

„Schon mein Vater war begeisterter Musiker, allerdings nur auf Hobby-Basis“, erzählt Joachim Nägele, „aber bestimmt wäre er gern Berufsmusiker geworden.“ Daher habe er es bestimmt gern gesehen, dass sein Lebenstraum vom Sohn verwirklicht worden ist. Bereits mit 14 Jahren war der ins Landesblasorchester aufgenommen worden, als jüngstes Mitglied, nachdem er bei „Jugend musiziert“ gewonnen hatte.
Die Trompete war sein Instrument. An der Böblinger Stadtmusikschule habe sein Lehrer Toni Graf ihn immer ermuntert: „Das musst Du unbedingt machen.“ Aber Joachim Nägeles Liebe galt zu diesem Zeitpunkt dem Fußball. Bei der SV Böblingen habe er gekickt und es bis in die württembergische Auswahl geschafft, ehe sein Vater für ihn entschieden habe und den kleinen Joachim vom Fußball abmeldete. Nägele: „Ich haben dann aus Protest einige Zeit nicht mehr Trompete geübt.“
Aber lange hat der Boykott nicht gehalten, schon mit 18 habe er sein erstes Orchester dirigiert. Und ist dann selbst in ein großes Orchester gekommen. Seinen Wehrdienst hat er im Heeresmusikkorps 9 absolviert, als Wehrpflichtiger unter lauter Berufssoldaten.
Nach der Bundeswehr folgte das Musikstudium. Heute ist Nägele Chef der Stadtkapelle Holzgerlingen mit 49 Musikern, der Jugendkapelle „Fetzige Noten“ (19 Musiker) und der Kindercombo „Die Newcomer“ (12 Musiker). Im Stadtorchester spielt übrigens heute noch sein Vater das Flügelhorn – mit 80 Jahren. Außerdem dirigiert Nägele noch den Musikverein Weitingen (Stadtteil von Eutingen) und das dortige Jugendorchester. Darüber hinaus ist er stellvertretender Dirigent des Musikverbandes Freudenstadt. Er gibt Musikstunden an der Otto-Rommel-Realschule in Holzgerlingen, dort hat er sogar als regulärer Musiklehrer gearbeitet in Vertretung eines Lehrerkollegen. „Morgens Schule, nachmittags Einzelunterricht und abends Orchesterprobe, das war schon heftig. Aber ich habe das nie als Arbeit empfunden, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Gibt es einen Unterschied zwischen den Orchestern? „Na klar,“ lacht er, „Holzgerlinger sind Städter, die Weitinger kommen aus dem Gäu.“ Natürlich gebe es dort auch gute Musiker, aber eben nicht so viele sehr gute, wie in Holzgerlingen. Dem könne man aber leicht Rechnung tragen. Man spiele halt einfachere Literatur, die aber sehr gut. Das Repertoire sei breit gefächert. Viele glaubten, Blasmusik sei Umtata fürs Bierzelt. Natürlich würden Polka und Marsch gespielt, aber auch Jazz, Pop, Klassik oder Musicals.
Beim Stadtorchester sei die Auswahl dem Musikausschuss vorbehalten, in dem er nur ein Mitglied von Fünfen sei. Da gehe es sehr demokratisch zu und das erleichtere ihm sogar die Arbeit.
Mehr Sorgen bereite es ihm, dass immer weniger Kinder in die Orchester fänden. Es gäbe viele Kinder, die vieles tun würden, das Angebot sei einfach riesig. Sich auf ein Instrument zu konzentrieren, wie er damals auf die Trompete, würde heute nur noch selten vorkommen. Im Gegenteil: Immer dann, wenn es schwieriger würde, wenn Durchhaltevermögen gezeigt werden müsse, würden viele Kinder wegbleiben. Allerdings sei der Druck heutzutage auch hoch.
Für Andere ist er gerne da, doch was tut er für sich? Zunächst einmal sei da sein Sohn Tim, der mit sechs Jahren schon klar vor Augen hat, dass er Schlagzeuger werden will. Die Dienstagabende gehören der Freiwilligen Feuerwehr in Böblingen, wo er Hauptlöschmeister ist. Und wenn er sich wirklich mal um sich selbst kümmern kann, widmet er sich seiner körperlichen Fitness. „Die Fußballzeiten sind lang vorbei, da kommt schon das ein oder andere Pfund auf die Rippen“, lacht er verschmitzt. Also geht er dann mal ins Fitnessstudio. Oder er gibt sich der Wellness hin, gerne in einer Sauna.
Aber zwei kleine Eigenheiten, die leistet er sich noch, die man von einem Dirigenten nicht unbedingt erwarten würde: Seine Liebe zur Musik bezeugt er durch einen Notenschlüssel, den er sich auf den rechten Unterschenkel tätowieren lies.
Info
Was wäre ein Vereinspräsident ohne seinen Kassenwart, ein Dirigent ohne seinen Notenwart, ein Rektor ohne seinen Hausmeister? Ohne die Helfer im Hintergrund würde vieles unrund laufen. Die SZ/BZ stellt immer donnerstags die Serie „Gesichter des Schönbuchs“ vor. In der kommenden Woche stellen wir Tanja Kuttner aus Breitenstein vor. Um keine Folge der Serie zu verpassen, bietet sich ein Abo bei der SZ/BZ an. Da gibt es beispielsweise die Möglichkeit die Zeitung donnerstags, freitags und samstags zu bestellen. Weitere Infos unter www.abo.szbz.de im Internet.
Ein Leben für die Musik: der Holzgerlinger Joachim Nägele leitet mehrere Orchester und hat dafür einst auch als Jugendlicher den Fußball bei der SV Böblingen aufgegeben. Bild: Müller