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Psychologie

Kreis Böblingen: „Alleine könnte ich nicht leben, das wäre mein Untergang“

Aus dem Alltag vom Begleiteten Wohnen in Gastfamilien, die die Evangelische Gesellschaft im Kreis Böblingen unterhält.

Von Peter Maier
Auch in der Gastfamilie ist manchmal das Gespräch zu zweit genau das Richtige.

Auch in der Gastfamilie ist manchmal das Gespräch zu zweit genau das Richtige.

Bild: Serhii/ Adobe Stock

Kreis Böblingen. Kann man sagen, dass man einsam ist ohne dass soziale Kompetenzen abgesprochen werden? Diese Bedenken begegnen den Helfern immer wieder in der Alltagsbegleitung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung.

Frau Krehls Leben verlief nach außen völlig normal bis sie circa Mitte 40 war. Sie hatte einen Beruf erlernt und einen Job, der ihr Spaß machte. Mit dem Tod der Eltern brach das Leben plötzlich zusammen. Bilder der Vergangenheit holten sie ein. Vieles hatte sie verdrängt. Tiefe Trauer und Einsamkeit führten sie in die Depression und immer wieder in die Klinik. Nach einem Suizidversuch entstand der Gedanke nicht mehr allein leben zu wollen und die Idee, ein Leben in einer Gastfamilie könnte eine mögliche Lösung sein.

Gemeinsame Mahlzeiten

So zog Frau Krehl in eine Gastfamilie. Mittelpunkt im Haus der Familie ist die große, offene Wohnküche. Hier am Tisch trifft man sich zu gemeinsamen Mahlzeiten oder zu einem Austausch bei einer Tasse Kaffee. Es gibt auch Raum für Gespräche, um Probleme und Schwierigkeiten zu thematisieren. „Alleine könnte ich nicht leben, das wäre mein Untergang“, sagt Frau Krehl, die sich inzwischen in der Familie sehr wohl fühlt.

Ihr Zimmer hat sie sehr liebevoll eingerichtet und gestaltet. Dort ist ihr ganz eigenes Reich. Hier findet sie für sich einen Rückzugsort. Besonders schön findet Frau Krehl die gemeinsamen Spaziergänge mit der Hündin Lola. An der frischen Luft zu sein bei jedem Wetter tut allen gut.

Zeiten der Einsamkeit

Das findet auch die Gastfamilie. Auch sie freuen sich Frau Krehl im Haus zu haben. Das Leben ist bunter geworden. Die Tochter der Gastfamilie liebt die Bastelarbeiten mit Frau Krehl, da ihre Familie dazu oft keine Zeit hat. Im Moment könnte sich Frau Krehl nicht vorstellen irgendwo anders zu sein. Und dennoch gibt es da die Zeiten der Einsamkeit und den Rückzug ins eigene Zimmer.

An manchen Tagen gelingt es Frau Krehl nur schwer Anschluss an die Familie zu finden. Sie kann dann Gesprächsangebote nicht wahrnehmen und zieht sich zurück. In diesen Zeiten ist das Gefühl der Einsamkeit besonders groß. Sie fühlt sich dann nirgendwo so richtig zugehörig und das tut weh.

Entscheidung nicht bereut

Die eigenen Geschwister und die Herkunftsfamilie haben wenig Verständnis für ihre psychische Erkrankung. Bei fremden Menschen ein Zuhause gefunden zu haben ist dann nur ein Trostpflaster. Trotzdem hat sie die Entscheidung, in dieser Familie zu leben, nicht bereut. Frau Krehl weiß, dass es jederzeit ein Angebot zum Kontakt in der Gastfamilie gibt. Und wenn sie dieses nicht annehmen kann, ist da auch noch Lola, die Hündin.

Betreuung und Unterstützung erfahren die Familien durch die speziell für die Begleitung und Beratung von Gastfamilien zuständigen Mitarbeiterinnen der Evangelischen Gesellschaft. Die Familien erhalten für ihren Aufwand für Wohnen, Versorgung und Betreuung einen Ausgleich.

Wer sich für diese Maßnahme interessiert oder eine Gastfamilie werden will, darf gerne Kontakt aufnehmen.

Kontakt

Evangelische Gesellschaft Stuttgart, Gemeindepsychiatrisches Zentrum Möhringen, Begleitetes Wohnen in Familien, Telefon 0711 / 99 76 08 90 oder Mail an bwf@eva-stuttgart.de.

Hintergrund

Die Evangelische Gesellschaft Stuttgart hat im Landkreis Böblingen 10 Plätze für das Begleitete Wohnen in Familien (BWF). Da man ein großes Angebot an Familien benötigt um einen „Match“ zu finden, sind sie immer auf der Suche nach Gastfamilien. Das Beispiel von Frau Krehl soll beispielhaft das Leben in einer Gastfamilie beschreiben. Der Artikel stammt von der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart.