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Kreis Böblingen

S1 soll bis nach Horb fahren – unter bestimmten Bedingungen

Weil die Gäubahn wegen Arbeiten, die mit S21 zusammenhängen, in Vaihingen gekappt wird und der Pfaffensteigtunnel frühestens 2032 fertig ist, soll die S1 bis Horb verlängert werden. So soll den Gäubahn-Anrainern weiterhin eine umsteigefreie Verbindung nach Stuttgart ermöglicht werden.
Von Konrad Buck
Ein Teil des S1-Verkehrs soll nicht mehr in Herrenberg beginnen und enden, sondern in Horb.  Bild: Dettenmeyer

Ein Teil des S1-Verkehrs soll nicht mehr in Herrenberg beginnen und enden, sondern in Horb. Bild: Dettenmeyer

Bild: Dettenmeyer

Kreis Böblingen. Es wäre die erste S-Bahn-Linie, die die Grenzen der Region Stuttgart überschreiten würde: Ein Teil des S1-Verkehrs soll nicht mehr in Herrenberg beginnen und enden, sondern in Horb. Ursprünglich war dieses Szenario ab Juli 2027 geplant, doch seit sich der Betriebsbeginn von Stuttgart 21 erneut verschoben hat, ist die weitere Terminplanung unklar. Auch zur Frage, ob die Gäubahn wie vorgesehen im März 2027 in Vaihingen gekappt wird oder länger bis zum Hauptbahnhof fährt, gibt es noch keine belastbaren Antworten. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Regionalparlaments forderten gestern in ihrer Sitzung, die Gäubahn auf der Gesamtstrecke so lange wie möglich zu betreiben.

Die S-Bahn-Verlängerungspläne bis Horb sind eben diesem Umstand geschuldet, dass die Gäubahn in Vaihingen gekappt wird und der neue Pfaffensteigtunnel wohl frühestens im Jahr 2032 befahren werden kann. Um den südlich von Herrenberg gelegenen Gäubahn-Anrainern weiterhin eine umsteigefreie Verbindung ins Stuttgarter Stadtzentrum zu ermöglichen, wurden verschiedene Vorschläge diskutiert und geprüft (beispielsweise eine Umleitung über Tübingen und Renningen).

Als einzig zielführende und umsetzbare Variante hat sich die Verlängerung im Stundentakt nach Horb ergeben. Der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger für die S-Bahn unterstützt dieses Vorhaben unter drei Prämissen: Das Land trägt die anfallenden Kosten, die S1-Verlängerung darf sich nicht nachteilig auf die Betriebsqualität der S-Bahn auswirken, und die DB Regio AG muss ausreichend Personal und Fahrzeuge vorhalten.

Land trägt anteilig die Kosten

DB Regio erbringt die zusätzlichen Leistungen aus dem vorhandenen Flottenbestand der S-Bahn. Das Land trägt anteilig die Kosten für die benötigten 3,5 Fahrzeuge. Das Verkehrsvolumen beläuft sich auf 227 000 Zugkilometer pro Jahr zwischen Herrenberg mit Halten in Gäufelden, Bondorf, Ergenzingen und Eutingen. Starten soll der zusätzliche Verkehr, wenn die neue S-Bahn-Station Mittnachtstraße in Betrieb genommen und das neue europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS eingeführt worden ist. Gekündigt werden kann der zunächst bis Ende Juni 2032 datierte Vertrag jährlich mit neun Monaten Vorlauf zum Fahrplanwechsel und frühestens zum Dezember 2028. Der Regionalverband behält sich vor, die Vereinbarungen vorzeitig zu stornieren, wenn bestimmte Qualitätsziele verfehlt werden – beispielsweise wenn die Abfahrtspünktlichkeit in Herrenberg in Richtung Stuttgart den Wert von 94,5 Prozent (2:59 Minuten) unterschreitet oder wenn die DB Regio AG eine Ausfallquote von mehr als zwei Prozent verschuldet.

Mit harscher Kritik und teils mit Sarkasmus reagierten die Regionalräte auf die neuerliche Verzögerung bei S21. „Die Digitalisierung war bei der Bahn bisher zu sehr gelangweilt und mit der linken Hand“, stellte Rainer Wieland fest, der Vorsitzende des Verbandes Region Stuttgart, und forderte in dieser Hinsicht einen Prioritäten- und Paradigmenwechsel: „Wenn wir nicht an der Spitze stehen, werden wir am Ende stehen.“

Dr. Clarissa Freundorfer, DB-Konzernbevollmächtigte für Baden-Württemberg und zu Beginn dieser Woche noch bei der Einweihung des Gäufeldener „Zukunftsbahnhofs“ zu Gast, konnte aber nur wenige belastbare Fakten vortragen. „Die Terminrisiken haben sich in einer nicht vorhersehbaren Dimension erhärtet“, sagte Freundorfer und stellte in Aussicht, dass die DB bis Mitte 2026 ein neues Zeitszenario für S21 vorstellen könnte. Diese vage Aussage behagte den Regionalräten aber nicht. „Alles Vertrauen ist verbraucht, es drängt sich der Eindruck auf: Die DB kann es nicht“, kritisierte beispielsweise der CDU-Regionalrat Elmar Steinbacher. Frank Buß (Freie Wähler) warf der Bahn einen „kreativen Umgang“ mit der Wahrheit vor. „Noch viel schlimmer ist, wenn man den Eindruck gewinnt, dass der Gegenüber es nicht kann“, ergänzte er. Ähnlich äußerte sich Gabriele Heise (FDP): „Es entsteht der Eindruck, dass die Bahn nicht nur Kommunikation und Pünktlichkeit, sondern auch Digitalisierung nicht kann.“

Werden die angekündigten Sperrungen beibehalten?

Unklar ist auch: Werden die angekündigten Sperrpausen beibehalten, auch wenn sich der Betriebsbeginn des neuen Tiefbahnhofs auf noch unbestimmte Zeit verspätet? Mehrere Regionalräte forderten, die Sperrungen zu strecken und für die Fahrgäste erträglicher zu gestalten. „Die Nerven liegen blank, und es ist fahrlässig und extrem ärgerlich, dieses System zu unterbrechen“, bezog sich Michael Lateier (Grüne) auf die regelmäßigen Sperrungen der Stammstrecke in der Sommerzeit. Die Konzernbevollmächtigte bekräftigte aber, dass die bereits eingetakteten Bauarbeiten wie geplant bestehen blieben. Und den Vorhalt, die Bahn lasse die Interessen der Fahrgäste außer Acht, verkehrte Dr. Clarisse Freundorfer ins Gegenteil: Die Reißleine nun gezogen zu haben, sei im Interesse der Kunden, denn ein Stolperstart, der nicht richtig funktioniere, gehe erst Recht zu Lasten der Kunden.