

Maichingen. Zum 16. Mal lockte der von Walter Arnold, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins, organisierte Maichinger Rosstag. Bei besten Wetterbedingungen herrschte Volksfeststimmung. Auf und an den Straßen sammelten sich Tausende auf zwei und vier Beinen. Mit 83 Gruppen aus halb Baden-Württemberg und über hundert teilnehmenden Pferden zählte dieser Rosstag zu den größeren in seiner 34-jährigen Geschichte.
Schon beim ersten Umzug 1990 dabei war Erwin Kopp. Diesmal ritt der Kuppinger wieder mit in seiner blauen Dragoneruniform auf dem Trakehner Amigo. Zusammen sind beide 112 Jahre alt, das Pferd 28, Erwin Kopp mittlerweile 84 und damit ältester Reiter im Umzug. Flankiert wird er von der als Burgfräulein kostümierten Christina Schmid auf ihrem Holsteiner-Schimmel Jahrgang 2020, der in Erinnerung an sein Geburtsjahr zum Corona-Ausbruch auf den Namen Covid hört.
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Mit Christina Schmids Tochter Laura folgt im Umzug dem Burgfräulein-Dragonerpaar ein weiterer Extremwert unmittelbar: Mit ihren 8 Jahren ist Laura Schmid die Jüngste unter den Gespann-Lenkern beim Umzug. Zwei Mal die Woche hat sie für den Auftritt beim Umzug mit ihrem Einspänner trainiert, ihr Shetland-Pony aber bringt auch reichlich Erfahrung mit. Es ist schon jenseits der 30.
Etwas später kommt der einsame Spitzenreiter angetrottet: 10 Schwarzwälder Kaltblüter hat Roland Bäuerle aus Neuler auf der Ostalb vor seinen Wagen gespannt. Den Zehnspänner, bei dem die vordersten 4 Pferde aus dem Stall von Andrea Hahn stammen, lenkt er mit 5 Zügeln. Aber das soll noch nicht das Ende der Fahnenstange sein, erzählt Roland Bäuerle vor dem Umzugsstart. Demnächst soll der Zehn- zu einem Zwölfspänner aufgestockt werden.
Eine Rarität ganz anderer Art führt den von Klaus Tritschler gelenkten Vierspänner an. Seine beiden Führungspferde sind die Schwarzwaldmädchen Fila und Fiola, die indes zumindest farblich aus der Rasse schlagen. Denn üblicherweise seien Schwarzwälder Füchse, erklärt Rosstag-Organisator Walter Arnold von seinem Moderatorenstand vor der Laurentiuskirche dem ums Bürgerhaus herum sich ballenden Publikum. Fuchs, das heißt im Pferdefall rötliches Fell und helle Mähne. Doch die beiden Schwestern Fila und Fiola sind Schimmel. „Davon gibt es weltweit nur 3 Stück“, erklärt Gespann-Lenker Klaus Tritschler während der Umzugsvorbereitung im Industriegebiet zu seinem extremst seltenen Pferdeschlag.
Die beiden Raritätenschimmel haben wohl den weitesten Anreiseweg zum Rosstag: Besitzer Karlheinz Reichmann wohnt im Süden in Bierbronnen an der Grenze zur Schweiz. Mit am nächsten haben es dagegen die Gruppen des Maichinger Reit- und Fahrvereins oder die Maichinger Musikkapelle, die dirigiert von Reinhard Steiner als eine von drei Musikkapellen im Umzug mitmarschiert. Die beinahe-Nachbarschaft nutzen derweil Anja und Bernd Widmaier und Günter Albrecht: Sie können auf Pferdetransporter verzichten und kommen hoch zu Kutschbock aus Renningen direkt mit ihren Zweispännern.
Das wäre bei Peter Müller aus Alfdorf im Welzheimer Wald kaum machbar, der mit dem größten Gespannaufgebot nach Maichingen anreist. 2 Vier- und 3 Zweispänner schickt er auf den 1,5 Kilometer langen Zug vom Industriegebiet zum Bürgerhaus und zurück. Seine 4 Schwarzwälder, 6 Percherons und 4 süddeutschen Kaltblüter nebst 14 Helfern sind mit Lkw und 5 Anhängern gekommen.
Um alles rechtzeitig zu schaffen inklusive Pferde waschen hieß es um 3 Uhr morgens aufstehen, die heiße Vorbereitungsphase lief aber schon tags zuvor mit Geschirr herrichten. „Das ist ein großer Umzug, bei dem vor allem viele Pferde dabei sind“, attestiert Peter Müller dem Maichinger Rosstag besondere Klasse: Bei anderen Umzügen würde viel mehr mit anderen Gruppen und Traktoren aufgefüllt. Dabei weiß Müller, wovon er spricht. Seine Pferde sind auch bei den Brauereien regelmäßig gefragt für den Wasen-Umzug und bis hinauf ins Rheinland zu den großen Karnevalsumzügen.
„Der Maichinger Rosstag ist nicht der Allergrößte, aber schöner als viele andere“, sagt auch Saskia Niesius vom Denkendorfer Ponyhof Müller, der gleich mit mehreren Pony-Gespannen und Gruppen beim Rosstag vertreten ist. Denn in Maichingen stünden klar die Pferde im Vordergrund, so Niesius, während bei anderen Umzügen viel mehr mit anderen Gruppen aufgefüllt würde. Die Denkendorfer selbst schicken freilich auch Spezialpferde auf die Maichinger Gassen: eine ihrer Mädchengruppen reitet auf Steckenpferden durch das Zuschauerspalier.
Wer‘s mehr mit Pferdestärken statt Pferden pur hat, der wird derweil auch beim Rosstag nicht ganz enttäuscht. Wolfgang Leibfried rollt mit seinem antiken Feuerwehr-Oldtimer mit, den Umzugschwanz bildet ein beachtliches Traktorenaufgebot.
Wer sich weder von Diesel noch Heu ernähren mag, muss freilich nicht darben. Der Maichinger Reit- und Fahrverein sorgt für Bewirtung am Bürgerhaus mit Maultaschen bis Currywurst und Pommes, während die Landfrauen Kaffee, Kuchen und auch Torte servieren.
Am Ende verläuft der Umzug reibungslos, bilanziert Polizeipostenchef Frank Bechtle, der für die 16. Ausgabe 3500 Zuschauer schätzt. Winziger Wermutstropfen: Am Morgen mussten 2 Fahrzeuge abgeschleppt werden, die trotz seit langem angebrachten Halteverbot-Hinweis und – letztlich vergeblichem - Versuch der Halterermittlung auf der Umzugsstrecke geparkt hatten.
Seine Teilnahme absagen musste OB Dr. Bernd Vöhringer. Der habe sich wohl zur Public-Viewing-Eröffnung am Freitag eine Erkältung eingefangen, spekuliert Walter Arnold. In einem Wagen oder wenigstens unter den Zuschauern war dagegen mit erstem Bürgermeister Christian Gangl, Baubürgermeisterin Dr. Corinna Clemens und Ortsvorsteher Wolfgang Stierle die Verwaltungsspitze selbst üppig vertreten.