Menü
Gärtringen: Gemeinderat will sich nicht bis 2027 binden und bittet um mehr Achtsamkeit in Flüchtlingshäusern

"Wir gehen schweren Zeiten entgegen"

Ein Überlassungsvertrag mit der Arbeiterwohlfahrt Böblingen/Tübingen (Awo) bis 2027, um das Integrationsmanagement für Flüchtlinge und Asylsuchende auszuweiten: Dieser Beschlussvorschlag erschien der Mehrheit des Gärtringer Gemeinderats zu langfristig. Das Gremium will daher die Vertragslaufzeit mit der Awo vorerst lediglich bis 2024 beschränkt sehen.
Von unserem Mitarbeiter 
Konrad Buck

Beim Integrationsmanagement kooperiert die Gemeinde Gärtringen mit der Nachbarkommune Nufringen und beschäftigt drei Mitarbeiter, die einen Stellenumfang von insgesamt 170 Prozent innehaben: Michael Damaskinakis-Wohlhüter (75 Prozent), Dr. Sager Salah (70) und Al Harazi (25). Derzeit bezuschusst das Land diese Stellen noch in vollem Umfang. Während Michael Damaskinakis-Wohlhüter und seine Kollegin Al Harazi bei der Arbeiterwohlfahrt Böblingen-Tübingen angestellt sind, ist Dr. Sager Salah beim Landratsamt Böblingen beschäftigt.

Die Zuschüsse für diese drei Mitarbeiter laufen in diesem und im nächsten Jahr aus; nach Angaben des Regierungspräsidiums ist aber damit zu rechnen, dass sie um mindestens ein Jahr verlängert werden. Der Vertrag zwischen den Gemeinden Gärtringen und Nufringen und der Awo läuft zum 31. August 2021 aus. Deshalb ist nun zu entscheiden, ob und in welcher Form die Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Die Gemeindeverwaltung verwies in der Gemeinderatsdrucksache darauf, dass sich die Sozialbetreuung in der Sammelunterkunft in der Robert-Bosch-Straße und auch in allen anderen Unterkünften als unerlässlich erwiesen habe, und schlug vor, die Kooperation mit der Awo bis zum 30. Juli 2027 zu verlängern – an diesem Datum endet auch der Mietvertrag für das ehemalige Möbelhaus Brodbeck, in dem Flüchtlinge untergebracht sind. Außerdem soll die Sozialbetreuung noch ausgeweitet werden, sobald die neu zu bauende Unterkunft im Gebiet Kayertäle-Ost bezogen ist.

Wenn man den derzeit praktizierten Betreuungsschlüssel zugrunde legt (48 Wochenstunden für etwa 200 Flüchtlinge), kämen für die rund 50 neuen Flüchtlinge weitere zwölf Wochenstunden hinzu. Die Kosten für diese 60 Stunden pro Woche beliefen sich auf rund 99 000 Euro pro Jahr. Ob und wie umfangreich das Land diese Stellen in den kommenden Jahren finanziell fördert, ist noch offen. „Auf keinen Fall können wir mit einer Ausweitung des bisherigen Umfangs rechnen“, heißt es dazu in der Gemeinderatsdrucksache.

Im Gemeinderat klangen dazu aber auch kritische Klänge an. „Es ist ein heißes Thema, dagegen etwas zu sagen, aber ich tue es trotzdem“, führte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Peter Heinkele aus. Er warf die Frage auf, ob in dieser Sache ein Einsparpotenzial bestünde – denn wenn man sich auf acht Jahre binde, würde dies Kosten von rund 800 000 Euro verursachen, und das in Zeiten, in denen man mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen haben werde. „Finanziell gehen wir schweren Zeiten entgegen“, prophezeite Dr. Peter Heinkele und bezweifelte zugleich auch den aus den zusätzlichen Betreuungsstunden zu erwartenden „Mehrwert, wenn ich feststelle, wie es in den Unterkünften teilweise aussieht“. Diesen letzten Punkt erwähnte ebenfalls auch Matthias Bock, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, in seinem Beitrag: „Ich würde darum bitten, etwas mehr Wert darauf zu legen, in den Unterkünften mehr zu erklären, um Schäden zu vermeiden.“ Gerlinde Hörz (SPD) und Uli Zinser (FDP) schlugen schließlich vor, den Vertrag mit der Awo auf einen kürzeren Zeitraum zu beschränken. Bürgermeister Thomas Riesch war angesichts der sich abzeichnenden Mehrheitsverhältnisse bereits vom Verwaltungsantrag (bis 2027) zurückgerudert und hatte 2025 vorgeschlagen. Mit 17 zu sechs Stimmen votierte das Gremium aber schließlich für den von Uli Zinser eingereichten Antrag, die Kooperation mit der Awo zunächst nur bis 2024 zu verlängern. Die Gemeinde will nun mit der Arbeiterwohlfahrt klären, ob sich der Wohlfahrtsverband mit diesem kürzeren Zeitraum anfreunden kann.