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ADFC Fahrradklima-Test

Böblingen im Mittelmaß, Sindelfingen bleibt Schlusslicht

1700 Menschen aus dem Landkreis Böblingen haben an der Befragung des ADFC teilgenommen. Im Durchschnitt gibt's die Schulnote 3,6. Im Artikel finden Sie eine interaktive Karte, die zu den Ergebnissen der Kreis-Kommunen führt.
Von Dirk Hamann
Der umgebaute und jetzt fahrradfreundlich gestaltete Elbenplatz hat mit dazu geführt, dass Böblingen beim ADFC-Fahrradklima-Test für den Punkt „Fahrradförderung in jüngster Zeit“ die ordentliche Note 2,9 erhalten hat. Trotzdem zeigt das Ergebnis der Befragung, dass es nicht nur in Sindelfingen, sondern auch in Böblingen in Sachen Radverkehr noch einiges zu verbessern gibt. Bild: Hamann

Der umgebaute und jetzt fahrradfreundlich gestaltete Elbenplatz hat mit dazu geführt, dass Böblingen beim ADFC-Fahrradklima-Test für den Punkt „Fahrradförderung in jüngster Zeit“ die ordentliche Note 2,9 erhalten hat. Trotzdem zeigt das Ergebnis der Befragung, dass es nicht nur in Sindelfingen, sondern auch in Böblingen in Sachen Radverkehr noch einiges zu verbessern gibt. Bild: Hamann

Kreis Böblingen. Das Ergebnis des vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) 2022 bundesweiten durchgeführten Fahrradklima-Tests liegen vor. Die meisten Städte und Gemeinden im Landkreis Böblingen – mit Ausnahme von Rutesheim – erhalten einmal mehr wenig erbauliche Bewertungen.

Im Durchschnitt erhält das Fahrradklima im Landkreis Böblingen die Note 3,6. Sindelfingen erhält wie schon vor zwei Jahren die Note 4,3 – und liegt damit nicht nur im Landkreis Böblingen auf dem letzten Platz, sondern auch unter 113 Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern in Deutschland weit hinten auf Rang 94. Böblingen darf sich einerseits über Platz 16 in dieser Kategorie freuen – andererseits zeigt die Note von 3,7, dass auch hier noch einiges an Verbesserungsbedarf besteht.

Interaktive Karte mit vollständiger Auswertung der Orte

Illustration/Karte: Teufel

„Das Ergebnis des bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Tests 2022 für die Städte und Gemeinden im Landkreis Böblingen ist insgesamt ernüchternd: Trotz verstärkter Aufmerksamkeit beim Radverkehr, diverser Fördertöpfe von Bund und Land wird Radfahren in den Städten und Kommunen des Landkreises weder sicherer noch attraktiver wahrgenommen als vor zwei Jahren“, so Peter Grotz und Roland Schmitt vom ADFC-Kreisverband Böblingen.

Ähnliche Noten im SZ/BZ-Bürgerbarometer

Die Ergebnisse des ADFC-Klimatests spiegeln auch die Resultate der im vergangenen Sommer im Auftrag der SZ/BZ von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung Ludwigsburg durchgeführten repräsentativen Umfrage zum SZ/BZ-Bürgerbarometer wider. In der Gesamtbewertung in Schulnoten ausgedrückt erhielt das Sindelfinger Radwegenetz eine 4 plus, Böblingen eine 3 minus. Ein Ergebnis, das Peter Grotz nicht überraschte. Einerseits zeige es, dass die Bemühungen in Böblingen, das Radwegnetz auf Vordermann zu bringen – so wie in der Herrenberger Straße oder im Bereich des Elbenplatzes Geschehen, von den Einwohnern in ihrer Bewertung honoriert wurden, andererseits zeige es, dass auch in Böblingen noch einiges zu verbessern gibt.

Noch mehr aber in Sindelfingen. „Dort gibt es eine deutliche Zurückhaltung, was das Thema Verbesserung der Radwege betrifft – obwohl es vor Corona dazu gute Ansätze gab“, sagte Peter Grotz. „In Sindelfingen gibt es eine Rad-Infrastruktur aus den 70er-Jahren.“ Der Zustand dieser Wege sei so schlecht, dass sie oft nicht mehr gut und sicher befahrbar seien. Zudem gebe es zwar diese alten Wege, aber bei Weitem kein schlüssiges Radwegenetz. 

Fahrrad IconZurück zu den aktuellen Ergebnissen des Fahrradklima-Tests. Die zeigen, so Peter Grotz, ganz eindeutig, wo in den Kreis-Kommunen dringend nachgebessert werden muss. „Landrat Bernhard und der Landkreis betreiben zwar eine sehr aktive Förderung des Radverkehrs, nicht zuletzt durch den zügigen Ausbau des Radschnellwegs von Stuttgart nach Herrenberg. Es fehlt aber noch an einer konsequenten Weiterförderung auf der Ebene der Kommunen. Klimaschutz und Mobilitätswende sind zwar in aller Munde.

