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Mercedes-Benz

Modernstes Lichttest-Zentrum der Automobilindustrie eröffnet

Vielfältige Erprobungsmöglichkeiten des Prüf- und Technologiezentrums Immendingen werden erweitert.
Von Konrad Schneider
Auf einer Fläche von 520 Hektar vereint das Prüfgelände in Immendingen mehr als 30 Testmodule mit insgesamt 86 Kilometern Reiseroute und 286 Abzweigungen.

Auf einer Fläche von 520 Hektar vereint das Prüfgelände in Immendingen mehr als 30 Testmodule mit insgesamt 86 Kilometern Reiseroute und 286 Abzweigungen.

Bild: Mercedes-Benz AG - Global Communications Mercedes-Benz Cars & Vans

Immendingen. Mit dem neuen, modern ausgestatteten und flexibel nutzbaren Lichttest-Zentrum erweitert Mercedes-Benz abermals die vielfältigen Erprobungsmöglichkeiten des Prüf- und Technologiezentrums Immendingen. Mit 135 Metern Länge und acht Metern Höhe gehört die neue Lichttest-Anlage zu den größten Einrichtungen dieser Kunst in der Automobilindustrie. Sie erlauben die detaillierte Prüfung von Scheinwerfersystemen unter konstanten, reproduzierbaren Bedingungen – unabhängig von Tageszeit, Wetter und Umwelteinflüssen.

Auf 135 Metern ist eine komplette Landstraße realitätsgetreu nachgebildet. Ihre eigens entwickelte Asphaltmischung kommt den Reflexionseigenschaften einer gealterten Straße sehr nahe. Bis zu fünf Autos können parallel getestet werden – inklusive Simulation von Gegenverkehr oder vorausfahrenden Fahrzeugen. Leitpfosten lassen sich alle 20 Meter seitlich ausfahren, und auch Fußgänger-Dummys können flexibel integriert werden. Die Investitionskosten für das neue Lichttest-Zentrum betrugen 10,5 Millionen Euro, bei einer Bauzeit von zwei Jahren.

Automatisierung trifft Belastbarkeit

Mit Hightech-Testeinrichtungen und fortschrittlichen Prüfmethoden setzt Immendingen branchenweit immer wieder neue Maßstäbe. Dazu gehört ebenso der so genannte automatisierte Heidedauerlauf. Dabei steuern Fahrroboter die Testfahrzeuge vollautomatisiert über eine Schlechtwegestrecke. Deren Schlaglöcher, Bodenwellen und Kopfsteinpflaster stellen eine Herausforderung speziell für Fahrwerk und Karosserie dar.

Die Automatisierung erhöht die Präzision des Fahrmanövers, senkt die Belastung für menschliche Test-Fahrerinnen und -Fahrer, erlaubt einen 24/7-Betrieb und beschleunigt die Erprobung erheblich – und das bei gleichbleibend harter Beanspruchung der Autos. Abhängig vom Fahrzeugtyp müssen die Erprobungsfahrzeuge bis zu 6000 Kilometer auf diesem Rundkurs absolvieren, was einer Laufleistung von 300 000 Kilometern im Kundenbetrieb entspricht. Das bedeutet, dass ein Kilometer auf der Heide-Dauerlaufstrecke 150 Kilometer auf einer extrem schlechten, unter anderem mit tiefen Schlaglöchern übersäten Straße entspricht.

Konsequente Digitalisierung

Wie für alle Testmodule in Immendingen gibt es auch vom Heidedauerlauf einen „Digitalen Zwilling“. Denn das Prüfgelände ist bis unterhalb des Millimeter-Bereichs digitalisiert abgebildet, Fahrzeuge und Beanspruchungen werden digital gespiegelt. Diese Daten werden in Vorab-Simulationen verwendet, dienen als Lastkollektive für Prüfstände und ermöglichen es so, Testergebnisse schnell in die Entwicklungsabteilungen zurückzuführen. Dieses digitale Testen ist heute so präzise, dass oft viele 1000 Kilometer digital gefahren werden, bevor es zum ersten echten Testkilometer auf dem Prüfgelände kommt.

Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel bei der Fahrwerksabstimmungen für jede neue Baureihe mehr als 100 verschiedene Variationen digital erprobt werden. Und nur die geeignetsten Varianten werden dann in einen Prototyp eingebaut und real in Immendingen getestet. Genau das ist einer der großen Vorteile von Immendingen: dass nahezu alle Prüfanforderungen für das reale Testen – bis auf Schnee/Eis und extreme Hitze – an einem Standort gebündelt sind.

„Das Prüf- und Technologiezentrum Immendingen ist das erste digitalisierte Testgelände von Mercedes-Benz – hier verschmelzen reale und virtuelle Fahrzeugerprobung nahtlos. Mit der digitalisierten Abbildung des Prüfgeländes, den automatisierten Prüfprogrammen und modernster Sensorik wird unsere Fahrzeugentwicklung effizienter, schneller und nachhaltiger als je zuvor“, sagt Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG, Chief Technology Officer, Entwicklung & Einkauf

86 Kilometer Straße auf 520 Hektar

Vor zehn Jahren hat Mercedes-Benz im baden-württembergischen Immendingen den Bau einer einzigartigen Entwicklungsumgebung gestartet – reproduzierbar, effizient und nachhaltig. Seitdem haben rund 30 000 Testfahrzeuge zusammengerechnet mehr als 100 Millionen Kilometer zurückgelegt – das entspricht der 2500-fachen Umrundung der Erde.

Auf einer Fläche von 520 Hektar vereint das Prüfgelände in Immendingen mehr als 30 Testmodule mit insgesamt 86 Kilometern Reiseroute und 286 Abzweigungen. Das Gelände bildet die reale Verkehrswelt in vielfältigen Varianten ab: vom komplexen Großstadt-Kreuzungsverkehr über Passstraßen mit schnellen 180 Metern Höhenunterschied, von Schlechtwegstrecken und Kopfsteinpflaster bis hin zu Fernstraßen und Offroad-Geländestrecken. Es gibt Strecken, die die Fahrbahnbeschaffenheit und -markierungen in europäischen Ländern abbilden, aber auch Kopien der Straßen und Fahrbahnmarkierungen aus den USA, China oder Japan. Insgesamt können bis zu 400 Fahrzeuge gleichzeitig in den verschiedenen Testprogrammen unterwegs sein. Darüber hinaus gibt es auch spezielle Strecken mit 30 bis 100 Prozent Steigung.

Um auch bei wolkenverhangenem Himmel oder Dämmerung prüfen zu können, wie sich die Fahrzeugsensorik bei tiefer stehender Sonne oder besonders hellen Lichtquellen verhält, gibt es in Immendingen eine künstliche Sonne. Solche mobilen Hochleistungsstrahler werden sonst auf Arktisschiffen zur Eisbergsuche verwendet. Auch Starkregen und Gischt können über spezielle Anlagen erzeugt werden.

In Spitzenwochen sind zusätzlich zu den mehr als 250 festangestellten Mitarbeitenden weitere 2100 Personen aus anderen Standorten zum Testen vor Ort. Die Landschaftspflege auf dem Prüfgelände übernehmen hauptsächlich Schafe. Als Weidetiere verhindern sie, dass auf den sogenannten Magerrasen vermehrt Sträucher und Bäume wachsen und die artenreiche Wiesenlandschaft verdrängen. Zudem leben auf dem Prüfgelände mehrere Lamas. Sie dienen der Schafherde als Schutz vor Füchsen.

200 Millionen Euro hat Mercedes-Benz in die Errichtung des Geländes auf einem ehemaligen Bundeswehrstützpunkt seit dem ersten Spatenstich vor zehn Jahren investiert. Und seit der Eröffnung sind bis heute weitere 200 Millionen in die Erweiterung des Standortes geflossen.