Sindelfingen: Makabres "Heldengedenken" in Kriegszeiten
Sindelfingen. Das Stadtmuseum befasst sich von September 2019 bis Mai 2025 unter dem Titel „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs und wie sich damals die Situation für die Menschen vor Ort darstellte. Dazu wird monatlich ein Objekt oder Thema in den Mittelpunkt gestellt, das vor 80 Jahren relevant war und auf das analog im Stadtmuseum Bezug genommen wird. Das aktuelle Thema lautet: „Ewig bleibt der Toten Kämpferruhm“
So entsteht eine Reihe mit 69 Beiträgen, die monatliche Blitzlichter auf die Zeit von September 1939 bis Mai 1945 wirft und das damalige Geschehen auf lokaler Ebene lebendig werden lässt. Die Objektauswahl erfolgt anhand der Sammlungsbestände von Archiv und Museum. Darüber hinaus werden auch Erinnerungsorte einbezogen und, begleitend zum Projekt, Gespräche mit Zeitzeugen geführt und aufgezeichnet. Die zugehörige Vitrine im Sindelfinger Stadtmuseum ist seit dem 25. März dem Publikum zugänglich. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen.
Gesamtdeutscher Gedenktag
Am 15. März 1942 wurde im gesamten Deutschen Reich der „Heldengedenktag“ begangen – so auch in Sindelfingen. „Die Festhalle war würdig geschmückt. Von zwei Pylonen am Saaleingang flammten die Opferfeuer. Im Inneren der Festhalle zog ein von einem Lorbeerkranz umgebenes Eisernes Kreuz die Blicke auf sich, das über den eichenen Namenstafeln der Gefallenen der Stadt Sindelfingen stand. Eine Eichentafel in der Mitte verkündete mit dem Spruch aus der „Edda“: Besitz stirbt, Sippen sterben, du selbst stirbst wie sie - Aber ewig bleibet der Toten Kämpferruhm…Dumpfer Trommelwirbel begleitete den Fahneneinmarsch…“ (aus der NS-Kreiszeitung vom 17. März 1942)
Die Einführung des „Heldengedenktags“ geht auf eine Umbenennung des Volkstrauertags zurück. Dieser wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) ins Leben gerufen und seit 1926 am 5. Sonntag vor Ostern abgehalten. Die Nationalsozialisten erließen bereits 1934 ein „Feiertagsgesetz“ und benannten den Volkstrauertag in „Heldengedenktag“ um. Für die Gestaltung und Organisation war ab jetzt das Propaganda- und Innenministerium zuständig. Der Feiertag war von großer Bedeutung im nationalsozialistischen Festtagskalender und war häufig mit weiteren Ereignissen verbunden. So wurde 1935 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht auf diesen Tag gelegt und 1936 erfolgte die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlands und damit der Bruch des Versailler Vertrags am Vorabend des Feiertags.
Im Radio spricht Adolf Hitler
In Sindelfingen fand die „Heldengedenkfeier“ am 15. März 1942 um 15 Uhr statt. Vor dem Saal wurden Pylonen mit Feuern aus Wachsfackeln und Spiritus entzündet. Im Saal befanden sich auf der Bühne 48 Holztafeln mit den Namen der Gefallenen und Vermissten. Die Anfertigung der Tafeln übernahm Schreiner Nißler. Mit der Ausfertigung wurde der Bildhauer Robert Schäfer vom Stadtbaumeister beauftragt. Er musste dafür Sorge tragen, dass alle Namen rechtzeitig zur Feier an die Handwerker weitergegeben wurden. Der letzte Auftrag erging am 12. März. Es handelte sich dabei um die Tafel für Wilhelm Wolf, der in Russland gefallen war. Für die Gestaltung der Tafeln, sowie für die Feier erhielten die Gemeinden genaue Vorgaben.
Im Sindelfinger Stadtarchiv befinden sich Pläne und Fotos der Feier 1942. Für die Dekoration wurden 58 m Lorbeer-Girlanden in Gold verwendet. Die Anwesenheit bei der Feier war für die NS-Gruppierungen, wie etwa die Frauenschaft, verpflichtend.
Die Feiern in den Städten und Gemeinden wurden bewusst auf 15 Uhr gelegt, da bereits um 12 Uhr in Berlin die zentrale Veranstaltung mit Adolf Hitler stattfand. Diese wurde im Radio übertragen und zählte zum Pflichtprogramm. Der Ablauf war landesweit sehr ähnlich. Zur Eröffnung wurde ein dramatisches Musikstück, meist von Streichern, vorgetragen. In Sindelfingen folgten dann die Männerchöre des Liederkranz und des VfL.
Namen der Gefallenen verlesen
Anschließend wurden Teile der Rede von Adolf Hitler wiederholt, weitere Musikstücke und Reden von Ortsgruppenleitern und Ortsgruppenführen folgten. Während das Lied „vom guten Kameraden“ leise erklang wurden die Namen der Gefallenen und Vermissten verlesen. Nach dem Gelöbnis, sich für den Sieg einzusetzen, wurden die „Nationallieder“ gesungen und mit dem Fahnenausmarsch endete die Veranstaltung im Saal. Am Kriegerdenkmal legte die Ortsgruppe einen Kranz nieder.
Im März 1942 war auch in Sindelfingen ersichtlich, dass im weiteren Kriegsverlauf mit immer mehr Opfern zu rechnen ist. Daher erteilte Bürgermeister Pfitzer dem Stadtbauamt die Aufgabe, auf dem Friedhof das „Ehrenfeld…für die Beerdigung von Kriegsteilnehmern … raschestens“ zu erweitern. „Wenn in der nächsten Zeit Kriegsopfer beerdigt werden sollen, kommen wir geradezu in Verlegenheit.“
*Illja Widmann ist Leiterin des Sindelfinger Stadtmuseums

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