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Der Pfeiler für die Jahrgangs-Tradition

Sindelfingen: Ernst Baisch ist gestorben

Der in Böblingen geborene Sindelfinger Ernst Baisch ist wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag gestorben.
Von Peter Bausch
Ernst Baisch führt vor zehn Jahren seinen Jahrgang 1923 zum Gottesdienst am Pfingstsonntag in die Martinskirche Sindelfingen. Bild: Stampe/Stadtarchiv

Ernst Baisch führt vor zehn Jahren seinen Jahrgang 1923 zum Gottesdienst am Pfingstsonntag in die Martinskirche Sindelfingen. Bild: Stampe/Stadtarchiv

Sindelfingen. Noch Ende April hat sich Ernst Baisch telefonisch bei der Sindelfinger Jahrgangssprecherin Ulrike Herlitze gemeldet. Er sei untröstlich, müsse aber wegen gesundheitlicher Probleme seinen Besuch bei der Maibaum-Hocketse auf dem Wettbachplatz und vor allem die Teilnahme am Traditionsgottesdienst am Pfingssonntag absagen. Wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag ist der in Böblingen geborene Gießereifachmann in der letzten Woche gestorben.

“Ich bin ein Sindelfinger, möchte aber meine Verbundenheit mit Böblingen nicht missen”, hat Ernst Baisch vor zehn Jahren im Gespräch mit der SZ/BZ-Redaktion gesagt. Im Juni 1923 ist er im Haus an der Helfergasse unterhalb des Schlossbergs geboren, in einem der ältesten Gebäude, das den Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg überstanden hat, aber 1961 doch abgebrochen wird. Seit 1956 lebt er mit seiner Familie in Sindelfingen: “Wir haben an der Burghalde ein geschicktes Haus gefunden.”

Beruf und Hobby haben eine Zeit lang Ernst Baisch sowohl von Böblingen als auch von Sindelfingen weggeführt. Seine Ehefrau Marianne bringt ihn 1957 zum Stuttgarter Winzerbund, wo er 1970 den Vorstand übernimmt. 1969 übernimmt der Fachmann eine Metallgießerei in Wendlingen. Aber der leidenschaftliche Chronist kümmert sich weiter um seine beiden Heimatstädte, baut ein Archiv auf, das er noch zu Lebzeiten sowohl an die Stadt Sindelfingen als auch an die Stadt Böblingen übergeben hat.

Ernst Baisch wird in Sindelfingen zum Pfeiler für die Jahrgangs-Tradition. Nach dem Tod von Alfred Steinle übernimmt er 2004 seinen Jahrgang 1923, betreut über Jahre hinweg die Ältesten bei der Maibaum-Hocketse, die 2011 auf dem Wettbachplatz ihr aktuelles Domizil gefunden hat. Er genießt jedes Jahr sein Schnitzel vor der Funzel mit seinem langjährigen Jahrgangskollegen Erwin Spier, teilt bis 2019 den Tisch mit dem zwei Jahre älteren Karl Nörrlinger.

2013 führt er die ältesten Teilnehmer zum Gottesdienst in die Martinskirche. 2018 hat er nur noch Lore Hamm als Begleiterin vom Jahrgang 1923, aber im romanischen Wahrzeichen der Stadt einen historischen Auftritt in der Geschichte der Sindelfinger Tradition. Ernst Baisch hält als erster und bislang letzter Teilnehmer in der Geschichte, deren erste schriftliche Spuren Heimatforscherin Sylvia Weller-Pahl 1877 entdeckt hat, eine bewegende Rede im Pfingstgottesdienst.

Der Wunsch, nach Karl Nörrlinger im Jahr 2021 als zweiter Sindelfinger Mann den 100. Geburtstag an Pfingsten in der Martinskirche zu feiern, hat sich für Ernst Baisch nicht erfüllt. 2009 hat Lina Klemm im Alter von 99 Jahren als erste Sindelfingerin dieses Fest im romanischen Wahrzeichen ihrer Stadt gefeiert, 2011 folgte ihr Anne Müller nach, die kurz zuvor ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte.