Großbrand zerstört Baustoffhandel
Ein Feuer mit gewaltigen Ausmaßen sorgte am gestrigen Freitagabend für einen Großeinsatz der Rettungskräfte: 180 Feuerwehleite bekämpften einen Großbrand in der Baustoffhandlung Kemmler in der Kalkofenstraße. Verletzt wurde ersten Angaben der Feuerwehr und der Polizei zufolge niemand. Über die Brandursache kann bisher nur spekuliert werden. Eine dicke Rauchwolke zog allerdings über das gesamte Obere Gäu.
Dietmar Denner
und Jochen Stumpf
Marco Ballestrin entdeckte um 17.30 Uhr die Flammen, die sich bereits durch ein Hochregal im Außenbereich des Baustoffhandels ihren Weg himmelwärts fraßen. Doch da war schon alles zu spät. „Ich konnte nicht näher rangehen“, sagte der Geschäftsführer der Herrenberger Kemmler-Filiale, der sich noch mit einem Feuerlöscher bewaffnet hatte. „Das hat sich schlagartig im Regal in die Höhe entwickelt. Hinzu kamen der Wind und der Funkenflug.“ Das Feuer griff auf das Gebäude über. Ballestrin blieb nicht anderes, als die Feuerwehr zu alarmieren.
Einsatzkräfte aus der ganzen
Region vor Ort
Währenddessen begann der Niederlassungsleiter die Evakuierung und brachte die sechs noch im Hauptgebäude verbliebenen Mitarbeiter in Sicherheit. Kemmler beschäftigt in Herrenberg insgesamt 33 Personen. Laut Ballestrin befand sich in dem Hochregal Kommissionsware der Kunden – ein breiter Mix aus Werkstoffen und Materialien, die auf Paletten gelagert wurden. Bitumen, Kunststoffe, die Flachdachisolierung des Gebäudes und PVC-Rohre färbten den aufsteigenden Rauch sehr schnell tiefschwarz. „Das war natürlich alles wegen der Hitze richtig trocken“, sagte Ballestrin. Maschinen oder Stromleitungen befanden sich seinen Angaben zufolge nicht in der Nähe des Feuerherds.
Nachdem bei der Feuerwehr Herrenberg der erste Alarm eingegangen war, rückten aus der Kernstadt, Affstätt und Kuppingen die ersten Einheiten in die Kalkofenstraße aus, um bereits gegen 17.50 Uhr Vollalarm für die Gesamtfeuerwehr auszulösen. „Wir haben schnell gesehen, dass das was Größeres ist“, sagte am Abend Holger Nüßle, stellvertretender Kommandant der Abteilung Oberjesingen. Nüßle, Matthias Draeger von der Feuerwehr Nufringen, und Marcel Schmid aus Sindelfingen bildeten ein Presseteam und hielten die Medienvertreter während des Einsatzes auf dem Laufenden.
Nicht nur der Kemmler-Komplex wurde schnell geräumt. Auch im benachbarten Aldi-Markt setzte man auf Nummer sicher und evakuierte die Filiale. Ebenso weitere Gebäude in der Kalkofenstraße wie das Atlantis von Roman Klis, der beobachten konnte, wie sich das Feuer auf dem benachbarten Firmengelände ausbreiten und seine zerstörerische Wirkung entfalten konnte. Wie Holger Nüßle betonte, bestand aber keine Gefahr für die umliegende Bebauung. Roman Klis zeigte sich tief beeindruckt von der gefährlichen Arbeit der Feuerwehrleute: „Das sind echt Helden.“
Schon kurze Zeit nach der ersten Alarmierung waren mehrere Feuerwehren vor Ort: Verstärkung erhielt Herrenberg aus Nagold, Nufringen, Jettingen und Sindelfingen. Die Feuerwehren aus Bondorf, Böblingen und Gäufelden standen bereit, um im Ernstfall zu anderen Bränden ausrücken zu können. Insgesamt 180 Feuerwehrmänner, 31 Helfer des DRK, 25 Polizisten und drei Mitglieder des Technischen Hilfswerks waren gestern Abend im Einsatz.
„Das große Problem ist die Hitze“, betonte Holger Nüßle. Hitze in erster Line am Brandobjekt, aber auch angesichts der hochsommerlichen Temperaturen von mehr als 30 Grad. Aus diesem Grund mussten die Einsatzkräfte, die in voller Montur und mit Atemschutzgeräten ausgerüstet waren, die die einzelnen Löschangriffe nach jeweils 15 bis 20 Minuten beenden: „Das ist unglaublich, was die aushalten und leisten müssen“, sagte Nüßle.
