Der Traum vom Profi-Fußball erfüllt sich nur für die wenigsten Talente
Fußball. Lionel Messi, Ansu Fati, Lamine Yamal – die großen Stars am Fußballhimmel müssen früh poliert und in Form gebracht werden, könnte man meinen. Wer es bis ganz nach oben schaffen will, muss den Grundstein früh legen. Doch bei all dem Ruhm und der Professionalisierung bleibt oft unbeachtet, wie prägend der Leistungsdruck für die Kinder und Jugendlichen sein kann. Besonders in der Pubertät, einer entscheidenden Phase für die Entwicklung des Selbstwertgefühls, wird Jugendlichen ein gefährliches Selbstbild vermittelt: „Ich bin wertvoll und gut, weil ich gut spiele – wenn ich gut spiele.“ Dieses Prinzip zeigt sich vom Verhalten von Eltern, Fans und Presse gleichermaßen – ob bei E-Jugendspielen im Dorfverein oder bei Bundesliga-Partien vor ausverkauften Stadien.
„Das ist wie eine Achterbahnfahrt“, beschreibt Manuel Bühler, ehemaliger Fußballprofi, der die Zehntklässler des Otto-Hahn-Gymnasiums Böblingen an diesem Morgen mitnimmt in die Welt des Profifußballs. Er erzählt von seiner Reise vom kleinen Dorfverein TGV Entringen über seine Zeit beim 1. FC Nürnberg bis zum Gipfel seiner Karriere bei 1860 München – und seinem Weg zurück. Denn so schnell, wie man als junges Talent in die Profi-Welt aufsteigen kann, so schnell wird man wieder abgeschrieben, wenn der Erfolg ausbleibt. Nur 3,5 Prozent der U19-Spieler schaffen es, dauerhaft im Profifußball Fuß zu fassen. Bühler schildert eindringlich die Höhepunkte und Rückschläge seiner Karriere: die Anspannung und Freude vor seinem ersten großen Spiel, aber auch der Frust und die Enttäuschung, als sein neuer Vertrag bei Erzgebirge Aue verletzungsbedingt platzte. „Man steht vor 20 000 jubelnden Fans – und ein Fehlpass reicht, um von denselben Fans ausgepfiffen zu werden“, erzählt Bühler. „Das macht etwas mit einem.“
Um den Schülern zu zeigen, wie sich dieser Druck anfühlt, führt Bühler ein einfaches Experiment durch: Zwei Schüler messen sich in einem Jonglierwettbewerb. Zunächst wird ihre Leistung von den Mitschülern bejubelt und angefeuert – im zweiten Durchgang werden sie ausgebuht und kritisiert. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Erfolgsquote der Schüler halbiert sich unter den Buhrufen. Wenn man seinen Selbstwert an die Bedingungen des Erfolgs knüpft, so sei man sehr anfällig. Manche zerbrächen daran.
Die Schattenseiten des Geschäfts
Junge Fußballer stehen unter enormem Druck – und oft fehlt ihnen die nötige Unterstützung. Obwohl Vereine zunehmend auf psychologische Betreuung setzen, betont Bühler, dass die Prioritäten klar im Bereich Profit lägen. „Die mentale Gesundheit bleibt oft auf der Strecke, und die Hemmschwelle, Schwächen einzugestehen, ist groß.“ Er schildert, wie der Traum von der großen Karriere viele Spieler blind macht für die Risiken: „Wenn es nicht klappt, ist der Fall tief – vor allem, wenn kein Plan B existiert.“ Die Arbeit an einem zweiten Standbein werde häufig der Eigeninitiative der Spieler überlassen.
Nach dem abrupten Ende seiner Fußballkarriere suchte Bühler nach einem neuen Sinn im Leben. Ein Wendepunkt war die Einladung zu einem Sportlergottesdienst seines Idols Ze Roberto, die ihm wichtige Denkanstöße gab. Bühler berichtet von einem Projekt in einem südafrikanischen Gefängnis, das ihn tief bewegte. Dort fand er Antworten auf seine Lebensfragen und erkannte, dass er nicht allein durch Leistung wertvoll ist. Heute engagiert er sich im Verein „Fußball mit Vision“, den er mit anderen aktiven und ehemaligen Profifußballern gegründet hat. Ziel des Vereins ist es, Spieler dabei zu unterstützen, mit den hohen Anforderungen im Profifußball umzugehen, und ihnen Perspektiven über den Sport hinaus zu eröffnen. Auch internationale Projekte und Schulbesuche wie am OHG sind Teil der Arbeit – immer mit dem Fokus, junge Menschen zu inspirieren.
Relevanz für die Schülerinnen und Schüler
Die zahlreichen Fragen der Schülerinnen und Schüler zeigten, wie sehr das Thema sie bewegt. Denn Leistungsdruck ist nicht nur im Profifußball ein Problem – auch in der Schule und im Alltag sind viele von dem Gedanken geprägt, dass nur Leistung zählt. „Ist es das, was du dir vom Leben erhoffst? Ist es das, was dir Wert verleiht?“ Diese Fragen stellt Bühler in den Raum und lädt die Jugendlichen ein, über ihre eigenen Prioritäten nachzudenken.
Mehr zum Thema gibt es unter https://fussballmitvision.de/ im Internet.