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95. Geburtstag am 23. Februar

Hans im Glück: Maichinger Rennfahrer-Legende Hans Herrmann wird 95

Am 23. Februar feiert der ehemalige Rennfahrer, der seit 1960 in der Maichinger Landhaussiedlung lebt, seinen 95. Geburtstag.
Von Tim Schweiker

Maichingen. Beim Blick auf seinen handgeschriebenen Terminkalender, der auf dem heimischen Esstisch in der Maichinger Landhaussiedlung liegt, muss Hans Hermann lachen: „Ganz schön was los bei mir.“ Journalisten geben sich dieser Tage die Klinke in die Hand im Hause Herrmann. Und täglich kommen Autogrammwünsche. „Es sind ganz viele junge Leute dabei, die ein Autogramm von mir wollen.“

Mit dem Rennteam von Mercedes-Benz kommt der Stuttgarter erstmals im Juli 1953 in Berührung. Der legendäre Rennleiter Alfred Neubauer fragt ihn: „Haben Sie Lust, mal mit einem unserer Wagen zu fahren?“ Klar, Herrmann will – obwohl er erst seit einem Jahr auf den Rennstrecken unterwegs ist.

1959 auf der Berliner Avus. Mit Tempo 290 prallt Hans Herrmann mit seinem Rennwagen es britischen Herstellers BRM frontal gegen einen nassen Strohballen, wird aus dem Wagen katapultiert und fliegt dem Auto mehr als 50 Meter weit hinterher. Hans Herrmann steht wieder auf. Praktisch unverletzt.

Wenn es nach seinen Eltern gegangen wäre, hätte es so weit nie kommen dürfen. Denn gelernt hat Hans Herrmann Konditor. Schließlich besaßen die Eltern zwei Cafés. Hans Herrmann, geboren 1928 in Stuttgart, hat nach dem Zweiten Weltkrieg den elterlichen Betrieb übernommen. „Aber mich hatte es schon immer zum Motorsport hingezogen“, sagt der Stuttgarter, den seine Freunde seit Jahrzehnten mit seinem Spitznamen anreden: Hans im Glück.

Den Namen trägt Hans Herrmann, der seit 1960 in der Maichinger Landhaussiedlung lebt, nicht erst seit dem Avus-Crash zu Recht. 1954 überlebt er seinen ersten schweren Rennunfall bei einer Testfahrt mit dem Mercedes W 196 auf dem alten Hockenheimring. Beim Training zum Großen Preis von Monaco 1955 kommt er bei einem Unfall nur knapp mit dem Leben davon.

Und dann ist da diese unglaubliche Geschichte von der Mille Miglia: Am 2. Mai 1954 kann Herrmann mit seinem Beifahrer Herbert Linge in einem Porsche 55 zwischen Pescara und Chieti vor einer sich gerade schließenden Bahnschranke nicht mehr bremsen. Hermann rast unter der Schranke durch – knapp vor dem heranrasenden Schnellzug. Hans im Glück. „Es war zum Teil schon mörderisch“, sagt Hans Herrmann. Viele seiner Konkurrenten und Freunde sind auf den Rennstrecken ums Leben gekommen. „Ich habe überlebt“ heißt Hans Herrmanns erstes Buch aus dem Jahr 1971.

„Es war saugefährlich“

Heute sagt Hans Herrmann: „Es war saugefährlich. Allein in meiner aktiven Zeit haben 65 Rennfahrer-Kollegen ihr Leben gelassen. Keiner von uns wusste, ob er lebend vom nächsten Rennen zurück kommt. Dementsprechend haben wir gelebt. Wir haben nichts ausgelassen.“

Der Motorsport der 50er und 60er Jahre lockt trotz oder auch wegen der Schrecken das Publikum in Massen. Zu den Grand-Prix-Rennen auf dem Stuttgarter Solitude-Ring, Herrmanns Hausstrecke, pilgern mehr als 200 000 Zuschauer. Fahrer wie Hans Herrmann sind ungeheuer populär – nicht zuletzt bei den weiblichen Fans. Der junge, gut aussehende Draufgänger lässt auch eine Schwedin nicht kalt, die in den 50er Jahren in Stuttgart den Grundstein für ihre Karriere legt: Bibi Johns. Ein Jahr lang sind Hans Herrmann und Bibi Johns ein Paar. Sie begleitet ihn zu Rennen, wie den berühmten 24 Stunden von Le Mans. Und er bewundert noch heute „die unglaubliche Disziplin, mit der Bibi ihre Arbeit macht“. Hans im Glück.

