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Geigenunterricht an der Musikschule

Böblingen: Nichts ersetzt das Musizieren in der Gruppe

Auch wenn die Böblinger Geigenlehrerin Patrizia Bieber jetzt weiß, „wie man hybrid ganz tolle Projekte stemmen kann“, ist sie froh über jedes bisschen Normalität.
Von Mathangi Pirasanthan*
So unterrichtet Patrizia Bieber derzeit an der Böblinger Musikschule.Bild: z

So unterrichtet Patrizia Bieber derzeit an der Böblinger Musikschule.Bild: z

Zeitung in der Schule.

Wie geht es eigentlich den Hobbymusikern in der Pandemie? Wie sieht der Unterricht für die Schüler und Schülerinnen der Musikschule in diesen Zeiten aus? Patrizia Bieber, Geigenlehrerin in der Musikschule Böblingen, hat sich Zeit genommen und Fragen dazu beantwortet.

Noch vor einem Jahr waren Ihre Schüler nur im Online-Unterricht. Hatte dies Folgen?

Patrizia Bieber: „Ja, man hat dessen Effekte durchaus gespürt. Es gab Schüler, die an der neuen Situation und den damit verbundenen Herausforderungen sehr gewachsen sind. Dadurch, dass sie plötzlich sehr viel mehr Selbstverantwortung hatten und sich selbst organisieren mussten, sind einige viel eigenständiger und reflektierter mit sich und im Umgang mit dem eigenen Instrument geworden. Andere dagegen schienen mit der Situation eher überfordert zu sein und haben sich schwer damit getan, eigene Routinen daheim zu entwickeln.“

Haben die Schüler trotz der schweren Zeit einen Fortschritt erzielt?

Patrizia Bieber: „Entsprechend teilweise höheren Selbstständigkeit haben diese Schüler auch große Fortschritte am Instrument gemacht, obwohl wir uns nicht in Präsenz zum Unterricht gesehen haben. Zur Motivation haben auch Online-Vorspiele beigetragen, die immer wieder stattgefunden haben. Die Schüler, die in der Situation jedoch nicht gut alleine zurechtkamen, sind leider auch musikalisch wenig weitergekommen und haben sich teilweise dann sogar vom Unterricht abgemeldet.

Das war sehr schade, weil wir als Lehrkräfte in diesen Fällen alles dafür getan haben, die Schüler zu unterstützen. Aber manches ging über die Distanz hinweg einfach nicht – da waren einem dann online die Hände gebunden.“

Jetzt unterrichtet die Musikschule in Präsenz, jedoch mit Einschränkungen, wie zum Beispiel dem Mindestabstand. Wie stehen Sie dazu?

Patrizia Bieber: „Mir ist es wichtig, trotz allem, was uns momentan belastet und einschränkt, optimistisch zu bleiben und diese Haltung auch zu vermitteln. Ich glaube, dass das ein ganz großer Faktor ist, um motiviert und fröhlich bei der Sache zu bleiben. Wir sollten immer das Beste aus jeder Situation machen und uns nicht den Kopf über Dinge zerbrechen, die wir letztendlich so akzeptieren sollten, wie sie sind. Natürlich ist es nicht angenehm, den ganzen Tag mit Maske zu unterrichten, beim ständigen Lüften im Unterrichtsraum zu frieren oder kleinen Kindern nicht mal eben die richtige Bogenhaltung beim Geigen zeigen zu können, weil der Abstand eingehalten werden muss. Aber dann freut man sich stattdessen eben daran, endlich mal wieder gemeinsam musizieren zu können, und plant kleine Projekte, die trotz Einschränkungen möglich sind. Dazu braucht es ein bisschen Kreativität und Erfindungsreichtum, aber daran hat es uns an der Musikschule Böblingen nicht gemangelt. In diesem Zusammenhang bin ich unserer Schulleitung auch sehr dankbar, die vieles möglich gemacht und unterstützt hat, soweit es irgendwie ging.“

Gab es auch Vorteile der Situation?

Patrizia Bieber: „Klar, lassen sich aus allen Situationen irgendwelche Vorteile und wertvolle Erfahrungen gewinnen, die man nicht missen will und die uns sicherlich auch weiterbringen.

So haben wir in Sachen Digitalisierung einen unglaublichen Sprung nach vorne gemacht, mussten viele pädagogische Konzepte neu überdenken und wissen jetzt, wie man hybrid ganz tolle Projekte und Konzerte stemmen kann. Dennoch muss ich sagen, dass nichts den Präsenzunterricht und das Musizieren in der Gruppe ersetzen kann. Kunst und Musik leben einfach vom direkten Austausch, der emotionalen nonverbalen Kommunikation und dem Live-Erlebnis – und das kann man online so einfach nicht erfahrbar machen.“

Die Infektionszahlen steigen wieder. Ob uns ein weiterer Lockdown bevorsteht, weiß keiner. Würden Sie noch einen weiteren Lockdown mit Online-Unterricht überleben?

Patrizia Bieber: „Überleben würden wir es sicherlich alle, aber guttäte es uns ganz bestimmt nicht. Ich mache mir wirklich Sorgen um die langfristigen psychischen Folgen, die unsere Gesellschaft aus dieser Corona-Geschichte mitnimmt.“

→ *Mathangi Pirasanthan nimmt im Lise-Meitner-Gymnasium in Böblingen mit der Jahrgangsstufe 1 mit der SZ/BZ am Projekt „Zeitung in der Schule“ teil.