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Der Journalist und Autor Stefan Maiwald, der seit vielen Jahren in Italien lebt, über das Leben nach dem Corona-Lockdown und die Perspektiven für Italien-Urlauber

„Wie immer in Italien: Am Ende wird es irgendwie gehen“

Von Von 
Tim Schweiker

Die Corona-Krise hat Italien besonders hart getroffen. Jetzt kehrt langsam, aber sicher das Leben zurück. Der deutsche Journalist und Autor Stefan Maiwald lebt seit vielen Jahren in Italien, die SZ/BZ hat sich mit ihm über die aktuelle Situation und über die Perspektiven für Italien-Urlauber unterhalten.

Wie geht es Ihnen, jetzt, wo langsam aber sicher auch in Italien das öffentliche Leben zurückkommt?

Stefan Maiwald: „Es ist überall eine große Erleichterung spürbar, eine Aufbruchsstimmung, fast Freude. Das ist ja auch kein Wunder nach fast drei Monaten im Lockdown. Es tut so gut, endlich einmal längere Spaziergänge zu unternehmen und Freunde wiederzusehen, und gestern war ich zum Einkaufen im Nachbarort – das kam mir wie ein aufregendes Abenteuer vor!“

Wie ist die Atmosphäre in den ersten geöffneten Restaurants und Bars?

Stefan Maiwald: „Sehr gut. Es ist ja wichtig zu wissen, dass gerade die Bar eine ganz wichtige Rolle im italienischen Alltag spielt. Jetzt kann man wieder am Tresen seinen Kaffee trinken und über Politik, Wetter und Fußball plaudern, wenn auch mit etwas Abstand. Das ist eminent wichtig für die seelische Gesundheit. Über Monate war die Stimmung sehr gedämpft, doch nun setzt sich der typisch mediterrane Optimismus durch. Allen ist klar, dass die Urlaubssaison ohnehin so gut wie gelaufen ist. Wenn jetzt noch was obendrauf kommt – erste Reisende aus dem Umland, die ein paar Tage bleiben, und vielleicht bald die ersten Touristen aus dem Norden –, wird das fast wie ein Bonus wahrgenommen.“

„In Deutschland gibt es zwar viel Zustimmung, aber auch Proteste gegen die Corona-Einschränkungen. Wie gehen die Italiener mit der Krise um, die sie ja noch weit härter getroffen hat?

Stefan Maiwald: „Die Leute hier sind äußerst zivilisiert mit den Einschränkungen umgegangen, Ausnahmen waren wirklich sehr selten. Demonstrationen wie in Deutschland gab es nicht, und bei den wenigen Protestaktionen etwa von Restaurantbesitzern wurde der Abstand zum Nächsten sorgsam eingehalten. Sicher waren es nicht nur die hohen Opferzahlen, sondern auch die erschreckenden Fernsehbilder, die allen den Ernst der Lage klar gemacht hatten.“

Politiker wie der Rechtsaußen Salvini machen ja ziemlich offensiv Stimmung gegen Deutschland. Werden Sie als Deutscher in Italien auf das Thema angesprochen?

Stefan Maiwald: „Das war besonders zu Beginn der Krise so, außerdem schwappten Fake-News durch die sozialen Netzwerke. Die Lage hat sich zum Glück beruhigt, Salvini schimpft jetzt lieber wieder auf die eigene Regierung statt auf Berlin oder Brüssel. Außerdem verliert er in den neuesten Umfragen deutlich, während Premierminister Conte die Krise gut nutzen konnte.“

Die Italiener lieben ihre Strände und das Meer. Und viele Deutsche wird es nach Italien ziehen, sobald die Grenzen wieder offen sind. Wird es in diesem Jahr einen Strandsommer geben?

Stefan Maiwald: „Mit Sicherheit! An den Stränden und Beachclubs wird schon fleißig gewerkelt, die Sonnenschirme stehen in entsprechendem Abstand. Die Frage ist bloß: Wie viele ausländische Touristen werden es ans Mittelmeer schaffen, und wann wird das sein: schon Mitte Juni oder erst später? Und die vielleicht viel wichtigere Frage: Wie viele Italiener werden in diesem Jahr das Geld für einen Strandurlaub haben? Aber am Ende wird es, wie immer in Italien, irgendwie gehen.

Italien bietet ja noch viel mehr als schöne Strände: Wie wäre es mit drei Tipps für außergewöhnliche Italien-Erlebnisse abseits des Mainstreams?

Stefan Maiwald: „Ein paar meiner Lieblingsorte: Padua, eine wunderbare Universitätsstadt, die schon Goethe gefallen hat. Apulien im Süden, der Stiefelabsatz mit kleinen, bezaubernden Hotels in den Masserien, den ehemaligen Anwesen des Landadels.

Und als Letztes noch mein Wohnort Grado mit seiner Altstadt und der einmaligen Lagunenlandschaft – in Deutschland, wie das gesamte Friaul, noch recht unbekannt.“

Stefan Maiwald, geboren 1971, ist mit einer Italienerin verheiratet und lebt mit seiner Familie im Küstenstädtchen Grado im Friaul. Er arbeitet als Journalist und Schriftsteller, zuletzt ist sein Venedig-Krimi „Wenn die Gondeln untergehen“ bei dtv erschienen. Über sein Leben in Italien, Reisen und Kulinarik schreibt er auch in seinem Blog https://postausitalien.com


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