Vielerorts wird aber die Rolle des Radverkehrs immer noch unterschätzt. Es wird verkannt, dass mehr Radverkehr nur mit sicheren und attraktiven Radwegen in den Städten und Gemeinden zu haben ist.“ Der ADFC-Kreisvorsitzende fordert deshalb dringend zum Umdenken auf: Neuanlage und Sanierung von Radwegen, fahrradfreundliche und sichere Umleitungen bei Baustellen, Kontrolle von Falschparkern und Überholabständen bis hin zu Tempo 30 innerorts seien einige der Ziele, die der ADFC seit Jahren fordert – doch hier geschehe vor Ort noch zu wenig und das komme in der Befragung zum Fahrradklima-Test auch klar zum Ausdruck.

Mangelhaft: Verkehrsführung an Baustellen

„Auch wenn Böblingen im Vergleich zur Nachbarstadt Sindelfingen beim Fahrradklima-Test deutlich besser abgeschnitten hat, was aufgrund der infrastrukturell und fahrradpolitischen Untätigkeit der Sindelfinger Stadtverwaltung nicht sonderlich verwundert, so fällt doch auf, dass beide Städte bei den sehr negativ bewerteten Fragen nahe beieinander liegen“, so Peter Grotz weiter.

Insbesondere die Verkehrsführung an Baustellen – so wie zum Beispiel aktuell im Bereich der Autobahn-Brücke und Hornbach zwischen Böblingen und Sindelfingen sei trotz langer Vorbereitungszeit vielfach mangelhaft.

„Wenn Baustellen eingerichtet werden müssen sich die Bürger darauf verlassen können, dass der Fuß- und Radverkehr verkehrssicher an der Arbeitsstelle vorbei geführt wird, insbesondere dann, wenn die betroffenen Strecken auch noch im Schulwegeplan verzeichnet sind. Leider ist dem nicht so“, so Roland Schmitt. „Vielfach muss nachgebessert werden und die Ergebnisse entsprechen bei weitem nicht den Minimalanforderungen, denen sich die beiden Städte als Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen eigentlich verpflichtet fühlen müssten.“ Komfortable und sichere Verkehrsführung an Baustellen, Optimierung der Ampelschaltungen für Radfahrer und Falschparkerkontrolle auf Radwegen seien Aufgaben, die von den zuständigen Stellen zeitnah erledigt werden können.

Beide Städte planen Bau von Radachsen

Zumindest was den Ausbau der Radachsen angeht, soll sich in den kommenden Jahren in Böblingen, Sindelfingen aber auch in kleineren Kommunen wie Holzgerlingen in den den kommenden Jahren einiges tun. In Böblingen hat die Stadt zehn durchgängige Radachsen in der ganzen Stadt geplant, welche die Grundlage für das neue Radverkehrskonzept bilden sollen – als erstes soll die Verbindung nach Schönaich auf Vordermann gebracht werden.

In Sindelfingen hat der Gemeinderat im Mai 2020 das Radverkehrskonzept der Stadt als Leitlinie für den Ausbau der Radverkehrsangebote beschlossen. Unter anderem soll ein Netz aus zehn Hauptrouten entstehen, das eine Strecke von insgesamt rund 45 Kilometern umfasst. Aktuell ist die Stadt am Maichinger Bogen, an der Hinterweil-Route und am Radschnellweg im Bereich Sindelfingen-Ost dran.

Info ADFC-Fahradklima-Test

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zur Zufriedenheit der Radfahrern weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2022 zum zehnten Mal statt.

Rund 1700 Menschen aus dem Kreis Böblingen haben für den Fahrradklima-Test des ADFC die Fahrradfreundlichkeit von Städten und Gemeinden bewertet. Das sind deutlich mehr als 2020 (Teilnahmen damals 1400).

Meine Meinung

Städte müssen den Radverkehr ernst nehmen Von Dirk Hamann

Dirk HamannDer Radverkehr ist, dem E-Bike sei Dank, auch im Kreis Böblingen auf dem Vormarsch, das Rad wird vor allem auf kürzeren Strecken bis 5 Kilometer zunehmend als Alternative zum Auto gesehen. Eine positive Entwicklung, die dafür sorgen kann und soll, dass weniger Autos auf den innerstädtischen Straßen unterwegs sind, dass es somit zu weniger Staus und Lärm kommt. Und dass dadurch weniger Abgase produziert werden. Umso mehr sind Städte wie Böblingen aber vor allem auch Sindelfingen gefordert, das Anwachsen des Radverkehrs mit Investitionen in die Rad-Infrastruktur zu fördern.

Die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests des ADFC aber auch die der Befragung zum SZ/BZ-Bürgerbarometer zeigen ganz klar, dass – und auch wo – dringender Handlungsbedarf besteht. So zum Beispiel bei der hüben wie drüben mangelhaften Radwege-Führung an Baustellen. Wer den Radverkehr ernst nimmt, darf nicht zulassen, dass es solche gefährlichen Umleitungen gibt, wie aktuell in der Böblinger/Sindelfinger Straße an der A 81-Brücke.

dirk.hamann@szbz.de