

Kreis Böblingen/Bebenhausen. Waldarbeiter, Wanderer, Jogger und Radfahrer sollten im Schönbuch von den Brunnen kein Wasser trinken. Dass eine Familie in einer Schönbuch-Randgemeinde schwer krank wurde, die sich etwas Gutes tun wollte und sich deshalb nicht mit Trinkwasser aus der Leitung versorgte, sondern aus einem Brunnen im Schönbuch, war kein Zufall. „Die Wässer aller Brunnen waren mikrobiologisch zu beanstanden und entsprachen nicht der Trinkwasserverordnung“, berichtete Prof. Dr. Walter Jäger über seine Untersuchungen.
Der Wasserchemiker hat 37 Brunnen im Schönbuch untersucht, weil er eigentlich aufzeigen wollte, wie gesund das Wasser im Naturpark ist. Die Ergebnisse, die er in seinem jetzt erschienenen Buch „Brunnen im Naturpark Schönbuch“ dokumentiert hat, haben ihn allerdings erschüttert.
„Ich war monatelang enttäuscht, verärgert und verunsichert“, gestand er bei der Buchpräsentation im Grünen Saal des Klosters Bebenhausen im Beisein von Peter Hauk (CDU/Landesminister für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz), Dr. Anja Peck (Präsidentin der Forstdirektion Freiburg und Vorsitzende des Naturparks Schönbuch) und dem Kirchentellinsfurter Bürgermeister Bernd Haug, der den früheren Waldenbucher Bürgermeister Michael Lutz als Vorsitzenden des Fördervereins Naturpark Schönbuch abgelöst hat.
„Es ist kein Trinkwasser“, betonte Prof. Jäger. Schlimmer noch. Man sollte sich mit dem Wasser auch nicht die Hände oder das Gesicht waschen. Der Grund: Das Wasser im Schönbuch enthält Leptospirose-Bakterien oder kurz Leptospiren genannt. Der Mensch kann diese über die Schleimhäute aufnehmen oder sie können bei einer kleinen Verletzung direkt ins Blut geraten. Eine Leptospirose, die von ihnen ausgelöste Krankheit, verläuft in 90 Prozent der Fälle wie eine Grippe, kann aber auch zum Tod führen (Leber-, Nierenversagen). Die Erkrankung ist meldepflichtig, doch geht das Robert-Koch-Institut von einer hohen Dunkelziffer aus.
Wirte dieser Bakterien können Haus- und Wildtiere sein, die deshalb nicht erkrankt sein müssen, die die Bakterien aber über den Urin ausscheiden. Von den Haustieren sind vor allem Hunde, Schafe und Schweine betroffen, von den Wildtieren Wildschweine, Ratten und Mäuse. Außerhalb ihrer Wirte können die Bakterien, wenn es warm und feucht oder nass ist, mehrere Wochen überleben.
Möglicherweise überleben im Naturpark Schönbuch mehr Bakterien als anderswo. Minister Peter Hauk lobte in seinem Festvortrag allgemein die reinigende Kraft des Waldbodens; „Wir brauchen die Wälder, um beim Trinkwasser die beste Qualität zu bekommen.“ Das gilt da, wo das Rohwasser in großer Tiefe aufgenommen und anschließend zu Trinkwasser verarbeitet wird. Das Wasser der Schönbuchbrunnen, das ungefiltert und unbehandelt aus den Brunnenrohren fließt, fällt jedoch in die Kategorie Oberflächenwasser. Das hängt mit dem Boden zusammen.
„Der Schönbuch ist Keuperland“, erläuterte Professor Jäger. „Und Keuper ist tonhaltig und damit wasserabweisend.“ Bei Regen bilden sich deshalb schnell Pfützen und Tümpel. „Wenn man mit dem Rad unterwegs ist, fallen die im Vorbeifahren gar nicht auf“, meint er, „wenn man zu Fuß unterwegs ist schon, weil man da nicht einfach durchlaufen kann.“ Keuper ist die oberste Schicht der Trias (über Muschelkalk und Buntsandstein), der vor 205 bis 195 Millionen Jahren vom Urmeer abgelagert wurde.
Konsequenzen sollen die von Professor Jäger zutage geförderten mikrobiologischen Verunreinigungen keine haben. Da es sich nicht um ausgewiesene Trinkwasserbrunnen handele, müsse das Wasser auch keine Trinkwasserqualität haben, argumentiert Naturpark-Geschäftsführer Matthias Allgäuer im Gleichklang mit Peter Hauks Ministerium.
Grundsätzlich rate er davon ab, im Wald Wasser zu trinken, denn das könne immer, nicht nur im Naturpark Schönbuch, durch tote Tiere, Kot und Urin verunreinigt sein. Das sei in der Bevölkerung auch bekannt. Auch Dr. Anna Leher, die Leiterin des Gesundheitsamts Böblingen, lässt über die Pressestelle des Landratsamts ausrichten, da es sich nicht um Trinkwasserbrunnen handele, bestehe für das Gesundheitsamt keine Veranlassung, irgendetwas anzuordnen.
Wie viele Brunnen es im Naturpark Schönbuch gibt, die übrigens zu den Kleindenkmalen gehören, weiß man weder bei der Naturparkverwaltung noch beim Förderverein. Offiziell dokumentiert sind 37. Diese hat Prof. Jäger untersucht, darunter im Kreis Böblingen den Jungviehweidenbrunnen (Waldenbuch), den Schwabentreuebrunnen (Weil im Schönbuch), den Kapellenbrunnen (Altdorf) den Plattenbrunnen (Gärtringen) sowie den Sommertalbrunnen und den Kalter Brunnen (beide Herrenberg) und die Königsbrünnele, von denen es zwei gibt: in Breitenholz und im Herrenberger Stadtwald.
Das Herrenberger Königsbrünnele hieß im 15. Jahrhundert noch Heilig-Kinds-Brunnen, wurde 1792 als Königsbronn beschrieben und in einer Brunnenstube gefasst. Das Wasser galt als vorzüglich und speiste über eine zwei Kilometer lange Leitung bis 1917 den Königsbrunnen in der Herrenberger Schuhgasse. Die Brunnenstube wurde 1948 von den Naturfreunden saniert.
Angesichts der bakteriellen Verunreinigungen trat ein Ergebnis der Untersuchungen etwas in den Hintergrund, auf das Prof. Jäger besonders stolz ist. Mit einer Härte von 1,23 hat der Kapellenbrunnen nach der Hans-Jakob-Quelle in Bad Rippoldsau (1,18) das zweitweichste Wasser Deutschlands. Auf den Plätzen drei und vier der „Wasser-Bundesliga“ folgen der Hermann-Löns-Brunnen (Breitenholz) mit 1,66 und das Königsbrünnele mit 2,0 sowie auf Rang sechs der Senftenbrunnen im Goldersbachtal (Markung Bebenhausen) mit 2,61.
Weichmacher ist in diesen Fällen der Räthsandstein, eine dünne und zugleich die jüngste Schicht des Keupers. Das Gros der Schönbuch-Brunnen weist Härtegrade zwischen 16 und 23 auf. Zum Vergleich: Das Trinkwasser, das bei Sipplingen aus dem Bodensee gepumpt wird, hat einen Härtegrad von 9,0.