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Das alles wegen 20 Euro Beute

Schönaich: 78-Jähriger überfällt Geschäft und droht mit Schusswaffe

Was um alles in der Welt hat einen 78-Jährigen aus Altdorf dazu bewogen, am 1. August des vergangenen Jahres ein Geschäft in Schönaich zu überfallen?
Von Thomas Oberdorfer
Der 78-Jährige aus Altdorf bedrohte die 80-Jährige in dem Schönaicher Geschäft mit einer Postole. Bild: pio3/Adobe Stock

Der 78-Jährige aus Altdorf bedrohte die 80-Jährige in dem Schönaicher Geschäft mit einer Postole. Bild: pio3/Adobe Stock

Böblingen. Diese Frage stand zu Beginn der Verhandlung gegen den Rentner vor dem Amtsgericht Böblingen im Raum, diese Frage blieb auch nach Ende der Beweisaufnahme unbeantwortet. „Das war unüberlegt und ein Blödsinn“, sagte der Angeklagte, der sich wegen schwerer räuberischer Erpressung und des unerlaubten Führens einer Schusswaffe verantworten musste. Weitere Angaben zu seiner Motivation machte er nicht.

Wer den Angeklagten in der Verhandlung gesehen hat, konnte sich nicht vorstellen, dass dieser vor gut acht Monaten ein Verbrechen begangen hat, dass mit einer Mindeststrafe von drei Jahren Haft sanktioniert wird. So steht es im Strafgesetzbuch. Dort ist aber auch ein minder schwerer Fall verankert, die Mindeststrafe beginnt dann bei einem Jahr Haft. Und eben von einem minder schweren Fall sind alle Prozessbeteiligte ausgegangen. Das lag unter anderen an der extrem geringen Beute von nur 20 Euro, das lag an der eher unprofessionellen Ausführung.

Richter Werner Kömpf wie auch der Staatsanwalt sprachen von einem „skurrilen Fall“. Am 1. August machte sich der Angeklagte mit einem Mercedes auf den Weg nach Schönaich, er hatte dessen Nummernschilder durch Karlsruher Kennzeichen getauscht, gänzlich unvorbereitet ging der 78-Jährige also nicht ans Werk. Er betrat gegen 11.35 Uhr den Laden, er führte einen ungeladenen Schreckschussrevolver bei sich und hielt diesen einer 80 Jahre alten Mitarbeitern des Geschäfts an den Kopf.

„Was machen Sie eigentlich mit mir, wir sind im selber Alter“, sagte die 80-Jährige in dieser Situation zu dem Angeklagten. „Mir hat das Herz bis zum Hals geklopft. Ich bin erstaunt, wie ruhig ich geblieben bin. Als ob neben mir ein Film abgelaufen wäre“, so die Zeugin. Es war aber kein Film, es war Realität. Und in dieser Realität muss sich die 80-Jährige nach der Tat zurecht finden, die bei der rüstigen Frau Spuren hinterlassen hat. „Jedes Mal, wenn ich im Haus bin, achte ich auf Geräusche. Ich gehe nicht mehr oft in den Laden“, sagte sie. „Die Geschädigte hat das nicht einfach weggesteckt, sie leidet darunter“, betonte Werner Kömpf im Rahmen seiner Urteilsbegründung.

Die Geschädigte sagte dem 78-Jährigen, sie habe bisher nur 20 Euro eingenommen, diese 20 Euro warf sie in dessen Stofftasche. Damit verließ er den Laden, eine sofortige Fahndung hatte zunächst keinen Erfolg. Von der Tat gibt es allerdings sehr gute Aufnahmen, in dem Geschäft befinden sich zwei Kameras. „Wir haben den Täter durch eine Öffentlichkeitsfahndung identifiziert“, sagte der Polizeibeamte, der als Sachbearbeiter mit dem Fall betraut war. Bei der Durchsuchung des Hauses des Angeklagten entdeckten die Beamten unter anderem die Waffe und die Kleidung, die der Rentner bei der Tat trug.

Der Angeklagte ist gesundheitlich erheblich angeschlagen, seine Krankenakte sei dicker als die Prozessakten, sagte der Richter. Kaum vorstellbar, dass der 78-Jährige vor ein paar Monaten noch mit dem Auto fuhr, er hat inzwischen massive Probleme, zu laufen, auf einem Auge sieht er nichts mehr, er nimmt zahlreiche Medikamente. Und dennoch, zum Zeitpunkt der Tat gab es keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei ihm eine verminderte Schuldfähigkeit oder gar eine Schuldunfähigkeit anzunehmen sei.

Vor der nun verhandelten Tat gab es einen ähnlich gelagerten Vorfall. Der 78-Jährige hatte bereits am 22. Juli des vergangenen Jahres den Laden betreten, seinerzeit hatte er in seinem Stoffbeutel ein Messer dabei. „Ich habe ihn damals so verstanden, dass er Gold verkaufen wollte und habe ihm gesagt, dass dafür meine Tochter zuständig sei“, sagte die 80-Jährige, die an jenem Tag ebenfalls in dem Laden war. „Er hat mir das Messer gezeigt.“ Diesen Sachverhalt habe sie ebenfalls zur Anzeige gebracht. Passiert ist daraufhin letztlich nichts, obwohl es auch davon Videoaufnahmen gab. „Die Polizei hat vielleicht damals die falschen Schlüsse gezogen. Sie hätte vielleicht die Videos anschauen sollen, dann hätte es womöglich die zweite Tat nicht gegeben“, sagte der Richter. Für die Tat vom 1. August wurde der 78-Jährige zu der Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, als Auflage muss er 500 Euro bezahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.