

Kreis Böblingen. „Trotz steigenden Wohlstands in der Bevölkerung schrumpft der stationäre Einzelhandel im Landkreis Böblingen – und zwar deutlicher als im bundesweiten Vergleich“. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian Wahl hervor. Besonders brisant: Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart stellt klar, dass „der stationäre Einzelhandel im Landkreis Böblingen sich schlechter entwickelt hat als im Bundesdurchschnitt“, obwohl die Menschen vor Ort „absolut wohlhabender geworden sind“.
„Diese Diskrepanz ist ein klares Alarmsignal“, sagt Florian Wahl. „Der Handel vor Ort verliert den Anschluss – und die Landesregierung schaut einfach zu.“ Besonders drastisch ist demnach der Anstieg der Insolvenzen im Einzelhandel: Von lediglich zwei Insolvenzen im Jahr 2019 schnellte die Zahl bis 2024 auf 26 hoch. „Das ist eine Verdreizehntfachung innerhalb von fünf Jahren. Wenn das kein Hilferuf des Einzelhandels ist, was dann?“, so Wahl.
Auch bei der Beschäftigung sieht es düster aus. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Einzelhandel fiel von 10 426 (2019) auf nur noch 9686 (2024). Besonders stark betroffen ist der Bereich Unterhaltungselektronik, in dem die Beschäftigtenzahl um mehr als 24 Prozent sank – von 331 auf 251 Personen.
Zwar stieg der Gesamtumsatz im Einzelhandel im Landkreis von 1,19 Milliarden Euro (2019) auf 1,56 Milliarden Euro (2023). Doch der Blick ins Detail zeigt: Die Branche der Informations- und Kommunikationstechnik verlor im gleichen Zeitraum fast 19 Prozent ihres Umsatzes – von rund 67,8 Millionen Euro auf 55,2 Millionen Euro. Auch bei den Auszubildenden ist die Entwicklung rückläufig. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Einzelhandel sank von 471 im Jahr 2019 auf 408 im Jahr 2023. Im gleichen Zeitraum fiel die Zahl der Azubis im Beruf Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel von 247 auf nur noch 185.
„Ohne Nachwuchs gibt es keine Zukunft für den Handel. Wenn wir heute keine jungen Menschen mehr gewinnen, fehlen morgen die Fachkräfte – und übermorgen stehen die Ladenflächen leer“, mahnt Wahl. „Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache und sie schreien geradezu nach politischem Handeln“, so Wahl.
„Wir brauchen beispielsweise landesweite Förderprogramme zur Mietkostenreduzierung in Innenstadtlagen, Digitalisierungsgutscheine für Geschäfte, die E-Commerce als zweites Standbein aufbauen wollen und Modellprojekte für lokale Lieferservices, die klimafreundlich und mit regionaler Einbindung organisiert sind“.
Dass die Landesregierung in ihrer Antwort erklärt, man erwarte „keine Sonderfaktoren“ in der Entwicklung des Landkreises, kommentiert Wahl mit scharfer Kritik: „Wenn 13-fach mehr Insolvenzen, ein massiver Jobabbau und ein wegbrechender Nachwuchs keine Sonderfaktoren sind, was dann? Wegducken ist keine Strategie.“