

Böblingen. Samy’s Pub gehört in die Kneipen-Szene wie das Eis ins Whiskey-Glas. 45 Jahre lang prägte der Pub das Stadtbild. Nun dreht Omran Salameh den Schlüssel um und hinterlässt eine Lücke in der Altstadt. Am 31. Dezember geht in der Marktstraße 43 das Licht aus.
Das Böblinger Wohnzimmer, so nennen es manche. Ganz gleich, wie sich die Welt verändert, Samy’s Pub bleibt der vertraute Rückzugsort, an dem sich Hinz und Kunz treffen, sich auf den gemütlichen Sofas zurücklehnen, eingehüllt vom schummrigen Schein der orange-leuchtenden Lampen. Durch die Vorhänge bahnt sich das Licht seinen Weg in die Marktstraße, in der die Menschen den süßlichen Duft der Shishas in die Gassen tragen.
Die Wände sind tapeziert mit Gemälden und Fotos. Eine Collage erinnert an das 30-jährige Jubiläum im Jahr 2008, an dem Omran Salameh Bier für eine Mark neunzig verkauft hat. Obwohl seit sechs Jahren Euro die Währung war. Doch zum Jubiläum hat Samy, wie er auch genannt wird, diese besondere Aktion einfallen lassen: Alles zu den Preisen von 1978, als er die Kneipe in Böblingen öffnete.
Damals ist es noch eine Whiskey-Kneipe. Daran erinnert sich manch einer noch. Für viele jüngere Leute, die heute wohl nicht mehr so jung sind, war Samy’s Pub immer schon eine Shisha-Bar. Aber erst 2002, also nach 24 Jahren Betrieb, besorgt Omran Salameh die ersten zwei Wasserpfeifen für seinen Pub. Damit sei die Kneipe die erste Shisha-Bar in Böblingen geworden. Begonnen mit zwei Shishas, werden es bald 18 Stück.
Es braucht ein Jahr, bis es sich rumspricht, doch dann rennen die Menschen ihm die Tür ein. „Das war etwas vollkommen Neues für die Böblinger, was sie ausprobieren wollten. Die Schlange zog sich bis nach unten, wo die BW-Bank steht“, erinnert sich der 79-Jährige.
Der Pub füllt sich mit jungen Leuten. Waren es zuvor die Eltern, die zu ihm in die Kneipe kamen, sind es jetzt deren Kinder. Der Generationenübergang ist fließend, aber Samy bleibt. „Wenn die Jüngeren zu mir kamen, richteten sie mir einen Gruß vom Vater oder von der Mutter aus.“ Doch auch mit der Umwandlung zu einer Shisha-Bar bleiben seine Stammgäste treu, die sind seit den Anfängen dabei.
„Mir tut es weh, dass ich aufgeben muss“, sagt der Kneipenbesitzer. Seine Kinder übernehmen die Kneipe nicht, der Gastro-Bereich sei heutzutage auch nicht mehr zu empfehlen, sagt Omran Salameh. „Ich für meinen Teil bereue keine Sekunde.“ Auch, wenn er ununterbrochen gearbeitet habe, sieben Tage die Woche: Er hat es aus Leidenschaft getan. Wenn er Urlaub hatte, das war im Sommer, ist er mit seiner Familie in die Heimat gefahren, nach Jordanien.
Aus diesem Land im Nahen Osten kommt er 1961 als junger Mann nach Deutschland. Zuerst schlägt er sich als Hilfsarbeiter bei einer Baufirma durch, danach wechselt er in die Industrie. Ein Kollege, der als DJ jobbt, schlägt ihm vor, in einem Hotel in Stuttgart zu arbeiten. So landet Omran Salameh beim Holiday Inn in Stuttgart. Dort kehren regelmäßig Promis ein und aus. Er sammelt fleißig Autogramme: Otto Waalkes, Udo Jürgens, Dieter Thomas Heck verewigen sich in seinem Büchlein, das er bis heute aufbewahrt. In seinem Pub.
Als das Holiday Inn gebaut wird, bewirbt sich Omran Salameh und schlägt schnell Wurzeln in Böblingen. Hier kauft er schließlich seinen Pub und tauft ihn „Samy’s Pub“. Warum Samy? Ein Mitbringsel aus seinen Zeiten beim Holiday Inn. Dort habe es Bedienungen aus Irland gegeben, die seinen Namen nicht aussprechen konnten, deshalb erhielt er den Namen Samy. In Böblingen hat er schließlich seine zweite Heimat gefunden. „Ich habe hier sehr viele Freunde gewonnen.“ Wenn er durch die Stadt läuft, grüßen ihn die Menschen.
Seinen Ruhestand will er nun genießen. Er hat fünf Enkelkinder, die seine Zeit füllen. Reisen möchte er, vielleicht mal länger als nur ein paar Wochen, auch zurück in seine Heimat. Den Dezember nutzt er, nach und nach jedem auf Wiedersehen zu sagen. An Weihnachten kommen sie alle nach Hause, wohin auch immer es all die Gäste, die jahrelang zum Inventar von Samy’s Pub gehörten, verschlagen hat. Dann steigt eine Abschiedsparty im kleinen Kreis. Dafür füllt sich das Böblinger Wohnzimmer noch einmal mit Leben.