

Maichingen. Es ist bewusst ein Schweigemarsch: „Es geht nicht darum, Schallverstärker zu sein. Es geht darum, Haltung zu zeigen“, sagt Pfarrer Thomas Baumgärtner. Er hofft auf ein starkes Zeichen und viele Menschen, die sich am Sonntag um 15 Uhr auf dem Schlüsseläckerplatz treffen und dann zusammen über die Laurentiusstraße bis zum Bürgerhaus laufen. „Es ist wichtig, für eine wehrhafte, streitbare und vielfältige Demokratie einzustehen“, sagt Thomas Baumgärtner.
Das Motto der Veranstaltung, unter dem die evangelische und katholische Kirchengemeinde unter Mitwirkung der Ortsverwaltung einladen: Maichingen bewegt sich – für Demokratie, Grundrechte, Freiheit und Vielfalt. Ganz wichtig ist ihm die Betonung auf das „Dafür“ und nicht „Dagegen“. „Es geht um unser Demokratieverständnis, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung, um Grundrechte und Menschenrechte. Aus kirchlicher Sicht lassen sich diese direkt vom christlichen Glauben ableiten“, sagt Thomas Baumgärtner. Das fasst er so zusammen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Damit ist jeder Mensch gemeint, denn nach christlichem Glauben ist jeder Gottes Ebenbild.“
Dabei ist der Sonntagnachmittag ausdrücklich ökumenisch gefärbt. Neben Thomas Baumgärtner sprechen zum Abschluss der etwa einstündigen Veranstaltung Peter Starting als Kirchengemeinderat der katholischen Kirche und Ortsvorsteher Wolfgang Stierle. Dazu gibt es ein niederschwelliges Interview zum Thema Heimat und darüber, was es bedeutet, sich zuhause und akzeptiert zu fühlen. „Vielfalt ist gesetzt. Man muss etwas nicht unbedingt gut finden, es reicht manchmal auch, das zu tolerieren. Wir überlassen das Feld nicht den Spaltern und Hetzern, sondern nehmen Position ein ohne radikal draufzuhauen. Wir müssen lernen auszuhalten, dass es verschiedene Meinungen gibt, das ist gut.“
Zur Meinungsfreiheit sagt er ja, bei Hetze und dem Aufruf zum Sturz des Systems „müssen Demokratie und wir als Zivilgesellschaft eine klare Kante zeigen. Und es gehört zum christlichen Menschenbild, niemanden auszuschließen“, sagt Thomas Baumgärtner. Den politischen Ton schlägt er bewusst nur indirekt an: „Wer sich das bewusst macht, kommt auch zum Schluss, wer wählbar ist und wer nicht.“ Die Idee für den Schweigemarsch hatte der Maichinger Pfarrer beim Besuch der Großdemo in Stuttgart. „Das war sehr bunt, sehr friedlich. Auf dem Weg nach Hause ist die Einsicht gewachsen, dass so etwas nicht nur in Großstädten und riesig passieren muss, sondern auch in kleinen Städten und Gemeinden.“ Es sei eben an der Zeit, Haltung zu zeigen: „Das wird sehr deutlich, wenn man ein bisschen wach durch die Zeit läuft und das politische Geschehen verfolgt. Vor drei bis fünf Jahren hätte man mich noch gefragt, ob ich zu viel Zeit habe, wenn ich für die Demokratie aufgestanden wäre. Das hat sich geändert.“
Wichtig ist den Veranstaltern, dass es keine parteipolitischen Reden geben darf, auch mit Blick auf den Kommunalwahlkampf. Mit Neutralität und positivem Ansatz könne man Menschen eher gewinnen: „Wir gehen nicht auf die Straße, um jemanden in die Ecke zu stellen, sondern laden jeden ein. Wir haben eine der besten Verfassungen weltweit, dafür lohnt es sich Haltung zu zeigen. Ich möchte jedenfalls in keinem Staat leben, in dem Menschen verfolgt und in Kerker weggesperrt werden. Eine rein evangelische Veranstaltung wäre deshalb auch das falsche Signal.“
Trotzdem vertritt Thomas Baumgärtner naturgemäß den christlichen Ansatz: „Jesus hat niemanden von sich gewiesen, das ist mein ganz persönlicher christlicher Ansatz. Wir müssen wieder lernen, friedlich zusammenzuleben und Lebensentwürfe zumindest zu tolerieren.“