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SZ/BZ-Podcast „Damals – Geschichten und Geschichten aus dem Landkreis Böblingen“:

„Der schönste Flughafen Deutschlands“

Der Landesflughafen in Böblingen – das Tor zur Welt in Württemberg und wie es dazu kam.
Von Hansjörg Jung und Hans-Jörg Zürn

**Böblingen.**Flieger, Flugzeuge und ein Flughafen stehen im Mittelpunkt des SZ/BZ-Podcasts „Damals – Geschichte und Geschichten aus dem Landkreis Böblingen“. Gesprächspartner ist der Böblinger Hans-Jürgen Sostmann. Der ehemalige Mitarbeiter der Stadtarchivs ist nicht nur leidenschaftlicher Hobby-Stadthistoriker, sondern auch Mitbegründer der Arbeitsgruppe „Böblinger Flughafengeschichte(n).

Wie ist das beschauliche Oberamtsstädtchen Böblingen zu seinem Flughafen gekommen?

Hans-Jürgen Sostmann: „Das hing mit dem ersten Weltkrieg zusammen. Das Kaiserreich hatte festgestellt, dass die Feinde alle Flugzeuge hatten - sie selbst aber keines. Darüber hinaus hatte man festgestellt, dass man mit Flugzeugen einiges anfangen kann. Doch dazu brauchte man Flugplätze.“

Und so kam Böblingen ins Spiel?

Hans-Jürgen Sostmann: „Zunächst wurde ein preußischer Offizier nach Bayern gesandt, um wegen Flugplätzen Verhandlungen aufzunehmen. Der wurde aber von den Bayern gleich wieder zurückgeschickt: Mit einem Preußen unterhalten wir uns nicht. Danach wurden die Militärs vorsichtiger und haben einen schwäbischen Offizier nach Stuttgart geschickt. So kam er auch nach Böblingen auf dieses wunderschöne Gelände. Es war Sommer, es war schön warm und er war gleich begeistert.. Er hat gleich mit Bürgermeister Georg Kraut Verbindung aufgenommen. Die Böblinger waren auch gleich interessiert. So hat er sich mit Kriegsminister Marchtaler n Verbindung gesetzt: ,Jawoll, dieser Standort ist der richtige'. Nachdem die Kaserne eingerichtet war, stellte sich in einer Regenperiode heraus, dass der Flugplatz ein Sumpfgelände war."

Damit hatten die Militärs wohl nicht gerechnet?

Hans-Jürgen Sostmann: „Natürlich nicht und die Böblinger hatten es wohl verschwiegen. Die Bevölkerung wusste ja, dass das ganze Gelände feucht war. Dann wurde das Gelände entwässert. Dabei kam zunächst die Firma Baresel für die Drainagearbeiten ins Spiel und später auch französische und italienische Kriegsgefangene, die nach Böblingen kamen."

Als dann mit dem Militärflughafen 3000 Soldaten in einer Stadt mit 6000 Einwohnern stationiert waren, hatte dies nicht großen Einfluss auf das gesellschaftliche in der Stadt?

Hans-Jürgen Sostmann: „Auf alle Fälle. Es begann ja schon damit, dass es keine Unterkünfte gab. Alle Fabrikgebäude oder auch Säle wurden konfisziert, damit genügen Unterkünfte zur Verfügung standen. Im Schönbuchsaal beispielsweise, konnte nichts mehr stattfinden, weil Fliegersoldaten einquartiert waren. Die Firma Möbel Renz, aber auch die Firma Hoch oder die Hautana wurden belegt, um die Soldaten unterzubringen. Dann wurden Baracken gebaut, in Holz - doch dies war auch eine Fehlinvestition, weil man festgestellt hatte: Überall zieht es herein. Darauf wurden in der Ensinger Straße Kasernen gebaut. Die wurden allerdings erst 1918 fertiggestellt."

1918 fertiggestellt und 1919 wegen des Versailler-Vertrags schon wieder aufgegeben...

Hans-Jürgen Sostmann:„Eben. Die neuen Kasernen wurden mehr oder weniger von Böblingen übernommen, um Notwohnungen darin einzurichten."

Dies war aber nicht das Ende der Fliegerei in Böblingen?

Hans-Jürgen Sostmann: „Nein, natürlich nicht. Ich würde sagen, dabei hat vor allem der Flugpionier Hellmut Hirth eine große Rolle gespielt, weil er schon immer gesagt hat, das muss erhalten bleiben. Denn Fliegen ist die Zukunft, sowohl für die Post als auch für den zivilen Transport. So ging das Ministerium rund um Stuttgart wieder auf Standortsuche und so kam man wieder auf Böblingen, weil es hier ja bereits Einrichtungen gab. Dazu wurde 1924 in Böblingen die erste deutsche Flugschule eingerichtet.“

Und wann kann der Landesflughafen?

Hans-Jürgen Sostmann: „1925. Es gab aber keine betonierte Startbahn, wie man es heute kennt. Das war ja alles Grasnarbe. Die musste immer wieder gemäht werden. Dazu hatte man die großen Schäfereien in Böblingen, Haug und Essig, beauftragt. Der Flughafen wurde immer mehr ausgebaut. Böblingen zählte am Ende zu den fünf größten deutschen Flughäfen. Und es soll auch der schönste Flughafen in Deutschland gewesen sein.“

Was ist davon denn heute noch zu sehen?

Hans-Jürgen Sostmann: „Da ist zum einen das erste Abfertigungsgebäude, die Blockhütte. Dort ist nach der Renovierung heute eine Gaststätte. 1928, als das Häuschen zu klein wurde, baute man das neue Flughafengebäude, das 1931 aufgestockt wurde. Dort und im ehemaligen Tower ist heute ein Hotel untergebracht. Im Tower arbeitete übrigens ein Mann aus Sindelfingen, ein Herr Dinkelacker, der lange Jahre die Wetterwartebetreute.“

Wie war es denn, damals zu fliegen?

Hans-Jürgen Sostmann: „Diese Flugzeuge, wenn man sie heute sieht, ich weiß nicht, ob ich da selbst mit eingestiegen wäre. Und es war ja so, dass im Winter der Flugbetrieb eingestellt werden musste, weil die Flugzeuge keine Heizung hatten. Auf alle fälle war es auch sehr, sehr laut darin."

Ab und an gab es ja auch besondere Ereignisse auf dem Flughafen.

Hans-Jürgen Sostmann: „Ja, 1929 und 1931 war der Zeppelin da. Das war natürlich die Sensation und in ganz Deutschland bekannt. Die Reichsbahn hatte Sonderzüge eingesetzt . Da waren jedes mal über 100 000 Leute da. Und über all for, wo man der Flugplatz sehen konnte – auf dem Goldberg, auf dem Galgenberg – haben sich die Leute das Spektakel angeschaut."

Wie die Post von Böblingen nach Südamerika kam, warum Hanns Klemm aus der Fliegerstadt Böblingen nicht wegzudenken ist oder auch was es sich mit dem „Böblinger Auto“ auf sich hat, das und noch viel mehr zum ehemaligen Flughafen in Böblingen können Sie unter podcastbb.de hören.