

Kreis Böblingen - Krebs ist nicht gleich Krebs. Deshalb werden im Landkreis Böblingen Anstrengungen unternommen, die seltenen heimischen Steinkrebsvorkommen mit Hilfe von Krebssperren zu sichern. Solch ein Gebilde erregte nun in Rohrau Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Staustufen, wie in Rohrau gemutmaßt wurde, sondern um Krebssperren in Form von sogenannten Abstürzen. Solche Krebssperren sind künstliche Abstürze aus Beton oder Fels, ausgekleidet mit Edelstahl, damit der „kritische“, gebietsfremde Krebs, der gewässeraufwärts wandern will, keinen Halt findet. Da es vorkommen kann, dass eine Krebssperre ihre Funktion zeitweise verliert, zum Beispiel durch Treibgut, sei es ratsam, zwei Sperren nacheinander zu errichten, wie Simone Hotz, Pressesprecherin im Böblinger Landratsamt, erklärt.
Die „kritischen“, invasiven Krebsarten Signalkrebs und Kalikokrebs stammen ursprünglich aus Nordamerika, kommen bereits im Landkreis vor und könnten möglicherweise in den Oberlauf der Würm und in den Krebsbach vordringen. Einmal angekommen, lassen sich solche Krebse aus den heimischen Gewässern praktisch nicht mehr entfernen. Deshalb hat das Landratsamt die Maßnahme in Rohrau vorgezogen, um die dortigen Vorkommen der stark gefährdeten einheimischen Steinkrebse zu schützen. Im Landkreis Böblingen kommt der Kamberkrebs in einigen Stillgewässern in der näheren Umgebung von Böblingen vor, der Signalkrebs in Aich und Murkenbach. Auch im Landkreis Tübingen wurden bereits verschiedene amerikanische Flusskrebsarten gesichtet, zum Beispiel im Neckar (Signalkrebs) und in einzelnen angrenzenden Baggerseen (Kamberkrebs, Marmorkrebs).
Weshalb sollen solche invasiven, also nichtheimischen Krebse von den angestammten Populationen ferngehalten werden? Sie können andere Arten (nicht nur Steinkrebse, sondern auch Amphibien) direkt schädigen, beispielsweise indem sie Amphibienlaich und Kaulquappen fressen. Zum anderen übertragen die invasiven Krebsarten die sogenannte Krebspest, einen Schlauchpilz, der für den Steinkrebs tödlich ist, für sie selber aber nicht. Eine solche Infektion ist nicht behandelbar. Neben solchen gebietsfremden Krebsen und der Krebspest tragen auch verschmutzte Gewässer und zerstörte Lebensräume dazu bei, dass die Bestände heimischer Krebsarten zurückgehen. Insektizide können ebenfalls große Krebssterben verursachen und ganze Bestände auslöschen. Flusskrebse sind sehr empfindlich gegenüber derartigen Stoffen.
Im Landkreis Böblingen existiert nach den vorliegenden Erkenntnissen nur noch der Steinkrebs. Seine Vorkommen sind isoliert und zum Teil auch überhaupt nicht bekannt. Der Landkreis Böblingen hat daher vor zwei Jahren ein Artenschutzkonzept für den Steinkrebs initiiert. Geeignete Gewässer im Landkreis werden sukzessive untersucht – etwa Gewässer im Schönbuch in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Tübingen. Im Oberlauf des Krebsbaches (wie der Name schon verrät) wurde ein kleines Vorkommen an Steinkrebsen vorgefunden. Dieses seltene Vorkommen gilt es nun, durch die Krebssperren zu schützen. Außerdem empfehlen die Behörden dringend, keine fremden Flusskrebse auszusetzen. Selbst bei Gartenteichen sei Vorsicht geboten, denn die Krebse könnten über Land abwandern und so in offene Gewässer gelangen.