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4225 Kilometer und 31000 Höhenmeter

Marco Lang fährt mit dem Rad von Rovereto bis an Nordkap

Der Maichinger kommt beim Ultracycling-Event Northcape 4000 von Rovereto nach Nordnorwegen als starker 31. ins Ziel
Von Steffen Müller
Geschafft: der Maichinger Marco Lang ist am Nordkap angekommen.

Geschafft: der Maichinger Marco Lang ist am Nordkap angekommen.

Bild: z

Ausdauersport. „In Lappland ist es am härtesten. Gegenwind und eine kerzengerade, hügelige Straße, links und rechts Wald, vor mir der Horizont. Sonst nichts – über 1800 Kilometer“, sagt Marco Lang und nimmt im Sindelfinger Wiesengarten genüsslich einen großen Schluck von seinem Weizenbier. 4225 Kilometer mit knapp 31 000 Höhenmetern auf dem Rad von Italien nach Nordnorwegen – ohne Elektromotor, ohne Unterstützung durch Dritte. Das sind die Rahmendaten des Ultracycling-Events Northcape 4000. Nur etwas für Verrückte? Keineswegs, wenn es nach Marco Lang geht. Der Maichinger stellt sich der Herausforderung und meistert sie in beeindruckender Manier. Er kommt nach 15 Tagen, einer Stunde und 51 Minuten auf Platz 31 von rund 350 Teilnehmern ins Ziel. „Für Außenstehende klingt das zunächst mal unvorstellbar“, sagt der Maichinger. Für ihn ist es eine Leidenschaft.

Das Northcape 4000 führt 2024 von Rovereto im Trentino bis ans Nordkap, die Route ist dabei exakt als GPS-Track vorgegeben. Unterstützung von außen ist bei Self-Supported-Rennen wie dem Northcape 4000 nicht erlaubt. Man darf sich also nicht aus einem Begleitfahrzeug oder von Freunden oder der Familie entlang der Strecke verpflegen oder sonst irgendwie helfen lassen. Übernachtungen im Hotel oder Restaurantbesuche – wenn man die Zeit investieren will – sind erlaubt. Auch können Teilnehmer bestimmte Abschnitte gemeinsam fahren – zum Beispiel, um sich gegenseitig Windschatten zu geben.

Trotz einiger Vorteile: Marco Lang ist am liebsten allein unterwegs: „Das hat mehrere Gründe. Einerseits muss ich mein eigenes Tempo fahren, um gut voranzukommen, was zu zweit oder in einer Gruppe praktisch unmöglich ist. Andererseits möchte ich nicht hören, was bei anderen alles schiefläuft oder wie schlecht sie sich fühlen. Das wirkt bei mir eher demotivierend“, sagt der ehemalige Maichinger Kicker, der ansonsten durchaus gesellig und kommunikativ ist: „Es ist super, sich nach dem Rennen ausführlich zu unterhalten und ein Bier zusammen zu trinken. Da sind schon tolle Bekanntschaften entstanden. Während des Events halte ich aber lieber Kontakt mit Familie und Freunden, die meine Position dank des GPS-Trackings über die gesamte Zeit verfolgen können.“

Der 53-Jährige bereitet sich akribisch auf seine Rennen vor – konditionell und vor allem in Bezug auf Rad und Ausrüstung. „Ich fahre mit einem Gravelbike und 30 Millimeter breiten Straßenreifen“, sagt Lang, dessen komplettes Setup inklusive Bike und Gepäck gerade einmal 15 Kilogramm auf die Waage bringt – weniger als so manches Mountainbike ohne Gepäck: „Man kann sich hier sehr einschränken und wenn man wie ich in Hotels übernachtet, braucht man kein Zelt. Außerdem kann man die Klamotten immer waschen und trocknen und kann so auf Ersatzkleidung verzichten.“

