Nur ein Drittel sucht duale Ausbildung
Trotz der lockenden Strahlen der Frühlingssonne, Gänge und Aula der Realschule am Klostergarten sind teils gedruckt voll. Auch wenn der Samstag traditionell schulfrei sein sollte, für alle Sindelfinger Realschüler der neunten Klasse ist der Besuch der Messe Pflicht, erklärt Farina Eden, die gemeinsam mit ihrem Lehrerkollegen Bernhard Doll von der Klostergarten-Realschule hier erstmals die Berufsinformations-Messe organisiert hat. Für Realschüler der 8. Klassen ist die Teilnahme dagegen freiwillig.
Dieses Jahr erlebt die Messe zwar bereits ihre 17. Auflage, am Klostergarten aber auch eine Premiere: Die Realschule am Klostergarten hat erst seit 2015 hier ihr Domizil und ist somit erstmals Gastgeber, nachdem die vier Jahre zuvor die Realschulen Hinterweil und Goldberg die Messe für je zwei Jahre beherbergten.
Eigentlich aber kommt die Veranstaltung mit der Klostergarten-Premiere wieder nach Hause. Hans Grau, Rektor der Realschule am Klostergarten, ist vor drei Jahren mit Schülern und Kollegium vom Eschenried an den Klostergarten umgezogen. Und ihre Wurzeln hat die Messe im Eschenried. „Mitte der 1990er Jahre haben wir angefangen mit Eltern, die an unserer Schule den Schülern ihre Berufe vorgestellt haben“, erzählt Hans Grau von den winzigen Anfängen der Berufsinformations-Messe.
2002 wurde die Messe erstmals stadtübergreifend organisiert. Als Unternehmen der ersten Stunde waren unter anderem Daimler, Volksbank und Kreissparkasse mit von der Partie. Mittlerweile geben sich auf der Messe regelmäßig ein halbes Hundert Betriebe, Behörden und Schulen ein Stelldichein. „Es geht darum, dass man interessierte Schüler gewinnt“, sagt Gerhard Strommer. Die Schüler wiederum könnten Kontakte knüpfen. „Es ist für alle eine Win-win-Situation“, so der Ausbildungsreferent der Kreissparkasse.
Ist für viele Unternehmen und Einrichtungen heuer die Messe längst Pflichttermin, so gibt es dennoch Erstteilnehmer wie die Sindelfinger Stadtwerke. Die haben zwar bereits drei ihrer vier künftigen Azubis am Haken. Aber noch fehlt jemand, der Anlagenmechaniker werden will. „90 Prozent der Bewerber bewerben sich bei zehn Prozent der Unternehmen. Wir gehören nicht dazu“, erklärt Stadtwerke-Prokurist Jochen Behmenburg, warum der Energie- und Wasserversorger sich nun auf der Messe zeigt.
Allerdings hat manch Nachwuchssuche auch einen ganz anderen Grund: Viele Realschüler machen nicht das, was Hans Grau allen dringendst empfiehlt, eine duale Ausbildung. Dies sei nur ein Drittel, überschlägt der Rektor. Ein anderes Drittel gehe ans Berufskolleg, der Rest strebe über einen höheren Schulabschluss direkt ins Studium.
Dabei offenbaren sich hier genügend Berufsfelder, in denen akademische Weihen überflüssig sind. Etwa zahnmedizinische(r) Fachangestellte(r), den Manuela Sigle und Anja Dietl vom Informationszentrum Zahngesundheit vorstellen. Noten sind nicht entscheidend. Neben unbedingt notwendigen motorischen Fähigkeiten zählten in erster Linie Persönlichkeit und Auftreten, erklärt Anja Dietl. Das kommt Jasmin Köhler zupass. Die Neuntklässlerin gesteht Unsicherheit wegen der Mittleren Reife, die Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten ist auch mit Hauptschulabschluss möglich.
Wie die Stadtwerke, zeigt auch die Bundespolizei erstmals Flagge. Melanie Anwander, Einstellungsberaterin der Bundespolizei macht klare Ansagen: Bewerber für den mittleren oder gehobenen Vollzugsdienst müssen sich einem mehrtägigen Testverfahren unterziehen, bei dem neben Diktatschreiben unter anderem auch sportliche Mindestanforderungen zu erfüllen sind. Unter 5 Liegestütz für junge Damen und 21 bei Herren bis 18 Jahren läuft nichts. Neben Sportlichkeit, Teamfähigkeit und sozialer Kompetenz prüft die Polizei auch die Werteeinstellung. „Wir verlangen Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“, so Anwander.
Anja Dietl (rechts) und Manuela Sigle informieren Schülerinnen auf der 17. Berufsinformations-Messe über die Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten. Bild: Heiden