

Böblingen. Steigende Baukosten, explodierende Energiepreise und rasanter Zinsanstieg: Das bekamen viele im vergangenen Jahr auch in der Immobilienbranche zu spüren. Meldungen von eingestellten Projekten mangels Finanzierbarkeit häuften sich. Manch Makler wartete vergeblich auf Käufer. Und jetzt? Gelegenheit zur Lagesondierung bot die 24. Immobilien-Messe von Röhm-Medien in der Böblinger Kongresshalle. Viele der maßgeblichen Akteure des regionalen Immobilienmarktes waren mit zig Fachleuten vertreten.
„Das ist die regionale Leitmesse zu allen Themen rund um Immobilien“, beschreibt SZ/BZ-Chefredakteur und Verlagsleiter Hans-Jörg Zürn bei der Eröffnung den Stellenwert der Messe, an der sich bei der 24. Ausgabe 50 Anbieter mit 2000 Angeboten präsentieren. „Sie ist ein Dreh- und Angelpunkt für die Stadt“, ordnet Böblingens OB Dr. Stefan Belz die Immobilienschau ein. Verleger Dr. Christian Röhm fasst knapp die Relevanz der Messe gerade in der jetzigen Zeit zusammen: Aktuelle Themen von Grundsteuerreform über Zinswende bis energetische Wende werfen viele Fragen für die Menschen auf. Sie suchten lokale und vertrauensvolle Ansprechpartner, so Dr. Christian Röhm: „Wir wollen, dass die Menschen in der Region ein Zuhause finden.“
Damit das klappt, gilt es für Rainer Ganske, nicht zuletzt Antwort auf eine Frage zu finden. „Die Leute suchen gerade Orientierung, soll ich kaufen, soll ich nicht kaufen“, beschreibt der Geschäftsführer der Böblinger Baugesellschaft die derzeitige Verunsicherung. Weil viele wegen der gestiegenen Finanzierungskosten sich nun keine eigene Immobilie mehr leisten können, aber dennoch eine Wohnung brauchen, prognostiziert er steigenden Bedarf bei Mietwohnungen mit entsprechend steigenden Mieten. Dann wiederum mache die Immobilie zur Eigennutzung vielleicht doch wieder Sinn.
„Wir waren verwöhnt“, sagt Frank Schneider vom Fertighaushersteller Wolf System GmbH. Jetzt sei der Markt wie vor 6 Jahren. „Es zieht sich wie Kaugummi“, so Schneider. Während er Anfang Januar noch gedacht habe, der Markt breche ein, laufe es aber jetzt schon wieder.
Ein vergleichbares Bild vom lahmenden Markt, der jetzt wieder auf die Füße kommt, zeichnet Martin Sessler, Geschäftsstellenleiter des Maklerhauses von Poll. November, Dezember, Januar habe man nur 20 Prozent des Normalumsatzes gemacht. „Bis jetzt ist der März ein Rekordmonat“, berichtet er von einer Art Zeitenwende. Ein Grund seien die Preiskorrekturen bei Bestandsimmobilien. Da hätten bei vielen Objekten die Preise um 20 Prozent nachgegeben.
Der Markt ist nicht so homogen, mahnt Thomas Knapp vom Wohnprojektentwickler Instone Real Estate zur Differenzierung. Vor eineinhalb Jahren ohne spürbare Inflation, Ukraine-Krieg und Zinssteigerung sei die Situation viel einfacher gewesen. Aber Instone habe alle begonnenen Projekte weitergeführt. Dabei unterscheidet er strikt zwischen dem Neubau- und Bestandssegment. Während Bestandsimmobilien günstiger werden könnten, gehe das im Neubau wegen stetig steigender Anforderungen nicht. Etwas mehr Nachfrage als im Herbst stellt er nun aber am großen Instone-Stand fest.
„Schnee von gestern“ ist für Claus Falkenberg bereits die Zinswende. Die historische Sondersituation mit 0,8-Prozent-Zins sei einfach zu Ende, sagt der Geschäftsführer von BB-Wohnbau Böblingen, das Partnerunternehmen von Immobilien Service Bärbel Bahr. Statt zu jammern müsse man schauen, wie man die Menschen unterstützen kann. Denn der Bedarf sei immens. Ein Weg sei, bei der Immobiliengröße ein, zwei Nummern kleiner zu denken. Eltern müssten vielleicht ihre Kinder auch wieder finanziell unterstützen bei den jetzigen Zinsen, sagt Bärbel Falkenberg-Bahr. Warten mit dem Immobilienkauf in der Hoffnung auf fallende Zinsen mache jedenfalls keinen Sinn. „Die Immobilie ist die beste Geldanlage“, versichert Claus Falkenberg.
Im Vergleich zur Vergangenheit habe sich das Angebot erweitert, berichtet Uwe Nageler, Leiter des Immobilienvertriebs der Kreissparkasse. Das liege aber vorrangig daran, dass die Objekte länger am Markt blieben. Die 20-Prozent-Preiskorrektur im Bestand beobachtet zwar auch er. Bei Immobilien aus den 1970er- und 1980er-Jahren habe Zurückhaltung eingesetzt, erklärt Nageler, da energetische Anpassung, etwa Einbau von Wärmepumpen, oft nicht möglich sei. „Die Preise geben aber nicht eigentlich nach“, warnt er vor Missverständnissen: „Wohnbedarf ist da und der Markt eng.“
Ein Invest in eine Immobilie sei auch jetzt nicht verkehrt, analysiert Tonino Raia, Immobilien-Abteilungsleiter bei der Volksbank, die Situation. „Wir müssen aber umdenken“, sagt er: „Vom Elternhaus gleich ins eigene Einfamilienhaus ist vielleicht nicht mehr der erste Schritt.“ Man dürfe nicht wie die letzten 10 Jahre denken mit ihrem Niedrigzins. Das sei eine andere Welt gewesen. Raia: „Die letzten zehn Jahre waren eine verrückte Immobilienzeit. Wir kommen in normale Zeiten.“ Rückgang beim Preis von Bestandsimmobilien sieht er nicht als Platzen einer Blase, sondern als „gesunde Korrektur“.
Pudelgesund wirkt jedenfalls die 24. Immo-Messe, die auch mit Extras wie der Möglichkeit zum virtuellen Rundgang durch ein Kleinsthaus, einem sogenannten Tiny-House des Gäufeldener Anbieters Tiny Homeland, an zwei Tagen rund 2000 Besucher lockte. „Das ist sehr gut“, bilanziert Verlagsleiter Hans-Jörg Zürn. Auch die Aussteller seien durchweg zufrieden.
Die bei der 24. Immo-Messe neu eingeführte Reihe mit 8 Expertenvorträgen stieß auf großes Interesse. „Am Sonntag waren wir dreimal ausverkauft“, so Hans-Jörg Zürn. Wie auch immer die Zinsen sich entwickeln, die Jubiläumsausgabe 25 Jahre Immo-Messe 2024 kann kommen.
Bild: Dettenmeyer