Schill und Seilacher: 100 Arbeitsplätze sollen wegfallen
Böblingen. „Der Abbau von über 100 Stellen ist zeitnah geplant. Es wurde von einem Zeitraum von 6 Monaten seitens der Geschäftsleitung gesprochen. Es soll alle Bereiche des Unternehmens betreffen“, verdeutlicht Florian Böttinger, stellvertretender Betriebsrats-Vorsitzender am Böblinger Hauptsitz von Schill und Seilacher. Andreas Klose, Leiter Bezirk Stuttgart bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ergänzt: „Die Vorstellungen der Geschäftsleitung beinhalten möglichst viele Tariföffnungen. Arbeitszeiten, tarifliche Zahlungen, wie beispielsweise das Weihnachtsgeld, aussetzen und verschieben von Abschlüssen. Dies soll aber on Top, zur geplanten Vernichtung von Arbeitsplätzen erfolgen. Nicht mit uns. Tariföffnungen sollen helfen Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.“
Das plant der Betriebsrat
Und wie geht es nun weiter? Man müsse sich aktuell selbst vollständige Informationen über die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens beschaffen, dabei hat sich der Betriebsrat externe Berater und die Gewerkschaft IG BCE zur Hilfe geholt. „Wir werden, wenn es notwendig ist, alle Register ziehen. Zunächst ist erstmal Transparenz seitens der Unternehmensleitung gefragt. Wir haben viele Fragen, auch in Bezug auf Geldabflüsse aus dem Unternehmen. Natürlich werden wir eigene Vorschläge und Konzepte erarbeiten“, so Andreas Klose. In Böblingen sind aktuell bei der Schill und Seilacher GmbH 420 Mitarbeitende beschäftigt. Durch die geplanten Entlassungen sei der übrig bleibende Betrieb nicht mehr leistungsfähig, heißt es seitens des Betriebsrates. „Sollte ein Viertel der Belegschaft über alle Bereiche abgebaut werden, ist ein Regelbetrieb nicht mehr möglich. Da unser Unternehmen der Störfall-Verordnung unterliegt und die Anlagen eine permanente Überwachung benötigen, stellen wir es in Frage, ob dies gewährleistet ist“, sagt Florian Böttinger. Andreas Klose äußert deutliche Kritik: „Alleine die vorgelegte Planung zeigt uns, wie wenig Gedanken man sich gemacht hat, einen funktionierenden und wettbewerbsfähigen Betrieb erhalten zu wollen. Hier waren wohl meiner Meinung nach keine Profis am Werk. In Zeiten von Fachkräftemangel, gute und erfahrene Mitarbeiter entlassen zu wollen, spricht nicht gerade für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.“ Florian Böttinger ist enttäuscht: „Für die weltpolitische Lage der letzten beiden Jahre konnte die Geschäftsleitung nichts. Einsparungen durch Entlassungen als einziges Mittel zu sehen, ist beim derzeitigen Fachkräftemangel nicht zukunftsorientiert. Da uns in den letzten Jahren seitens des Eigentümers, der Ingeborg-Gross-Stiftung, ein sehr hoher zweistelliger Millionenbetrag entzogen wurde, fehlen uns diese Geldmittel, um die aktuelle Situation überbrücken zu können.“ Und auch der Gewerkschafter Andreas Klose redet nicht lange um den heißen Brei herum: „Die Stiftung hat laut Testament einen Hauptzweck: Die Erhaltung der Betriebe und ihrer Arbeitsplätze. Dies verlangen wir einzuhalten und nicht Gelder abzuziehen um Dividendenerwartungen oder sonstige, unproduktive Stiftungsspezialitäten zu finanzieren. Dies war nie im Interesse der Ingeborg Gross.“ Betriebsrat und IG BCE haben noch einige Fragen an die Geschäftsführung: „Warum unterstützt uns der Eigentümer in dieser Situation nicht? Wie soll der Betrieb zukunftsfähig sein? Wie wird auf die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel reagiert“, sagt Florian Böttinger. Andreas Klose ergänzt: „Natürlich auch viele Fragen rund um die Finanzen. Das Thema Zukunftsstrategie ist nicht im Ansatz zufriedenstellend beantwortet. Natürlich müssen die Herren uns erklären, wie denn der Betrieb, nach Verbrennen der Arbeitsplätze, zukünftig blühen soll?“
Das sagt die Geschäftsleitung
„Wir werden das erste Mal in unserer Geschichte in größerem Umfang betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen“, so CEO Dr. Rüdiger Ackermann. In einer außerordentlichen Betriebsversammlung erläuterte Geschäftsführer Dr. Jürgen Heck heute, auf Einladung des Betriebsrates, die Gründe dafür. Er appellierte an ein gemeinsames Vorgehen von Belegschaft und Unternehmensführung: „Wir wollen auch in 2030, dass es in Böblingen Schill und Seilacher gibt, dass es ein Unternehmen ist, das wieder erfolgreich ist und noch eine lange Zukunft hat.“ Mit dem Betriebsrat, der von der IG BCE unterstützt wird, bespricht die Unternehmensleitung jetzt, wie genau vorgegangen wird. Dr. Jürgen Heck verdeutlicht: „Für uns ist wichtig, dass klar wird, dass wir nicht um notwendige Einsparungen herumkommen“. Die Produktion und die Verkäufe wären in den vergangenen Jahren insbesondere im dominierenden Asien-Geschäft eingebrochen. „Die Situation ist ernst“, so Dr. Jürgen Heck Heck weiter. „Das Unternehmen muss im zweistelligen Millionenbereich Einsparungen vornehmen.“ Nur so könne es zukunftssicher aufgestellt werden. So wurden bisher durch Anpassungen und Optimierungen mehrere Millionen Euro eingespart. Offen bleiben laut Unternehmensführung 7,5 Millionen Euro im Personalbereich. Die Zahl der Beschäftigten müsse daher um bis zu 100 Beschäftigte reduziert werden. Dabei sollen Stellen von Kollegen, die aus Altersgründen ausscheiden, nicht wieder besetzt werden und genauso die „'normale Fluktuation' genutzt werden. Das wird leider nicht reichen. Das ist leider klar. Aber: Wir waren immer ein fairer Arbeitgeber, und das werden wir auch jetzt beweisen“, so Heck. „Gemeinsam mit dem Betriebsrat werden wir sinnvolle und gute Lösungen für die Mitarbeitenden finden, die gehen müssen.“ Dr. Jürgen Heck ist optimistisch, „dass in den nächsten Wochen und Monaten sachgerechte Lösungen gefunden werden. Wir sind alle gefordert, und wir werden alle unseren Teil dazu beitragen, damit Schill und Seilacher auch im nächsten Jahrzehnt weiterhin erfolgreich am Markt ist.“