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Vom Abstiegsplatz auf Rang eins

Das Wagnis mit den drei Spielern aus Bangladesh wird für die SVB-Hockeyspieler zum Erfolgsmodell

Roman Sarkar, Mahbub Hossain und Shohanur Sobuj kommen Ende August wieder nach Böblingen und spielen mit in der 1. Regionalliga.
Von Uli Meyer

Hockey. Ein bisschen Glück gehört wohl zu jeder großen Geschichte dazu. Als David Scheufele vier Minuten vor Ende des letzten Saisonspiels einen Flankenball ins Mannheimer Tor lenkte und mit seinem 3:3-Ausgleich die Tür zum SVB-Aufstieg weit aufstieß, war sich der Schütze im ersten Moment gar nicht sicher, ob sein Treffer wirklich zählen würde. „Das halbhohe Zuspiel in den Schusskreis war an der Grenze der Gefährlichkeit“, so Scheufele, der deshalb mit bangem Blick Richtung Schiedsrichter dessen Reaktion erwartete. Erst als vom Unparteiischen die doppelt ausgestreckten Arme Richtung Spielfeldmitte zu sehen waren, konnte der Jubel losgehen.

Kurz danach war es Gewissheit. Die SV Böblingen hatte das unglaublich spannende Saisonfinale in der 2. Regionalliga Süd für sich entschieden. Das Unentschieden bei der Mannheimer Bundesligareserve war für die Mannschaft von Trainer Thomas Dauner wie ein Sieg, denn gleichzeitig hatte Tabellenführer Bietigheimer HTC beim HC Heidelberg mit 0:1 verloren. Zum ersten Mal in den 14 Saisonspielen hatte die SVB den ersten Platz erobert, der Aufstieg war perfekt. Nach insgesamt sieben Jahren in dieser Liga, zwischendurch auch mit Abstiegen in die Oberliga, wo die SVB zusammen acht Jahre lang in der Fünftklassigkeit verharrte, zieht Böblingen nun in die dritthöchste deutsche Spielklasse ein.

An so etwas war zeitweise überhaupt nicht zu denken. Noch im letzten Spiel sprach zunächst gar nichts für einen SVB-Aufstieg, nachdem die personell extrem verstärkte Mannheimer Mannschaft früh mit 3:0 in Führung gegangen war. „Aber schon mit unserem 1:3 ging ein Ruck durch die Mannschaft“, wusste Thomas Dauner sofort, dass die Sache noch nicht entschieden war.nd ähnlich der geglückten Aufholjagd in Mannheim betrachtet der SVB-Coach auch den Verlauf der gesamten Spielzeit. „Wir sind in der Saison durch manches Tal gegangen“, erinnert Dauner zum Beispiel an das 0:8-Debakel im Oktober 2023 beim Münchener SC II, als man mit einer personellen Resterampe unter die Räder kam.

Enttäuschend war auch der mit 1:4 bei Wacker München verlorene Auftakt in den zweiten Saisonabschnitt im April 2024. Denn eigentlich verspürte Trainer Dauner nach dem Eintreffen der ersten zwei von insgesamt drei Gastspielern aus Bangladesch sofort eine neue Aufbruchstimmung in der SVB-Mannschaft.Dauner hatte während der Winterpause sein großes Hockeynetzwerk genutzt und nach einer Offerte eines mit ihm befreundeten und international tätigen Trainerkollegen dann auch den SVB-Abteilungsvorstand von einem Experiment überzeugt.Mit der Hilfe von drei Nationalspielern aus Bangladesch sollte der personell dünn besetzte Mannschaftskader stabilisiert und der Klassenerhalt erreicht werden. Sportlich an mehr zu denken, verbot sich. Schließlich stand Böblingen zu diesem Zeitpunkt auf einem Abstiegsplatz.

Noch nie in über 50 Jahren SVB-Hockey hatte es solch eine Verpflichtung gegeben. „Es war auf mehreren Ebenen ein Wagnis“, gesteht Abteilungsleiter Stefan Lampert. Die finanzielle Herausforderung war dabei womöglich sogar die kleinste Baustelle. Schließlich konnten die asiatischen Gäste in einer freigewordenen Zweitwohnung eines SVB-Mitglieds quasi kostenlos unterkommen. So blieben im Prinzip nur die Flugkosten und etwas Taschengeld für vier Monate zu stemmen.

Viel größer war die Ungewissheit, was die drei Spieler sportlich bringen würden und ob sie menschlich in der Kürze der Zeit überhaupt zu integrieren wären. In allen Bereichen entpuppten sich Roman Sarkar (26), Mahbub Hossain (25) und Shohanur Sobuj (23) als echter Glücksfall. Es passte vom ersten Tag an.„Die drei waren wie ein Booster. Sie haben sich sehr sozial verhalten, waren am Team interessiert. Und vor allem haben sie durch ihr Können alle Mitspieler besser gemacht, die jungen Wilden genauso wie die alten Hasen“, schwärmt Thomas Dauner. Was auch David Scheufele bestätigt: „Das hat viele nochmal richtig motiviert. Die Trainingsbeteiligung in den letzten Wochen war richtig gut.“ Abteilungsleiter Lampert legt sogar noch einen drauf: „Jedes Training wurde zum Erlebnis.“

Ein Erlebnis, von dem sogar alle SVB-Jugendmannschaften profitierten. Denn die drei „Bangladeschis“, wie sie oft liebevoll betitelt wurden, standen nahezu jeden Tag auf dem Hockeyplatz und unterstützten den Böblinger Hockeynachwuchs im Training und teilweise auch als Coach-Assistenten bei Punktspielen. „Das hat ihnen richtig Spaß gemacht“, beobachtete Thomas Dauner.Was vor wenigen Wochen noch undenkbar war, ist inzwischen praktisch in trockenen Tüchern: Nach ihrer Rückkehr in die Heimat werden Sarkar, Hossain und Sobuj schon Ende August nach Böblingen zurückkehren, alles ist mit dem Hockeyverband in Bangladesch abgestimmt. Zumindest den Herbstabschnitt der 1. Regionalliga werden sie für Aufsteiger SVB bestreiten können. Ein bisschen Glück gehört eben dazu.