

Kreis Böblingen. Der Konflikt im Gazastreifen entfacht teils heftige und erbitterte Diskussionen und Kontroversen, in der großen Politik ebenso wie im kleinen Kreis. Und in den sozialen Medien. Ein 35-Jähriger musste sich nun vor dem Böblinger Amtsgericht verantworten, weil er auf der Plattform TikTok ein Video mit einem „Hasskommentar“ versehen hatte, um damit auf die Vorkommnisse in Gaza zu reagieren, wie er einräumte. Im Video waren Bilder aus dem Konzentrationslager Auschwitz zu sehen.
„Es wird wieder Zeit für eine zweite Runde, die Jahudis nehmen sich zu viel raus“, schrieb der 35-Jährige unter dem Video. „Jahudi“ ist die arabische Bezeichnung für einen Juden. Der Angeklagte habe damit gebilligt, dass Personen jüdischen Glaubens massenhaft ermordet wurden, und habe den öffentlichen Frieden gestört und sich der Volksverhetzung schuldig gemacht, hielt ihm die Staatsanwältin vor.
Der Angeklagte übernahm die Verantwortung für diesen Eintrag, obwohl er sich daran nicht mehr erinnern könne, wie er vor Gericht bekundete – der Vorfall trug sich bereits im Dezember 2022 zu. Der 35-Jährige beteuerte, nicht antisemitisch gesonnen zu sein und nicht den Holocaust zu leugnen. Andererseits bezeichnet er die Vorwürfe als „lächerlich“. Was das Strafmaß betrifft, bat er um Gnade, weil er nach der Insolvenz seines Arbeitgebers derzeit arbeitslos sei und noch Bafög-Gelder für seinen Meisterbrief (Industriemeister) zurückzahlen müsse. Nachdem er viele Jahre lang „der Straße verfallen“ sei, wie es der 35-Jährige ausdrückte, wolle er nun „Schritt für Schritt“ vorankommen.
Die Faktenlage war insofern unstrittig. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob für den Angeklagten nochmals eine Bewährungsstrafe in Betracht kommt, obwohl im Bundeszentralregister bereits zehn Voreintragungen wegen Körperverletzung, Nötigung, Raub, Beleidigung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vermerkt sind. Zweimal wurde er deswegen schon zu Freiheitsstrafen verurteilt. „Sie hatten Glück, dass Ihnen die Bewährung im Mai 2022 erlassen wurde“, sagte Richterin Fiona Schweikl.
Für den nun angeklagten Sachverhalt forderte die Staatsanwältin eine Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung. Sie erkannte im Verhalten des Angeklagten eine „hohe Rückfallgeschwindigkeit und eine gewisse Bagatellisierung“. „Sie hatten zweimal Gelegenheit zur Bewährung und sind zweimal rückfällig geworden. Sie machen genau dasselbe wieder mit einer Tat, die ich nicht bagatellisieren kann“, hielt die Staatsanwältin ihm vor.
Richterin Fiona Schweikl beließ es im Urteil bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, sodass dem Angeklagten eine neuerliche Haftstrafe vorerst erspart bleibt. „Man kann es gerade noch zur Bewährung aussetzen“, bewertete die Richterin den Sachverhalt, ließ aber Zweifel anklingen, ob es dem 35-Jährigen gelingt, während der auf drei Jahre angesetzten Bewährungszeit straffrei zu bleiben.
Denn als die Richterin das Urteil verkündete und begründete, setzte der Angeklagte sein ambivalentes Verhalten fort, fiel der Richterin unwirsch ins Wort und bezeichnete das Verfahren und die Vorwürfe erneut als „lächerlich“. Als Bewährungsauflage muss der 35-Jährige 3000 Euro an einen Opfer-Entschädigungsfonds bezahlen.