Dezember 1944: Frauen in der Wehrmacht
Sindelfingen. Frauen in der Wehrmacht – „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!“ So lautete die Parole einer weiteren Maßnahme, die in der Ausweglosigkeit des „Totalen Krieges“ ihren Ursprung hatte. Am 5. Dezember 1944 verkündeten sie die Reichsreferentin des Bundes Deutscher Mädel, Dr. Jutta Rüdiger und die Reichsfrauenführerin, Gertrud Scholtz-Klink. Alle Frauen ab dem 18. Lebensjahr, die keine „Fürsorgepflichten“ hatten und keine „kriegswichtige“ Arbeit ausübten, sollten sich bei der zuständigen NSDAP-Ortsgruppe zum Dienst als Wehrmachtshelferinnen melden. Die ohnehin schon bestehenden unterstützenden Tätigkeiten, die Frauen bei der Wehrmacht leisteten, sollten durch ein „Wehrmachtshelferinnenkorps“ ergänzt werden.
Entgegen der NS-Ideologie, die sehr konservative Vorstellungen von der Rolle der Frau in der Gesellschaft vertrat, spielten Frauen bei der Wehrmacht spätestens seit Beginn des Krieges eine immer größer werdende Rolle. Im Dezember 1944 lautete die Begründung für den Aufruf der Frauen zum Dienst in der Wehrmacht, dass sie durch ihren Einsatz Soldaten für die Front frei machten. Die NS-Kreiszeitung für Böblingen berichtete im Dezember über den neuen Dienst des Wehrmachtshelferinnenkorps. Sie schrieb, dass für die Frauen bei der Wehrmacht alle Aufstiegswege offen stünden und auch Führungspositionen von ihnen besetzt werden könnten.
Dienstpflicht im Kriegsfall schon 1935
Frauen waren bei der Wehrmacht aber tatsächlich früh eingesetzt. So ermöglichte schon das Wehrgesetz vom März/Mai 1935, mit welchem die Wehrmacht gegründet wurde, die Dienstpflicht im Kriegsfall auch für Frauen. Im September 1939 wurde dann sofort mit ihrer Rekrutierung begonnen. Viele meldeten sich aus Abenteuerlust, Unabhängigkeitsdrang und Kriegsbegeisterung nach den schnellen Erfolgen der ersten Kriegsmonate freiwillig. Ihre Aufgaben lagen zum Beispiel im Nachrichten-, Sanitäts- und Nachschubwesen.
Auch in den besetzten Gebieten leisteten Frauen ihren Dienst. Über die Dauer des Krieges waren etwa 500 000 Wehrmachtshelferinnen in unterschiedlichsten Funktionen bei den Streitkräften tätig. Zwar griffen alle Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg auf weibliche Arbeitskräfte in ihren Streitkräften zurück, aber nur in der Roten Armee war der Frauenanteil höher als bei der Wehrmacht.
Immer weniger Freiwillige
Mit Fortdauer des Krieges meldeten sich weniger Frauen freiwillig. Das Regime reagierte mit Propagandainitiativen, die den Einsatz als Wehrmachtshelferin attraktiver machen und das Image der „Kriegshilfsmaiden“ verbessern sollten. 1941, mit dem Beginn der Invasion in der Sowjetunion, wurde die Kriegsdienstpflicht für Frauen zwischen 17 und 25 Jahren im Rahmen des Reichsarbeitsdiensts eingeführt. Damit begann die Regierung Frauen auch zum Dienst zu zwingen.
Der Aufruf im Dezember 1944 war, ähnlich wie der Aufruf zum „Volkssturm“, ein verzweifelter Versuch, das Kriegsglück noch zu wenden. Anders als dort waren die Wehrmachtshelferinnen der Wehrmacht direkt unterstellt. Diese war somit für deren Besoldung, Ausrüstung und Verpflegung zuständig. Die eingesetzten Frauen erhielten zumeist Uniformen, anders als der „Volkssturm“. Sie wurden nun vermehrt und vorrangig als Flakhelferinnen bei der Luftabwehr eingesetzt. Anfangs bedienten sie die Scheinwerfer, später besetzten sie ganze Flakpositionen. Das direkte Führungspersonal der Wehrmachtshelferinnen war ebenfalls weiblich und rekrutierte sich aus den Haupt- und Ehrenamtlichen des BDM und der NS-Frauenschaften.
Aktiv im Kampfgeschehen
Hatte man sich möglichst bemüht, durch Aufgabenzuteilung und Begrifflichkeiten wie „Helferin“, eine Trennung zwischen Soldatenberuf, Kampfgeschehen und den Frauen in der Wehrmacht einzuhalten, verschwamm diese Grenze spätestens jetzt. Flakhelferinnen griffen aktiv ins Kampfgeschehen ein. Zudem wurden sie mit Pistolen bewaffnet, um sich selbst und die Stellung auch im Nahkampf verteidigen zu können.
Auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Grenze zum Soldatentum überschritten wurde, als Teil der Wehrmacht waren Wehrmachtshelferinnen auch schon zuvor am „totalen Krieg“ und den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands beteiligt. Beispielsweise waren sie an Arisierungsmaßnahmen in besetzten Gebieten beteiligt, an der zwangsweisen Umsiedlung unerwünschter Menschen, an der Pflege und Vermittlung „rassisch wertvoller“ ukrainischer, russischer oder polnischer Kinder.
Das Projekt
Das Projekt „Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg“ stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt und präsentiert dies in einer Vitrine. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv entsteht auf diese Weise ein Blick in die Vergangenheit, der unter anderem die Alltagssituation der Menschen damals in den Blick nimmt. Die Texte sind auch auf der städtischen Website nachzulesen. Die Monatsvitrine zum Thema ist seit Freitag, 20. Dezember, im Stadtmuseum zu sehen.
Info
Das Sindelfinger Stadtmuseum im Alten Rathaus in der Langen Straße 13 hat regulär folgende Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag 15 - 18 Uhr, Sonn- und Feiertag 13 - 18 Uhr. Heiligabend 10 – 13 Uhr, 1. Weihnachtsfeiertag geschlossen, Silvester 10 – 13 Uhr, Neujahr geschlossen.

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