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Das Projekt "Vor 80 Jahren -- Sindelfingen im Krieg"

Sindelfingen: Sigurd Speidel nach Schauprozess von den Nazis hingerichtet

Das Projekt „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt. In der aktuellen Vitrine geht es um den jungen Sindelfinger Bürger Sigurd Speidel, der „wegen Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt und am 27. Januar 1943 im Zuchthaus Berlin-Moabit enthauptet wurde.
Von Horst Zecha
Im Alter von 19 Jahren wurde Sigurd Speidel von den Nazis hingerichtet, nur weil er als Zeuge Jehovas keinen Wehrdienst leisten wollte. Bild: z

Im Alter von 19 Jahren wurde Sigurd Speidel von den Nazis hingerichtet, nur weil er als Zeuge Jehovas keinen Wehrdienst leisten wollte. Bild: z

Sindelfingen. Auf sein Schicksal wird auch bei der NS-Gedenkveranstaltung, die am heutigen Freitag um 13:30 Uhr vor dem Rathaus Sindelfingen stattfindet, näher eingegangen. Am 12. Oktober 1942 erhielt der 18-jährige Sindelfinger Sigurd Speidel seine Einberufung zur Wehrmacht. Eine rechtliche Möglichkeit, sich dieser Einberufung zu entziehen, gab es für ihn nicht. Bereits mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 1935 hatte die nationalsozialistische Regierung Wehrdienstverweigerung unter Haftstrafe gestellt. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 stand auf Wehrdienstverweigerung die Todesstrafe.

Sigurd Speidel meldete sich wie im Einberufungsbefehl festgesetzt am 20. Oktober bei seinem Ausbildungsbataillon in Horb. Am nächsten Tag erklärte er allerdings seinem Vorgesetzten, „dass er Zeuge Jehovas sei und nach den Lehren der Bibel, an die er sich halte, es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine Uniform zu tragen und eine Waffe in die Hand zu nehmen.“ Diese Erklärung wiederholte er auch schriftlich. Damit war sein Schicksal besiegelt.Am 7. Januar 1943 fand vor dem 3. Senat des Reichskriegsgerichts in Berlin der Prozess gegen Sigurd Speidel statt, in dem er zum Tode verurteilt wurde. In der Urteilsbegründung heißt es ganz im Sinne der NS-Ideologie: „Nach der vorangeführten Strafbestimmung ist die Tat des Angeklagten grundsätzlich mit dem Tode bedroht. Nur beim Vorliegen eines minderschweren Falles könnte auf Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe erkannt werden. Ein minderschwerer Fall kommt aber hier nicht in Frage. Der Angeklagte ist hartnäckig bei seiner Wehrdienstverweigerung geblieben und zeigt sich allen Belehrungen unzugänglich. Er hat kein Verständnis für dieNot seines Volkes und für die Treuepflicht gegen Führer und Vaterland. Bei dieser Sachlage kann der Senat nur auf Tod erkennen.“

Am 27. Januar 1943 wurde Sigurd Speidel im Zuchthaus Berlin-Moabit enthauptet. Er war gerade 19 Jahre alt geworden. Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen, gab es im Deutschen Reich etwa 25.000 bis 30.000 Menschen, die der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörten. Deren Grundsatz, dass Gehorsam gegenüber Gott im Zweifelsfall über den Gehorsam gegenüber weltlichen Autoritäten zu stellen sei, musste von Anfang an zum Konflikt mit den nati-onalsozialistischen Machthabern und ihrem Totalitätsanspruch führen.

Bereits am 24. Juni 1933 wurden die Zeugen Jehovas reichsweit verboten. Zahlreiche Mitglieder wurden in den folgenden Jahren verhaftet, in Konzentrationslager verbracht und oftmals schwer misshandelt. Für sie war eine eigene Kennzeichnung, der lila Winkel, vorgesehen. Etwa 1000 deutsche Zeugen Jehovas starben durch Gewaltmaßnahmen des NS-Regimes, etwa 270 davon wurden als Wehrdienstverweigerer hingerichtet.

Im Fall von Sigurd Speidel beschränkte sich die Verfolgung nicht nur auf seine Person, sondern betraf seine ganze Familie. Werner Speidel, Sigurds 14-jähriger Bruder, wurde den Eltern weggenommen und in ein Erziehungsheim gebracht, nachdem er gegenüber Mitschülern und der ermittelnden Polizei die standhafte Haltung seines Bruders gelobt hatte. Der damalige Volksschulrektor Kempf, zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP, befürwortete in seiner Stellungnahme diese Maßnahme ausdrücklich: „Umso notwendiger erscheint es mir, dafür Sorge zu tragen, dass Werner Speidel weltanschaulich richtig erzogen wird. Es muss nach seinen Äußerungen durchaus mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass er sich beim Militär ebenso verhält wie sein Bruder."