Damals überlegen sich die beiden, vielleicht sogar gemeinsam irgendwo die Zelte aufzuschlagen. Hans Herrmann ist zu der Zeit schon länger auf der Suche nach einem Domizil am Rande Stuttgarts, als ihm ein befreundeter Regierungsbaudirektor von der geplanten Landhaussiedlung in Maichingen erzählt. „Maichingen? Da wollte ich nicht hin. Ich wusste ja nicht mal, wo das liegt“, sagt Hans Herrmann. Doch Hans Herrmann lässt sich überreden, das Grundstück in der Carl-Orff-Straße wenigstens anzuschauen: „Mitten im Grünen und doch nah an der Stadt – so schlecht fand ich das dann gar nicht.“

Kurze Zeit später ist der Rennfahrer Grundstücksbesitzer in Maichingen. „Aber Geld zum Bauen hatte ich nicht. Ich stand ja noch ziemlich am Anfang.“ Doch weil unbebaute Grundstücke nach einer gewissen Zeit wieder an die Gemeinde zurückgegeben werden müssen und Bürgermeister Erwin Lamparter deswegen mehrfach bei Hans Herrmann nachhakt, bekommt der Architekt einen klaren Auftrag: „Bau mir das kleinste Haus, das man da bauen kann.“

Und Bibi Johns? Der hatte Hans Herrmann von der Landhaussiedlung erzählt. 1956, als sie zusammen mit Peter Alexander mit dem Film „Musikparade” zu sehen ist, kauft sie in der Nachbarschaft ebenfalls ein Grundstück. „Für 25 Mark pro Quadratmeter“, wie Bibi Johns der SZ/BZ erzählt hat. Gewohnt hat sie in Maichingen freilich nie. Nach drei Jahren gibt sie das Grundstück an die Gemeinde zurück: „Man muss sich mal vorstellen, was das Grundstück heute wert wäre. Aber ich war halt eine brave Bürgerin.“

Ein Paar sind Bibi Johns und Hans Herrmann da schon länger nicht mehr. Aus seinem Häuschen macht Hans Herrmann von 1960 an Stück für Stück ein stattliches Anwesen. Der Grund heißt Magdalena. Seit 1960 ein Paar, heiraten die beiden 1962 im Maichinger Rathaus. 1965 kommt Sohn Dino zur Welt, der heute als Musikproduzent in Los Angeles lebt. 1969 wird der zweite Sohn Kai geboren. Hans im Glück.

Ein großer Sieg zum Abschluss

Für Magdalena Herrmann, die aus Düsseldorf stammt, ist das Glück freilich erst vollkommen, als ihr Hans mit dem phänomenalen Porsche-Sieg in Le Mans 1970 seine Rennfahrerkarriere beendet. Mit ihren kaufmännischen Kenntnissen trägt sie viel dazu bei, dass Hans Herrmann auch nach der Rennkarriere in der Erfolgsspur bleibt.

Ihre ersten Lagerräume hat die junge Firma bei Maichinger Nachbarn: Heinz Emmerich, Gründer der Solo Kleinmotoren GmbH und Onkel von Roland Emmerich, der später als Hollywood-Regisseur eine Weltkarriere machte, stellt sein zollfreies Lager zur Verfügung. Hans Herrmann: „Das vergesse ich ihm nie.“ Hans im Glück.

