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Erste Predigt in der Dreifaltigkeitskirche

Sindelfingen: Der deutsche Winter liegt Grace Divin Ngoma nicht

Der katholische Seelsorger aus dem Kongo hat sich bewusst für Deutschland entschieden.
Von Renate Lück
Crace Divin Ngoma bei seiner Predigt in der Sindelfinger Dreifaltigkeitskirche. Bild: Lück

Crace Divin Ngoma bei seiner Predigt in der Sindelfinger Dreifaltigkeitskirche. Bild: Lück

Sindelfingen. „Bei uns ist es warm: 30 bis 38 Grad. Ich komme mit dem Winter nicht so gut zurecht“, sagt Grace Divin Ngoma nach dem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche den Gästen, denen er sich im Gemeindehaus vorstellt.

Es sind auch Gemeindeglieder aus der Viehweide und aus Darmsheim gekommen und Kirchengemeinderätin Andrea Lipowsky-Müller lädt ihn nach St. Joseph ein und Norbert Brüderl zur nächsten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK).

Der neue katholische Seelsorger stammt aus der kleinen Republik Kongo. „Die Menschen sind arm, obwohl wir viele Bodenschätze haben. Die Meinungsfreiheit existiert fast nicht. Wir brauchten eine effiziente Bürokratie.“ Die Amtssprache ist Französisch, weshalb Pfarrer Grace (Gnade) manchmal Probleme mit dem h hat. Seine Muttersprache ist Kikongo. Von den fünf Geschwistern ist er der einzige Priester. Seine Brüder wurden Röntgenarzt, Architekt und Chemiker für Petrochemie.

Die Inspiration, Theologe zu werden, hat der 36-Jährige von seiner Mutter. „Sie ist eine sehr gläubige Frau, die die Bibel liest und mit uns gebetet hat“, erzählt er. Er wurde Ministrant, genoss die Gemeinschaft mit anderen Kindern in den Gruppenstunden und die Gestaltung des Gottesdienstes.

Als er größer wurde, wollte er Antworten auf existenzielle Fragen, etwa nach dem Sinn des Lebens und warum man an Gott glauben sollte, wenn er doch Kriege und Naturkatastrophen zulässt. „Die persönliche Beziehung zu Gott war mir wichtig“, sagt er. Im Priesterseminar in Kinshasa in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo südlich des Flusses studierte er drei Jahre Philosophie, las Kant, Heidegger, Hegel, Sokrates, Marx und Schopenhauer. „Das ist wichtig“, findet er. In den vier folgenden Jahren lernte er auch Karl Rahner und Rudolf Bultmann als Grundlagen der Theologie kennen. Da kam ihm auch ein Artikel von Walter Kaspar über Fundamentaltheologie unter. Um als Priester geweiht zu werden, musste er zurück in die Erzdiözese Brazzaville, wo er anschließend fünf Jahre arbeitete.

Als er den Wunsch äußerte, nach Deutschland zu gehen, fragte ihn sein Bischof verwundert: „Warum? Du kannst Französisch, warum willst du nicht nach Frankreich oder ein Land, in dem Französisch gesprochen wird?“ Grace Divin Ngoma wollte neue Erfahrungen sammeln und muss den Bischof überzeugt haben, denn im Februar 2021 landete er in Rottenburg. Dort durchlief er einen Einführungskurs für Priester aus dem Ausland, der die Brücke schlug zwischen den Kulturen der Heimatländer und Deutschland.

Und er lernte so intensiv Deutsch, dass er es fließend spricht. Nun will er die Philosophen und andere Literatur auf Deutsch lesen. Seine erste Arbeitsstelle war Bad Boll. Die katholische Gemeinde dort ist nicht sehr groß, aber die Zusammenarbeit mit der evangelischen Akademie und der Herrnhuter Brüdergemeinde bei gemeinsamen Gottesdiensten, Friedensgebeten und einem ökumenischen Frauenfrühstück sehr gut.

Zukunft der katholischen Gemeinden

Diese Erfahrungen kann der neue Pfarrer nun in Sindelfingen einbringen. Die ACK (die katholische, evangelische, baptistische, methodistische und neuapostolische Gemeinde) plant für 2025 schon vier ökumenische Friedensgebete für die jeweiligen Stadtfeste. Und alle vier katholischen Gemeinden stimmten zu, aus den zwei Seelsorgeeinheiten 9 und 10 eine gemeinsame Kooperationsgemeinschaft zu bilden mit dem Pastoralteam der beiden Vertretungspriester Kishore Basani und Grace Divin Ngoma, der Pfarrbeauftragten Christiane Breuer, der Familienreferentin Cornelia Radi und der Ehrenamtskoordinatorin Helga Jakubowski. „Die Diözese in Rottenburg hat das genehmigt“, sagt Andrea Lipowsky-Müller. Nun hoffen sie noch auf einen leitenden Pfarrer. Die Ausschreibung läuft.