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Harald Kümmel will mit dem Stand-Up-Paddle Mallorca umrunden

Bei Moritz Nachbauer schaut der innere Schweinehund nur selten vorbei

Der 14-jährige Altdorfer schwamm im letzten Jahr 12 Kilometer durch den Bodensee und hat mit dem Ausdauersportler Harald Kümmel einen Mentor gefunden.

Von Thomas Holzapfel
Zwei, die sich gut verstehen: Harald Kümmel und Moritz Nachbauer bei ihrem Auftritt bei den Böblinger Sport- und Gesunndheitswochen. 	Bild: Holzapfel

Zwei, die sich gut verstehen: Harald Kümmel und Moritz Nachbauer bei ihrem Auftritt bei den Böblinger Sport- und Gesunndheitswochen. Bild: Holzapfel

Bild: Hozapfel

Extremsport. Harald Kümmel (67) und Moritz Nachbauer (14) kennen sich schon seit längerem, die sportliche Beziehung fand ihren Ursprung im Klettertraining. Im letzten Jahr wurde die Liaison gefestigt, als der junge Altdorfer als bis dato jüngster Schwimmer den Bodensee von Friedrichshafen bis nach Romanshorn in der Breite durchquerte und der erfahrene Extremsportler ihn auf dem Stand-Up-Paddle begleitete.

 In der vergangenen Woche erzählten die beiden im Rahmen der Gesundheits- und Sportwochen Böblingen/Sindelfingen von ihren Aktivitäten. Doch es war mehr als nur ein Abenteuervortrag, an vielen Stellen ging es auch um die wahren Werte des Lebens. In großen Lettern prangt die Bezeichnung „Iron Buddha“ auf der Leinwand. Ein Begriff, mit dem Extremsportler und Personal-Trainer Harald Kümmel im Rahmen seiner letzten bahnbrechenden Aktion konfrontiert wurde, als er 15 Tage lang mit dem Stand-Up-Paddle-Board 700 Kilometer auf der Elbe – von Bad Schandau bis nach Travemünde - unterwegs war.

 „Iron Buddha“, das steht für die eiserne Willenskraft, die für solch waghalsige Abenteuer erforderlich ist, aber auch für einen gewissen Grad an Ruhe und Gelassenheit, ohne die es ebenfalls nicht geht. „Diesbezüglich hat Moritz die gleichen Eigenschaften wie ich“, sagt Harald Kümmel, der sich als langjähriger Vortragsredner erstmals einen Co-Referenten an die Seite holte. „Wir wollen für unsere jeweiligen Generationen ein wenig Vorbild sein“, sagt Harald Kümmel und legt gleich den Finger in die Wunde. „Die eine Generation torkelt teilweise orientierungslos durch die Gegend, das Internet und das Vergnügen steht an oberster Stelle“, moniert er, „und meine Generation nimmt das Alter oft als Ausrede, nichts oder wenig zu tun.“

Dementsprechend misst er dem Engagement von Moritz Nachbauer größten Respekt bei, der sich ursprünglich im Rahmen eines Schulprojekts dazu entschied, den Bodensee über eine Strecke von 12 Kilometern zu durchschwimmen. Die damit einhergehende Spendenaktion brachte im Nachhinein 15 000 Euro ein zugunsten des Kinderhospiz Böblingen und die Stiftung „Hilfe für kranke Kinder“ der Uni-Kinderklinik Tübingen. Moritz Nachbauer erzählte zusammen mit seinem DLRG-Trainer Paul Hinderer von den Mühen im Training („zu Beginn schwamm ich die 240 Längen im Hallenbad“), die auch kleinere Knie- und Schulterverletzungen aufgrund von Überbelastung zur Folge hatten. Es ging um die Überwindung des inneren Schweinehundes („der erschien zum Glück nicht so oft“), aber auch um die Angst des Scheiterns. „Scheitern ist ein doofes Wort“, sagt Moritz Nachbauer, dem man mit dieser routinierten Aussage sein junges Alter nicht abnimmt, „ich nehme gerne Herausforderungen an. Entweder ich schaffe es oder ich lerne daraus.“ Sich Widrigkeiten auszusetzen, auch mal Rückschläge in Kauf zu nehmen, das sei bei heutigen Teenagern nicht mehr sonderlich ausgeprägt, erläutert Harald Kümmel.

Der 67-Jährige spricht von Rasenmäher-Eltern, die ihren Kids heutzutage alle Probleme „abmähen, bevor ein Kind im hohen Gras überhaupt ins Stolpern kommt.“ Fehlende Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit schüren zusammen mit dem zumeist negativen Informationsüberfluss aus dem Internet Ängste. „Die Jugend mit ihrem abgestürzten Immunsystem wird mit allem überfrachtet, neigt zu Hektik, pflegt oftmals Freundschaften nur noch über das Handy“, sagt Harald Kümmel. „Ich nutze die sozialen Medien nicht, damit geht es mir besser“, ergänzt Moritz Nachbauer, der aber auch zugibt, trotzdem einige Stunden am Tag ins Handy zu gucken. Die Resilienz, so sagt Kümmel, minimiert die Angst, sorgt zudem für ein gesteigertes Selbstbewusstsein. Und nicht zuletzt, so meint der Extremsportler, bedarf es zum Glücklichsein auch den Mut zum Risiko. So seien seine Touren, beispielsweise die 20-Gipfel-Solotour im Kaschmir-Gebirge, immer kalkulierbar gewesen. „Aber ein gewisses Risiko ist halt immer dabei.“ Hier helfe eine optimistische Grundhaltung, die er auch bei Moritz Nachbauer ausmache. Zudem sei es wichtig, auch mal die stillen Momente zu erkunden. In der Meditation und im Glauben finden die beiden die notwendige Stille und Gelassenheit.

Harald Kümmel plant in diesem Sommer, mit dem Stand-Up-Paddle die Baleareninsel Mallorca zu umrunden, nimmt sich für die 400 Kilometer drei Wochen Zeit. „Von der Trainingssubstanz habe ich das drauf“, sagt er, „Hauptfaktoren sind da eher Wetter, Wind und Wellen.“ Auch Moritz Nachbauer, der einen beruflichen Weg bei der Polizei einschlagen will, hat große Pläne: Im kommenden Jahr strebt er den „20 Bridges Swim“ in New York an, eine Umrundung des Stadtteils Manhattan über eine Strecke von über 40 Kilometern auf dem Hudson und dem East River. Und auch dann geht es primär um Widerstandsfähigkeit und unbändigen Willen – und nicht zuletzt erneut um den guten Zweck.