

Kreis Böblingen. Die Wiedererrichtung der Bioabfallvergärungsanlage auf der ehemaligen Deponie Leonberg hat mit einem Festakt begonnen. Ein Brand hatte die Anlage im September 2019 aus ungeklärter Ursache vollständig zerstört. Dem Baustart gingen drei Jahren intensiver Vorarbeit voraus samt Abbruch der Brandruine, Klärung von Versicherungsfragen und ein umfangreiches Genehmigungsverfahren.
„Die aktuelle Energiekrise macht schmerzhaft deutlich, wie sehr wir von ausländischem Gas abhängig sind. Wir müssen uns um die eigene Energiesicherheit selber kümmern. Dazu haben wir auf kommunaler Ebene viele Gestaltungsmöglichkeiten. Lokale, regenerative Energiegewinnung bedeutet mehr Sicherheit und mehr Klimaschutz. Mit diesem Projekt werden die Chancen für innovative Technologien bei der Bioabfallvergärung und insbesondere bei der Verwertung des Biogases durch Methanisierung und CO2-Verflüssigung optimal genutzt“, betont Landrat Roland Bernhard bei seiner Rede.
Sein Kollege Heinz Eininger pflichtet ihm bei: „Ich freue mich, dass mit diesem interkommunalen Projekt künftig auch Bioabfälle aus dem Landkreis Esslingen in der Leonberger Vergärungsanlage effizient verwertet werden. Es war richtig, dass wir trotz der Havarie an unseren gemeinsamen Plänen zum Ausbau festgehalten haben und nun die Gelegenheit nutzen, um eine neue, größere Anlage aus einem Guss zu errichten.“
Bereits im Frühjahr 2019 hatte man einen Kapazitätsausbau der Vergärungsanlage beschlossen. Die beiden Landräte dankten dem Aufsichtsrat der gemeinsamen Gesellschaft Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL), der in den vergangenen Monaten die wichtigen Vergabeentscheidungen für das Projekt getroffen hatte. Die Landkreise Böblingen und Esslingen kooperieren seit 2005 bei der Verwertung von Bioabfällen, um daraus am Standort Leonberg Energie durch Vergärung zu gewinnen und danach aus den Gärresten am Standort Kirchheim unter Teck Kompost herzustellen.
Die neue Vergärungsanlage am Standort der ehemaligen Erd- und Bauschuttdeponie an der Autobahn A8 auf Gemarkung Leonberg wird für eine Gesamtkapazität von 72.000 Tonnen aus beiden Kreisen, davon 60.000 Tonnen Bioabfälle und 12.000 Tonnen Grünabfälle gebaut und wird damit die größte kommunale Anlage ihrer Art in Baden-Württemberg. Die gesamten Kosten für den Bau der Halle und der Anlagentechnik für Vergärung, Methanisierung und CO2-Verflüssigung einschließlich neues Betriebsgebäude und sonstigen Gewerken belaufen sich voraussichtlich auf rund 44 Millionen Euro. Die Anlage soll im Herbst 2024 fertiggestellt werden.
Der Anlagenteil für die Methaniserung wird nicht bei der Vergärungsanlage, sondern bei der ehemaligen Kreismülldeponie Sindelfingen errichtet. Das Biorohgas wird dazu per Leitung transportiert. Der Vorteil: So kann das Methangas direkt in das Fernwärmenetz der Stadtwerke eingespeist werden. „Der Standort Sindelfingen wird damit zu einer Energie-Drehscheibe mit vielfältiger Biomethannutzung und Erzeugung weiterer regenerativer Energien entwickelt“, ist der Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen, Dr. Karl Peter Hoffmann, überzeugt. Dieses interkommunale Projekt der beiden Landkreise zusammen mit Stadtwerken leistet einen bedeutenden Beitrag für den Klimaschutz, indem jährlich etwa 12.300 Tonnen Treibhausgase eingespart werden.
Gleichzeitig mit dem Baustart für die Vergärungsanlage wurde auch der vorgezogene Neubau des Betriebsgebäudes für den Bedarf von 20 Mitarbeitern eingeweiht. BVL-Geschäftsführer Wolfgang Bagin freut sich: „Auch beim Verwaltungstrakt erfüllen wir unsere Vorstellungen einer klimafreundlichen Bauweise. Das Gebäude erfüllt den Energieeffizienzstandard KfW 40 und die Dachflächen bestücken wir vollständig mit PV-Modulen für die Eigenstromnutzung.“ Die Landräte und der Geschäftsführer dankten allen beteiligten Firmen für die die geleistete Arbeit am Verwaltungsgebäude. Für den großen Anlagenbau erhofft man sich viel Erfolg und eine pünktliche Fertigstellung bis zum Herbst 2024.