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Genuss

Herrlich duftendes Ergebnis von Traditionshandwerk in der Weihnachtszeit

Der Butter-Mandel-Stollen aus der Backstube der Bäckerei und Konditorei Renz wird seit 95 Jahren nach Familienrezept gebacken.
Von Annette Nüßle

Weil der Stadt. Noch ist es draußen dunkel, wenn in der kleinen Backstube der Bäckerei und Konditorei Renz in Weil der Stadt das Licht angeht. Zwischen Mehlsäcken, Holzbrettern und alten Rezeptbüchern beginnt hier der Advent – nicht erst im Dezember, sondern schon Anfang November. Denn Butter-S, Zimtsterne, Schwarz-Weiß-Gebäck, Früchtebrot und vor allem der Butter-Mandel-Stollen gehören seit 95 Jahren fest zur Vorweihnachtszeit des Traditionsbetriebs.

Für Bäcker- und Konditormeister Joachim Renz ist das nicht nur Arbeit, sondern gelebtes Handwerk. „Das Rezept stammt von meinem Opa, Ernst Renz, und der hat es wiederum von seinem Lehrherrn übernommen,“ sagt Joachim Renz. 1907 hat der Opa in Stuttgart beim königlichen Lieferanten für Brezel und Springerle das Bäckerhandwerk erlernt und ist über eine Station in Tübingen 1930 nach Weil der Stadt gekommen. Das alte Rezeptbuch, noch in Sütterlinschrift verfasst, ist heute noch die Grundlage für viele Backwaren und Kuchen, die der Bäcker- und Konditormeister in seiner kleinen Backstube in Weil der Stadt backt. „Mein Vater, Werner Renz, hat es sozusagen übersetzt, denn vieles der alten Schriftart ist für mich nur schwer oder gar nicht zu entziffern.“

Keine Eile

Die Butter-Mandel-Stollen, dick in Zucker gewälzt, sind ein ganz besonderes Backwerk und brauchen viel Zeit und Ruhe, bevor sie zum Verkauf angeboten werden können.
Sultaninen, Orangeat und Zitronat werden für zwei Tage in Rum eingelegt. Der Alkohol verfliegt später beim Backen, aber der Geschmack, der bleibt. Mandelstifte werden zunächst geröstet und kommen dann zu den Früchten hinzu. Die Gewürzmischung, die den Stollen so besonders macht, ist ein Familiengeheimnis, nur soviel sei auch hier verraten: Es sind edle Gewürze, die nach Weihnachten riechen und schmecken.

Wenn der Teig schließlich angesetzt wird, geht es nach alter Regel: „Ein Butter-Mandel-Stollen muss mindestens 40 Prozent Butter und 20 Prozent Mandeln enthalten – bezogen auf die Mehlmenge“, erklärt der Bäckermeister. Bei ihm liegt der Anteil sogar höher. Ein Teil der Mandeln kommt als Marzipan direkt in die Buttermasse, später wird alles mit Hefe und Dinkelmehl zu einem geschmeidigen Teig verarbeitet. „Das kommt bei unseren Kunden gut an. Viele sagen, sie vertragen das Dinkelmehl besser als das Weizenmehl,“ sagt Joachim Renz, der seit 2000 die Tradition seines Vaters weiterführt.

Doch jetzt heißt es wieder warten. Der kräftig geknetete Teig darf jetzt unter der Schicht aus Sultaninen, Orangeat, Zitronat und Mandeln erst einmal gehen. „Er muss richtig schön aufgehen, bevor die Früchte hinzukommen.“ Der schwere Hefeteig braucht diese Zeit, denn in ihm selbst ist wenig Hefe, die den Teig zu gehen bringt.
In der kleinen Backstube, die gerade mal 30 Quadratmeter misst, werden währenddessen Brezeln geschlungen. Schnell wird das Blech gefüllt, sie sind auch das Einzige, was der Bäcker und sein Team tagsüber immer wieder nachbackt. Alles andere wird am Morgen gebacken und wenn eine Brotsorte verkauft ist, muss der Kunde sich aus der großen Auswahl einen anderen Laib aussuchen.

Ein Teig, der Fingerspitzengefühl verlangt

Wenn die Zeit reif ist, werden die Früchte unter den Teig gehoben – behutsam, nur wenige Minuten, man könnte fast sagen: liebevoll. „Stollenteig ist anspruchsvoll. Die Sultaninen sollen ganz bleiben“, erklärt Renz und man merkt, dass er das nicht nur sagt, sondern lebt. Das Portionieren wird ausschließlich von Hand erledigt. „Mit einem metallenen Teigschaber zu arbeiten – das ist absolut tabu“, sagt er und lacht. Denn wer schneidet, zerschneidet auch die Früchte. Und das kommt hier nicht infrage.

Die Backformen haben schon viele Stollen gesehen, manche der 500- oder 750-Gramm-Formen stammen noch vom Großvater, weiß Joachim Renz. Wobei Formen, wie sie vielleicht zuhause eingesetzt werden, sind es genau genommen nicht. Stollen werden unter Hauben gebacken, das heißt, der Stollenlaib wird zum Backen zugedeckt und erhält dann beim Aufgehen im Ofen seine typische Form. Zwischen 45 und 55 Minuten dauert es, bis die Stollen aus dem Ofen kommen. „Butter-Mandel-Stollen werden bei 180 Grad gebacken, dazu verwenden wir also die Resthitze, die vom Brotbacken übrig ist. Eine so milde Hitze ist für einen Bäcker eher unüblich,“ sagt Bäckermeister Joachim Renz.

Staubzucker erst einen Tag danach

Wenn die Stollen aus dem Ofen kommen, werden sie noch warm gebuttert und in Kristallzucker gewälzt. Erst nach einer Nacht erhalten sie die schneeweiße Schicht aus Staubzucker. Dann werden sie eingeschweißt, so bleiben sie bis zu sechs Monate frisch. Vorausgesetzt, man isst sie nicht vorher. Renz gibt einen Tipp für zu Hause: „Einfach die Folie dranlassen, den Stollen ein Stück herausziehen, Scheiben abschneiden und wieder hineinschieben. So bleibt die Schnittfläche geschützt.“

Zeit, Ruhe, Handarbeit – das ist die Grundlage seiner Backkunst. In diesem Jahr hat Renz seine Butter-Mandel-Stollen und sein Schnitzbrot wieder zur Prüfung der Handwerkskammer in Stuttgart gebracht. „Ich bin gespannt, wie sie bewertet werden“, sagt er. Die Chancen stehen gut – denn dass hier mit Hingabe gebacken wird, schmeckt man.