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18 Nein gegen 16 Ja

Sindelfingen: Keine Mehrheit für Tempo 30

Grüne und Verwaltung kassieren Abstimmungsniederlage mit Antrag zum Beitritt zur Städtetag-Initiative für angemessene Geschwindigkeit in Sindelfingen
Von Bernd Heiden
In der Sindelfinger Ziegelstraße ist schon lange maximal Tempo 30 erlaubt.      Bild: Wegner

In der Sindelfinger Ziegelstraße ist schon lange maximal Tempo 30 erlaubt. Bild: Wegner

Sindelfingen. Das ging daneben, stellt der Oberbürgermeister fest. „Jetzt stimme ich schon mal mit den Grünen und dann ist's auch nix“, sagt Dr. Bernd Vöhringer am Ende einer Abstimmung, die Gräben und Risse durch mehrere Fraktionen offen legte.

Die Frage zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen hatte nicht nur zur Spaltung in den jeweiligen politischen Lagern geführt, sondern am Ende zu einer extrem knappen Abstimmung. Mit 18-Neins gegen 16-Jas schmettert der Gemeinderat den Antrag der Grünen-Fraktion ab, die Stadt solle der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit“ beitreten.

Lebhaft und kontrovers diskutiert

Der schon zuvor im Verwaltungsausschuss lebhaft und kontrovers diskutierte Antrag (die SZ/BZ berichtete) veranlasst mit seinem Auftauchen zu später Stunde im Gemeinderat den OB zu einer Vorbemerkung.

Dieser Redebeitrag soll ganz offenbar einem Missverständnis vorbeugen. Denn es geht mit der Abstimmung über diesen Antrag nicht darum, ob in Sindelfingen überall Tempo 30 eingeführt werden soll. „Wir wollten nur einer Initiative beitreten und dürfen nichts entscheiden“, erklärt Dr. Bernd Vöhringer. Wenn, dann komme eine Entscheidung, ob man was draus machen würde, erst „viel, viel später“. Nämlich erst, wenn die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit“ Erfolg haben sollte.

Rechtliche Voraussetzungen schaffen

So fordert die Grünen-Fraktion mit ihrem Antrag, der Gemeinderat möge beschließen dieser auf den Städtetag zurück gehenden Initiative beizutreten.

In der schriftlichen Begründung zu diesem Antrag wird zu dieser Initiative näher erklärt: „Die Initiative fordert den Bund auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kommunen [...] ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten.“

Weil es bekanntlich schon jetzt deutschlandweit Tempo-30-Zonen in den Gemeinden oder wie in Stuttgart Tempo 40 gibt, tritt der Verkehrsexperte der Grünen-Fraktion Helmut Hofmann einem nahe liegenden Argument vorab entgegen. Der Einwand: Es gibt doch derzeit schon genügend Möglichkeiten für die Kommunen, Tempo-30 anzuordnen. Das ist nicht so, erklärt Stadtrat Hofmann und nennt als Beispiel die durch die Maichinger Landhaussiedlung führende Stuttgarter Straße. Dort wurde einst Tempo 40 angeordnet. Die Klage eines einzigen Autofahrers dagegen habe ausgereicht um das zu kippen. Seither gilt dort wieder die innerörtliche Regelhöchstgeschwindigkeit 50.

Weil Kommunen nur in Ausnahmefällen, bei Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheimen, bei Krankenhäusern und aus Lärmschutzgründen Tempo 30 anordnen dürfen, würde auch die längst für die Wilhelm-Haspel-Straße geltende Tempo-30-Regelung wegfallen, sofern dagegen jemand klage, sagt Helmut Hofmann. So gehe es der Initiative darum, dass die Kommunen mehr Hoheit bekämen in der Festsetzung von Bereichen mit Temporeduzierung. Sie könnten so auch verwirrendes Zonen-Flickwerk wie aktuell in der Leonberger Straße beseitigen.

Erhöhte Sicherheit

CDU-Stadtrat Frank Bechtle erklärt, dass seine Fraktion nicht einheitlich abstimme. Auch die erneute Diskussion des Grünen-Antrages in der Fraktionssitzung sei kontrovers verlaufen. Mit dem Antrag soll die flächendeckende Einführung von Tempo 30 in Städten und Gemeinden vorbereitet werden, nennt der CDU-Stadtrat Bedenken aus den Reihen seiner Fraktion. Er persönlich stimme für den Antrag, denn Temporeduzierung bringe erhöhte Verkehrssicherheit.

Seine Fraktionskollegin Sandra Adler führt die Gegenrede und beruft sich dabei auf ihr Mandat als gewählte CDU-Stadträtin. „Unsere Wähler wollen das nicht“, sagt sie, gestützt auf die Reaktionen auf den Artikel in der SZ/BZ über die Sitzung des Verwaltunsausschusses zu dem Antrag. Adler: „So viel Wahrheit muss sein. Sindelfingen ist eine Autostadt.“

Diffuse Meinungslage vermeldet Christine Rebsam-Bender aus ihrer SPD-Fraktion. Man begrüße zwar das Bestreben, die Kompetenzen der Kommunen zu erhöhen bei Temporeduzierungen. Aber in der Antragsbegründung fehle die Flexibilität: Statt die Möglichkeit hervorzuheben, Tempo 30 oder 50 oder auch 40 wie in Stuttgart anzuordnen, fuße die Begründung nur auf Tempo-30-Zonen.

Grüne geschlossen dafür

Geschlossen präsentiert dagegen Andreas Knapp seine Fraktion: Die FDP stimme dagegen, sagt der Stadtrat und präsentiert ein Argument, dem er zutraut, selbst die Grünen davon zu überzeugen, dass sie gegen ihren Antrag stimmten: Bei kommunalpolitischer Zuständigkeit könne ein Gemeinderat mit strammer CDU-Mehrheit jedes 30er-Schild verhindern. „Wollen sie das wirklich?“, fragt Knapp. Doch die Grünen schreckt das nicht. Sie stimmen geschlossen für ihren Antrag.

Richard Pitterle (Linke) lacht in Anhörung von Knapps Argument. Denn, so Pitterle, auch bei Erfolg der Initiative werde am Ende nicht der Gemeinderat über Tempozonen entscheiden, das würde weiterhin die Straßenverkehrsbehörde anordnen. Seine Linke-Gruppe stimmt am Ende für den Antrag, auch wenn Pitterle den Antrag für „reine Symbolpolitik“ hält: So lange die FDP Teil der Regierungskoalition sei, werde die Sache nicht kommen.

Die Fraktionsvorsitzende der nicht einheitlich abstimmenden Freien Wähler (FWS) Ingrid Balzer stört sich an dem Zusammenhang, den der Antrag aus ihrer Sicht zwischen Tempo 30 und lebenswerter Stadt herstellt. „30 Kilometer sind gar nicht durchzuhalten“, so Balzer. Was etwa sei daran lebenswert, vom Gerlinger Buckel nach Sindelfingen runterzukommen und dann in der Leonberger Straße 30 zu fahren, fragt sie: „Da fehlt mir irgendwo das Verständnis.“

Am Ende fliegt der Antrag durch, auch weil Winfried Meffert (AfD) gegen ihn stimmt. Um den OB zu zitieren: Unterm Strich war's nix.


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