Warum die Grundsteuerreform ins Zwielicht gerät
Stuttgart. Das Video, mit dem der Urheber nach eigenen Worten lediglich eine Ungerechtigkeit öffentlich machen wollte, schlägt über die Stadtgrenzen hinaus Wellen – stellt er doch nicht nur eine wohlhabende Balinger Unternehmerfamilie, sondern auch eine landesweit prominente Politikerin an den Pranger: Nicole Hoffmeister-Kraut, die für ihre „Luxusvilla“ nach der Grundsteuerreform fast nichts mehr bezahlen müsse. Erwartungsgemäß fallen die Nutzer-Kommentare unter dem Video teils hämisch bis hässlich aus. Motto: Es war ja eh klar, dass sich die Politiker die Taschen vollstopfen. Dass die Stadt den Bodenrichtwert des inkriminierten Grundstücks kurz vor Toresschluss angehoben hat, nährt für manche noch den Verdacht der Kungelei.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass von einer „Bananenrepublik“ keine Rede sein kann. Dass eine Ministerin direkt oder indirekt Einfluss auf die Grundsteuer-Bewertung ihrer Immobilie ausübt, ist eine ziemlich abwegige Vorstellung. Und wenn die Balinger Darstellung korrekt ist, hat der Gutachterausschuss noch rechtzeitig die notwendigen Korrekturen am Richtwert des betreffenden Grundstücks vorgenommen und gemeldet. Auch wurde sogleich auf die im Video erhobenen Vorwürfe öffentlich reagiert – wenngleich noch immer unklar ist, warum das ganze Grundstück trotz Wohnhaus als forstwirtschaftliche Fläche in den Akten geführt wurde (was freilich wenig über die bisherige Grundsteuerhöhe aussagt).
Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack, weil auch dieser Fall die Tücken der Grundsteuerreform aufzeigt. Vieles wurde unterschätzt und muss im Nachhinein korrigiert werden. Zu rechnen ist mit einer großen Zahl von Widersprüchen oder gar Klagen vor Gericht. All dies schwächt die Akzeptanz des mit ganzen Vorhabens und letztlich das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit.