Auch Maichingen kriegt 15-Minuten-Takt
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU im Regionalparlament packt freilich recht zügig ein kleines Trostpflaster aus für die Zuhörer, darunter viele Maichinger: „Der 15-Minuten-Takt kommt auch bei der S 60. Es dauert nur etwas länger.“ Auf Nachfrage der SZ/BZ zur Zeitschiene sagt Rainer Ganske: nicht früher als in fünf Jahren, eher später.
Er skizziert im GSV-Vereinsheim mehrere Probleme bei der Einführung des kurzen Taktes auch auf der S 60, die zwischen Böblingen und Renningen derzeit noch im 30-Minuten-Takt verkehrt. So reiche die bestehende Infrastruktur nicht. Ein Ausbau wird nötig sein ebenso wie eine Anpassung von zeitlichen Trassen.
Dazu komme die Kostenfrage. Hier, so Ganske, seien allerdings die Befürchtungen des Landkreises unnötig. Der werde nur bei Neubau direkt zur Kasse gebeten. Bei Ausbauten oder Takterhöhung zahle dagegen die Region. Dazu werde unter anderem die Umlage verwendet, die die Region vom Kreis erhält, die der wiederum von den Kommunen bekommt. Bevor sich die Ausbaupläne zur S 60 konkretisieren lassen, stünden als nächstes Machbarkeitsstudien und Kosten-Nutzen-Rechnungen an.
Bleibt die S 60 bei der Einführung des schnellen Taktes vorerst auch außen vor, so ist die S 60 in den Augen des Verkehrsexperten und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des VVS aber keineswegs ein Stiefmütterchen. Im Gegenteil. Im Gesamtsystem S-Bahn der Region kommt ihr in Ganskes Augen eine zentrale Bedeutung zu.
Das liegt an den Besonderheiten des hiesigen S-Bahn-Netzes, erläutert Rainer Ganske. Das sei radial angelegt, habe dadurch aber einen natürlichen Flaschenhals: die lediglich eine Bahn-Röhre, die ins Stuttgarter Zentrum führe. So sei derzeit ein 15-Minuten-Takt das höchste der Gefühle. „Mehr geht nicht.“ Da die einsame Röhre Richtung Stuttgart Grenzen setzt, könne die radiale Kapazitätsbeschränkung nur tangential abgefangen werde. Womit die an Maichingen vorbeiführende Linie plötzlich entscheidendes Gewicht bekommt. „Die S 60 ist eine wichtige Tangentiale“, so Ganske.
Ein Thema im Publikum sind auch die im Vergleich zu S-Bahn-Netzen anderer Regionen und Metropolen chaotisch anmutenden und teuren Tarife. Es werde an einer Tarif-Reform gebastelt, die gerechter, einfacher und möglichst niedrig sein soll, erzählt Rainer Ganske. Er muss sich hier allerdings auf Andeutungen beschränken. Bislang ist alles zur derzeit verhandelten Tarifreform nicht öffentlich.
Er deutet aber drei mehrheitsfähige Ansätze an. Stuttgart soll eine einzige Zone werden, der Verband Region Stuttgart setze auf Tangentialverbindung mit Ringen statt Zonen und drittens eine Melange aus sinnvollen Lösungen. Ganske stellt auf jeden Fall einen großen Wurf in Aussicht. In einem halben Jahr werde es Fälle geben, in denen sich der Tarif um 20 Prozent verringere.
ÖPNV umsonst, wie von der Bundesregierung kürzlich in einem schnellen und ebenso schnell wieder zurückgezogenen Schuss auf die Agenda gebracht, aber nennt er „Schwachsinn“ für die Region und weiß sich da mit dem VVS-Aufsichtsratschef und Stuttgarter OB-Kuhn einig: Dazu existierten gar keine Kapazitäten. Man bekomme die Leute gar nicht transportiert, die durch Gratisversprechen zusätzlich angelockt würden. Außerdem werde das Geld der Nutzer zur S-Bahn-Finanzierung gebraucht.
„Was wir bräuchten, ist eine zweite Röhre nach Stuttgart“, nennt er auch ganz kurz das entscheidende Mittel zur S-Bahn-Kapazitätserhöhung, lässt das Thema mit Verweis auf S 21 allerdings als reine Gedankenspielerei sofort wieder fallen. Schlagzahl- und damit Kapazitätssteigerungen erwartet er dagegen ganz realistisch von ETCS, einem System, das die Kommunikation der Züge untereinander so verbessere, dass die in engeren Abständen Strecken-Blöcke belegen könnten. Über die Einführung herrsche Einigkeit. Kosten: 140 Millionen Euro.
Kurze Takt-Zeiten können den Öffentlichen Personen-Nahverkehr auch für Autofahrer wie SZ/BZ-Mitarbeiter Bernd Heiden attraktiv machen.
Seit Juni 2010 fährt die S 60 alle 30 Minuten zwischen Böblingen, Sindelfingen (unser Bild) und Renningen. Bild: Stampe/A