Am Morgen des 20. Juli stehen um 8 Uhr 350 Starterinnen und Starter in Rovereto am Anfang ihrer Odyssee ans Kap. Marco Lang hat einen klaren Plan: bis zur dänischen Grenze hat er sich 270 Kilometer vorgenommen – pro Tag. Sein Ziel: am Ende in der vorderen Hälfte des Feldes zu landen. Es geht gut los. Er kommt geschmeidig über den Brenner, ist begeistert von der Landschaft und den freundlichen Menschen in der Oberpfalz, dafür läuft es ganz in Deutschlands Nordosten nicht ganz so rund. In Mecklenburg-Vorpommern verleiden lange Pflasterstein-Passagen und weitere Unwägbarkeiten den ganz großen Spaß: „Solche Phasen gehören einfach dazu. Da muss man sich durchbeißen und danach läuft es wieder“, sagt Marco Lang.

So wie in Dänemark und Schweden. „Traumhafte Natur, unheimlich nette Leute und gute Straßen. Einfach perfekt“, sagt der Maichinger. Dann geht es nach Lappland und 1 800 Kilometer lang über jene kerzengerade, eintönige Strecke. „Das ist hart, sich hier zu motivieren. Man kann nichts abhaken, keinen Berg, keine Stadt, keine Kurve. Der Gegenwind bläst einem unablässig ins Gesicht und die Landschaft ändert sich einfach nicht. Vor dir nur die Straße, der Horizont und links und rechts der Wald.“ Hier helfen die Gedanken an das Ziel am Nordkap und die Kommunikation mit seiner Frau in Maichingen. Die hat zum Glück Verständnis für die ungewöhnliche Leidenschaft: „Wir sind viel gemeinsam mit dem Rad unterwegs – in Frankreich, in den Benelux-Staaten“, sagt Lang.

Was die Leistungskontrolle betrifft, verzichtet Marco Lang auf Pulsmesser und Co.: „Mein Körper meldet sich, wenn ich zu schnell unterwegs bin. Das habe ich gut im Griff. Mir fällt es oft nicht leicht, aber es macht mir trotzdem Spaß. Ich bin ein Endorphin-Junkie, brauche die Bewegung und habe den Vorteil, gut zu regenerieren. Bei solchen Langdistanzen ist es vor allem wichtig, dass der Körper auf die Fettspeicher und nicht auf die kurzfristigen Kohlenhydrat-Reserven zurückgreift. Die Carbo-Loading-Orgie geht mal drei, vier Tage gut – aber nicht auf Dauer, bei so einem Rennen.“

Der Erfolg gibt ihm recht. Marco Lang ist weit besser unterwegs als geplant, leistet sich kurz vor Schluss sogar noch einen kurzen Stopp, um einerseits nicht zur Hauptverkehrszeit durch den berühmt-berüchtigten Tunnel vor dem Nordkap zu müssen und andererseits, um zu einer Zeit anzukommen, an der auch das Organisationsteam und die Foto-Crew zum Empfang vor Ort sind. Mit dabei auch diesmal: seine Ehefrau. „Sie erlebt per Videotelefonie die letzten Meter mit mir. Das ist für uns beide sehr emotional und der würdige Höhepunkt des Rennens. Dass ich außerdem noch so weit vorne ins Ziel komme, ist das Tüpfelchen auf dem i.“

Nach genau 361 Stunden und 51 Minuten endet eine epische Radreise von Italien bis ans Nordmeer, von der Marco Lang noch lange zehren kann. Er ist am Morgen des 4. August am Ziel – sechs Tage vor der offiziellen Deadline.

Und das nächste Projekt? „Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Das ‚Three Peaks‘ habe ich schon gemacht. Eigentlich wäre das ‚Transcontinental Race‘ noch eine Herausforderung – ich fürchte aber, dass mir das etwas zu verbissen ist. Mal schauen, was es wird“, sagt Marco Lang. Soviel ist sicher: Mit einer gemütlichen Tagestour wird er sich auch 2025 nicht zufriedengeben.