesen traditionellen Sport in Deutschland auszuüben und auf die Frage, wie sie dazu gekommen ist, beginnt sie zu erzählen. Sie wollte schon immer reiten und musste ungeduldig warten, bis sie mit sechs Jahren groß genug war. Ihre ersten Runden drehte sie beim Ehninger Reitverein, bevor sie zum Westernreiten überging. Auf einer Messe sah sie eine Vorführung ihrer jetzigen Trainerin Ute Holm und ihre Mutter schenkte ihr eine Schnupperstunde. Monika Fidderich sagt: „Im Grunde genommen bin ich schuld, dass wir jetzt viel Zeit mit Training und Wettbewerben verbringen. Aber wir sind stolz auf unsere Tochter und haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Denn um auf Turnieren als jugendlicher Amateur mitreiten zu dürfen, bedarf es eines eigenen Pferdes. So will es das Regelwerk des National Cutting Horse Association of Germany, das sich am Regelwerk des Heimatlandes des Cuttingsports orientiert.

Doch ein Pferd erfordert Ausdauer und Verantwortungsgefühl. So war Jette Jürgensen zunächst auf einigen Turnieren als Helferin dabei. Da hieß es früh aufstehen, Pferde warmreiten, Boxen misten, füttern und nach dem Turnier wieder die Pferde versorgen. Erst als die Eltern sahen, dass sie dies alles mit großer Begeisterung machte, begann die Suche nach dem passenden Pferd. Inagaddadavida ist ein waschechtes American Quaterhorse und hatte bereits viele Turniere erfolgreich in den USA bestritten, bevor es über Italien nach Rottenburg in den Stall von Trainerin Ute Holm kam. Cuttingpferde sind bis ins hohe Alter im Sport aktiv und so ist CD mit seinen gerade mal 16 Jahren in der Blüte seines Turnierlebens.

Seit rund eineinhalb Jahren sind die beiden nun ein Team, denn nur im Team kann man in diesem dynamischen Sport erfolgreich sein. Und erfolgreich ist Jette Jürgensen. Sie wurde unter anderem 2017 International Reserve Champion Cutting Youth NCHAoG (Deutscher Vizemeister Jugend) und Bayrische Vizemeisterin. Das sind nur einige der Titel, die sie sich in ihrer kurzen Zeit geholt hat und wenn man in ihr Zimmer sieht, dann stehen da die vielen Trophäen und an den Wänden hängen die Schleifen, die das Pferd und der Reiter bei einer Platzierung ganz vorne erhält.

Die Eltern Monika Fidderich und Volker Jürgensen unterstützen ihre Tochter, fahren sie zum Training, sind Helfer, wenn es zum Turnier geht und das, obwohl sie zuvor in keinster Weise etwas mit Pferden zu tun hatten oder gar in den USA gelebt hatten. „Es macht uns allen viel Spaß, und solange die Schule nicht darunter leidet, sind wir gerne gemeinsam auf Turnieren oder einfach in Rottenburg im Stall“, sagt Volker Jürgensen, der selbst nicht reitet.

Um erfolgreich zu sein, ist ein regelmäßiges Training notwendig. „Allerdings steht dafür nicht immer eine Rinderherde zur Verfügung“, erzählt sie lachend. Eine Stoffkuh an einem Seilsystem übernimmt die Rolle und die Trainerin lässt diese hin- und herlaufen. „So eine Trainingseinheit geht nie sehr lange, denn es ist sehr kraftraubend und anstrengend für das Pferd“, sagt die junge Reiterin. Ansonsten reitet die Ehningerin mit ihr aus, denn für den Sport benötigt CD eine gute Kondition. Im Gelände, beim Springen und beim Reiten, auch mal ohne Sattel, sind sie genauso ein Team und genießen die gemeinsame Zeit. „Als CD zu mir kam, kannte sie nicht mal die übliche Pferdemöhre oder gar einen Apfel. Als erste Reaktion auf mein Antrittsgeschenk in Form eines besonders schönen roten Apfels hat sie diesen erschreckt aus der Box geworfen“, sagt die 13-Jährige. „Mittlerweile liebt sie Äpfel und Möhren und auch die Schmuseeinheiten genießt sie.“

Neben Training, Ausreiten und der Teilnahme an Turnieren begleitet die Schülerin ihre Trainerin beispielsweise auch auf die Americana, eine der größten Westernreitermessen in Europa. „Ich bin dort auf einer Vorführung geritten, um zu zeigen, dass dies ein attraktiver Sport auch für Jugendliche ist“, sagt sie.

SZ/BZ-Mitarbeiterin Annette Nüßle hat außer dem Ponyreiten auf Festen in jungen Jahren keinen Kontakt zu Pferden und fand den Einblick in diese Sportart sehr interessant.

Volle Konzentration: Jette Jürgensen hat die Kuh fest im Blick. Die 13-jährige Ehningerin fand als Helferin bei einigen Turniern den Zugang zum Cutting. Bild: Nüßle