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Neue Vitrine im Stadtmuseum

Sindelfingen: Das große Sterben an der Front

Das Projekt "Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg" stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt. In der Vitrine, die seit Dienstag im Stadtmuseum zu sehen ist, geht es um den Heldentod und die Wirklichkeit vom Sterben an der Front.
Von Peter Maier
Zwei Todesanzeigen aud dem Juni 1943. Bild: z

Zwei Todesanzeigen aud dem Juni 1943. Bild: z

Sindelfingen. Unter dem unscheinbaren Titel „Kriegssterbefälle – Schriftverkehr 1940 bis 1950“ finden sich im Stadtarchiv Sindelfingen erschütternde Dokumente zum Sterben an der Front, das seit 1943 immer dramatischere Ausmaße annahm. Gesammelt sind in diesem Bestand zahlreiche Abschriften der Briefe, die den Angehörigen der Gefallenen durch den Befehlshaber des Truppenteils, dem sie angehört hatten, zugegangen sind.

Dem Standesamt dienten diese Abschriften als Bestätigung von Todeszeit und Todesort. Mehr oder weniger ausführlich wird in diesen Briefen beschrieben, wie die jungen Männer zu Tode kamen. („Während er in der Stellung auf Wache stand, traf ihn ein feindlicher Granatsplitter in den Kopf und ohne noch ein Wort sprechen zu können, war er sofort tot.“) Man darf dabei sicherlich davon ausgehen, dass die Kommandeure versuchten, möglichst tröstende Worte zu finden.

So wird in den allermeisten Fällen davon berichtet, dass der Tod schnell und ohne langes Leiden eingetreten sei, was in der Realität keinesfalls immer der Fall gewesen sein wird. Auch wird stets die große Beliebtheit des Gefallenen sowie seine außerordentliche Tapferkeit und sein Heldenmut hervorgehoben. („Jäh wurde ihr Gatte, der von seinen Vorgesetzten als frischer und strammer Soldat geschätzt wurde und bei seinen Kameraden und Untergebenen beliebt war, aus unserer Mitte gerissen.“). Zumeist werden auch noch die Umstände des Begräbnisses und der Begräbnisort beschrieben („Ihr Sohn fand seine letzte Ruhestätte auf dem Heldenfriedhof in Saporoshje, wo er heute mit allen militärischen Ehren beigesetzt worden ist. Der Nachlass wird Ihnen seitens der Lazarettverwaltung in Kürze zugesandt werden.“) In manchen Fällen wird sogar aus den beschönigenden Worten deutlich, dass es sich um hastige Bestattungen einer sich auf dem Rückzug befindlichen Armee handelte.

Obwohl man bei Durchsicht der Briefe den Eindruck bekommen kann, als wären immer wieder ähnlich lautende Formulierungshilfen verwendet worden, kann man durch diese Sätze hindurch doch etwas vom grausamen und massenhaften Sterben an der Front erahnen. Und natürlich fehlt auch nicht die unverbrämte nationalsozialistische Propaganda, wenn es in nahezu allen Briefen wortgleich heißt: „Möge Ihnen die Gewissheit, dass Ihr Gatte/Sohn sein Leben für die Größe und den Bestand von Volk, Führer und Vaterland hingegeben hat, Ihnen ein Trost sein in dem schweren Leid, das Sie betroffen hat.“

Aus den Briefen an die Angehörigen und den darauffolgenden Todesanzeigen kann man auch in vielen Fällen einen Zusammenhang zu den auf den Titelseiten der jeweiligen Ausgaben beschriebenen Kampfhandlungen herstellen. So wird im Mai/Juni 1943 fast ununterbrochen über die schweren Kämpfe am sogenannten Kuban-Brückenkopf in Südrussland berichtet. Mindestens zwei Sindelfinger Soldaten sind im Juni 1943 bei diesen Kämpfen ums Leben gekommen.

Manchmal dauerte es Monate, bis die Nachricht vom Tod an der Front die Angehörigen überhaupt erreichte. Auf ein besonders tragisches Ereignis verweist eine Todesanzeige im NS-Kurier vom 17. Juni 1943, die gleich zwei junge Soldaten betrauert und ein gemeinsames Begräbnis ankündigt. Hintergrund ist, dass die beiden jungen Frauen Geschwister waren und innerhalb von zwei Tagen beide zu Witwen wurden. Vom Heldentod für das Vaterland ist in dieser Anzeige nicht die Rede: „Hart und schwer traf uns die schmerzliche Nachricht, dass mein lieber Mann und guter Vater, Sohn, Bruder, Schwager, Onkel und Schwiegersohn nie mehr zu uns zurückkehren soll.“

Eine Vitrine mit Ausstellungsexponaten ist im Stadtmuseum ausgestellt. Zudem sind alle Texte des Langzeitprojektes auf der städtischen Website nachzulesen unter: www.sindelfingen.de/Langzeitprojektvor80jahren im Internet.