Sorge bereitete der Feuerwehr zunächst die Wasserversorgung: „Das Wasser könnte knapp werden“, meinte Nüßle, nachdem einige Hydranten in der näheren Umgebung schon nach kurzer Zeit an ihrer Leistungsgrenze angelangt waren. Kurze zeit später aber gab er Entwarnung – mit Schläuchen wurde auch aus der weiteren Entfernung Wasser in die Kalkofenstraße gepumpt, um eine „stabile Wasserversorgung“ (Nüßle) sicherzustellen. Zu Spitzenzeiten schossen 6 000 Liter Wasser pro Minute auf die Flammen.
Löscharbeiten
dauern bis in die Nacht hinein
Die Feuerwehr versuchte, dem Feuer auf dem Kemmler-Gelände von drei Seiten aus zu Leibe zu rücken. Zum Einsatz kamen dabei auch die Drehleitern aus Herrenberg und Nagold. Allerdings bereitete es der Feuerwehr Schwierigkeiten, in das Innere des Gebäudes vorzudringen, um die zahlreichen Brandherde auszumerzen. Denn noch Stunden nach der ersten Alarmierung loderten vor allem im Obergeschoss die Flammen. Nahrung bekam das Feuer genug: „Kunststoffe, Holz, Baumaterialien – da kommt genug zusammen“, betonte Nüßle. Aus diesem Grund entwickelte sich auch die dunkle Rauchwolke, die nicht nur kilometerweit zu sehen war, sondern durch den Wind angetrieben über das Obere Gäu zog. Eine Gefahr für die Bevölkerung, so ließ das Presseteam wissen, bestand ihren Informationen zufolge aber nicht. Messfahrzeuge der Feuerwehren Herrenberg und Sindelfingen untersuchten auch außerhalb der Stadt stichprobenartig die Luft. Allerdings schreckten einige Detonationen vor allem die vielen Schaulustigen auf – ausgelöst wurden sie vermutlich durch Gasflaschen, die ebenfalls auf dem Gelände lagerten.
Die Löscharbeiten dauerten bis in die Nacht hinein an. Um dem Feuer besser Herr zu werden, forderte die Einsatzleitung einen Bagger an, der letztendlich die Außenwände des Kemmler-Gebäudes einriss. „Wir sind da sicherlich auch noch am Samstag im Einsatz, um letzte Glutnester zu löschen“, sagte Marcel Schmid am späten Abend.
Die Brandursache blieb gestern ungeklärt, eine etwaige Verbindung zum Stromausausfall in Herrenberg am Nachmittag gibt es nicht hin. Für Ballestrin war es am Abend unmöglich, die Schadenshöhe abzuschätzen. „Ich bin nur froh, dass alles gut abgelaufen ist und niemand verletzt wurde.“
Betroffen von dem Feuer war auch schnell die nahe Bahnlinie. Die Deutsche Bahn stellte den Zugverkehr aus Sicherheitsgründen ein. Zum einen sorgte der Funkenflug entlang des Bahndammes für kleinere Brände der Grasnarbe, wie Yvonne Schilling, Einsatzleiterin der Bundespolizei, berichtete: „Die Brände hatte die Feuerwehr aber schnell im Griff.“ Zudem wurden Schläuche von der Bahnhofstraße in die Kalkofenstraße gelegt. „Sie führten über die Gleise und durch die Unterführung“, sagte Daniel Schmitt, Notfallmanager der Deutschen Bahn. Deshalb wurden der Bahnhof und die Unterführung gesperrt. „Die Zeit müssen wir der Feuerwehr für die Löscharbeiten geben“, erklärte Schmitt, auch wenn der Totalausfall des Schienenverkehrs die Reisenden vor Probleme stellte. „Es wird noch eine Weile brauchen, bis die Züge fahren. Und dann erst mit Sicherheitsmaßnahmen. Die ersten Züge fahren nur auf Befehl“, kündigte der Notfallmanager der Bahn an.
Schmitt lobte die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und deren Einsatzleiter Jürgen Vogt, Kommandant der Herrenberger Feuerwehr. Schmitt hatte das Drohnenflugteam des Landkreises Böblingen angefordert, das die Bahnstrecke abflog, um durch diese Überwachung aus der Luft weitere Feuer und Gefahren ausschließen zu können.
Vor Ort informierten sich gestern Abend sowohl Herrenbergs Oberbürgermeister Thomas Sprißler als auch Vize-Landrat Martin Wuttke. Auch der Nufringer Rathaus-Chef Ingolf Welte stand der Feuerwehr seiner Gemeinde bei ihrem Hilfseinsatz bei.