Ausgerechnet am Freitag, dem 13. Dezember 1991 kommt das Glück der Herrmanns akut in Gefahr. Hans Herrmann wird aus seinem Haus in Maichingen entführt. Die Entführer lassen ihn gegen Lösegeld wieder frei. Der Fall wird in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ behandelt und macht bundesweit Schlagzeilen. Der Fall bleibt bis heute ungeklärt. „Meine Frau wollte danach weg aus Maichingen. Aber ich habe sie gefragt: Wohin denn? Wir sind hier daheim.“ Vielleicht, sagt Herrmann, habe ihm der Rennsport diese Gelassenheit gegeben: „Ich bin dem Tod eben schon ein paar Mal von der Schippe gesprungen.“

Fan von Lewis Hamilton

Dem Motorsport ist Herrmann nach wie vor eng verbunden, vor allem der Formel 1. „Ich schaue jedes Rennen. Das war ja schließlich auch mein Leben. Ich bin ein absoluter Fan von Lewis Hamilton. Der Junge ist nicht nur ein sagenhafter Rennfahrer, sondern auch ein sehr angenehmer, bescheidener Mensch.“

Welchen Klang der Name Hans Herrmann in der Rennsport-Szene nach wie vor hat, wird sich bei den jetzt anstehenden Geburtstagsfeiern zeigen. Der Württembergische Automobilclub lässt Hans Herrmann am 12. März bei einer großen Feier für geladene Gäste hochleben. Und natürlich gratulieren auch Mercedes und Porsche gebührend zum Geburtstag. „Ich freue mich darauf, viele bekannte Gesichte zu sehen. Das ist schon eine große Ehre. Aber danach bin ich sicher auch wieder froh, wenn es ruhiger wird.“

Herzlichen Glückwunsch, Hans im Glück!

Der pfeilschnelle Schwabe

Hans Herrmann, geboren am 23. Februar 1928 in Stuttgart, ist der letzte noch lebende Fahrer der legendären Mercedes-Silberpfeile der Jahre 1954/55. Aber auch für Porsche war Herrmann höchst erfolgreich, nicht zuletzt bei den legendären 24 Stunden von Le Mans.

Die SZ/BZ hat einige der großen Erfolge und besonderen Momente in der Karriere von Hans Herrmann zusammengestellt.

  • 1953: Hans Herrmann schlägt am Schauinsland auf dem Porsche 550 Spyder 1500 S den favorisierten Hans Stuck.

  • 1954: 195,47 km/h. Hans Herrmann fährt im Mercedes W 196 R die schnellste Runde beim Großen Preis von Frankreich.

  • 1955: Mit dem Mercedes 300 SLR starten Hans Herrmann und Herrmann Eger bei der Mille Miglia. Ein Unfall am Futa-Pass verhindert das Duell mit Stirling Moss.

  • 1956: Bei den 12 Stunden von Sebring fährt Herrmann Porsche auf Platz 6. Alle Autos vor ihm haben mehr Hubraum.

  • 1959: Im BRM F1 versagen auf der Avus in Berlin die Bremsen bei 280 Sachen. Herrmann überlebt nahezu unverletzt.

  • 1960: Hans Herrmann gewinnt den Italien-Klassiker Targa Florio.

  • 1963: Nicht immer nur Mercedes. Mit dem Abarth 2000 Sport gewinnt Hans Herrmann den Flugplatz-Grand-Prix in Wien-Aspern.

  • 1968: Mit dem Porsche 907 gewinnt Hans Herrmann zusammen mit Jo Siffert das 24-Stunden-Rennen in Daytona.

  • 1969: In Le Mans gewinnen Jacky Ickx und Jackie Oliver nach 24 Stunden mit 100 Meter Vorsprung vor Hans Herrmann und Gérard Larrousse im Porsche 908.

  • 1970: Sturm und Regen in Le Mans. Hans Herrmann und sein Kollege Richard Attwood gewinnen trotzdem mit dem Porsche 917 und holen den ersten Le-Mans-Gesamtsieg für die Zuffenhausener.

    Autorennfahrer-Legende Hans Herrmann 2008