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Böblingen: Erster Krämermarkt seit dem Corona-Lockdown am Elbenplatz / Marktbeschicker bedanken sich bei der Stadt

Fahrende Händler kämpfen ums Überleben

Zum ersten Mal seit Beginn des Corona-Lockdowns Mitte März gab es in Böblingen am Donnerstag wieder einen Krämermarkt am Elbenplatz. Damit steht die Stadt so gut wie alleine da, denn die meisten Kommunen haben vergleichbare Veranstaltungen abgesagt. Die Branche der fahrenden Händler kämpft ums Überleben.
Von unserem Mitarbeiter Matthias Staber

„1000 kleine Dinge“ heißt der Laden, den Thomas Kallerhoff gemeinsam mit seiner Frau betreibt. Von Bürste über Feuerzeug, Pfannenwender, Mottenkugel, Klebehaken oder Postkarten gibt es dort vor allem Kleinkram, den man erst braucht, wenn man ihn beim Stöbern durch die Auslage entdeckt – typische Krämer-Ware eben. Seinen Hauptumsatz macht das Ehepaar aus Bad Rappenau dementsprechend nicht mit dem Laden, sondern durch das Beschicken von Krämermärkten in ganz Baden-Württemberg. „Knapp 300 Märkte pro Jahr dürften es sein“, so Thomas Kallerhoff.

Seit Beginn des Corona-Lockdowns sieht es mit diesem Umsatz allerdings schlecht aus: „Das hier in Böblingen ist für mich der erste Krämermarkt seit Beginn der Corona-Krise.“ Im Vergleich zu vielen Kollegen gehe es ihm noch vergleichsweise gut: „Ich habe ja noch den Umsatz aus meinem Laden, den ich am 15. April wieder aufmachen durfte, mit entsprechenden Auflagen.“

Viele fahrenden Händler haben seit Mitte März jedoch überhaupt keine Einnahmen mehr. „Die maximal 9000 Euro Soforthilfe, die es vom Staat gab, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Thomas Kallerhoff: „Wir Marktbeschicker sind der Stadt Böblingen unendlich dankbar, dass sie den Mut hat, diesen Krämermarkt zu veranstalten.“ Anders als Böblingen haben die meisten Kommunen ihre Krämermärkte abgesagt und entsprechende Pläne bis auf Weiteres auf Eis gelegt – auch Sindelfingen.

Eine nachvollziehbare Logik mag Thomas Kallerhoff hinter diesen Entscheidungen nicht sehen: „Es gibt kleinere Märkte als Böblingen, die abgesagt wurden.“ Für die Branche sehe es düster aus, so Kallerhoff: „Einige haben schon aufgegeben und sich mindestens in Teilzeit Jobs gesucht. Für mich selbst dürfte es schwer werden, mit 58 Jahren eine andere Arbeit zu finden. Ich bin seit 38 Jahren im Markt-Gewerbe. Ich möchte auch nichts anderes machen.“ Die Politik müsse endlich auf das Corona-Sterben der Branche reagieren, fordert Thomas Kallerhoff: Es müssten nachvollziehbare Regeln geschaffen und klar kommuniziert werden, so dass Veranstaltungen wie Krämermärkte oder auch Volksfeste wieder zuverlässig stattfinden können – nur so könne die Branche vernünftig planen, kalkulieren und überleben.

Zusammen mit seinen Mitstreitern vom baden-württembergischen „Landesverband Schausteller und Marktkaufleute“ wird Thomas Kallerhoff für diese Forderungen am 23. Juli ab 13 Uhr auf dem Stuttgarter Karlsplatz demonstrieren. „Das wirtschaftliche Überleben nicht nur von uns Marktbeschickern, sondern auch von Zirkus-Leuten oder Kirmes-Schaustellern hängt davon ab“, so Thomas Kallerhoff.

Für Marktbeschickerin Elenore Mauch aus Heidelberg, die nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Hessen und Rheinland-Pfalz unterwegs ist, ist der Böblinger Krämermarkt der zehnte seit Beginn der Corona-Krise. „So langsam fängt es wieder an“, so Elenore Mauch, die Schmuck, selbst gestrickte Socken und Tücher anbietet. Planbar sei allerdings nichts: „Ich muss jede Menge telefonieren und überreden, damit überhaupt etwas passiert.“

Wirtschaftlich tragfähig sei dies auf Dauer nicht: In normalen Jahren ist Elenore Mauch an 180 bis 200 Tagen mit ihrem Marktstand am Start, und zwar nicht nur auf Krämermärkten, sondern auch auf Volksfesten, Kirmes-Veranstaltungen und Weihnachtsmärkten. „Die Feste sind für mich wirtschaftlich wichtiger als die Krämermärkte“, so Elenore Mauch: „Und die sind alle abgesagt.“ Und ob es in diesem Jahr die für die Branche so wichtigen Weihnachtsmärkte geben wird, stehe in den Sternen. „Dass Böblingen den Krämermarkt veranstaltet und dabei auch noch so fair mit den Preisen ist, finde ich toll“, so Elenore Mauch, die um 4.15 Uhr aufgestanden ist, um ab 7 Uhr in Böblingen ihren Stand aufzubauen: „Ich bin froh, wenn ich ein paar hundert Euro Umsatz machen kann.“