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Sindelfingen: Tausende Besucher waren zum Auftakt der Konzertreihe „Sindelfingen rockt“ bei „True Collins“ auf dem Hofmeister-Parkplatz / Spontanes Protest-Konzert auf dem Marktplatz

Sindelfingen lässt sich das Rocken nicht verbieten

Menschenmassen vor der Bühne, ausgelassene fröhliche Stimmung und eine Tribute-Band namens „True Collins“, die es versteht, die ganze Hit-Palette von Phil Collins und Genesis perfekt wiederzugeben. Die 5. Auflage der Konzertreihe „Sindelfingen rockt“ hat auf dem Parkplatz des Möbelhauses Hofmeister einen glänzenden Start hingelegt. Auf dem Marktplatz, wo es eigentlich hätte stattfinden sollen, gab es spontan organisiert lautstarken Protest.
Von Rebekka Groß 
und Dirk Hamann

Menschenmassen vor der Bühne, ausgelassene, fröhliche Stimmung und eine Tribute-Band namens „True Collins“, die es versteht, die ganze Hit-Palette von Phil Collins und Genesis perfekt wiederzugeben. Die 5. Auflage der Konzertreihe „Sindelfingen rockt“ hat auf dem Parkplatz des Möbelhauses Hofmeister einen glänzenden Start hingelegt. Auf dem Marktplatz, wo es eigentlich hätte stattfinden sollen, gab es – spontan organisiert – lautstarken Protest in Form von Live-Musik.

Kurz vor halb sechs. Auf dem Sindelfinger Marktplatz, wo genau jetzt tausende von Besuchern hätten eintrudeln sollen, um gemeinsam und friedlich bei Live-Musik zu feiern, ist tote Hose. Ein paar Menschen schlendern zu Fuß übers Kopfsteinpflaster, die Stühle der Gastronomen im Außenbereich sind verwaist. Motorengeräusche vorbeifahrender Autos brummen durch die Luft. Keine Foodtrucks, keine Bierbänke. Kein Phil, kein True: Ganz schön still ist's ohne Collins. Einöde pur. Das Leben wurde per Gerichtsbeschluss an den Stadtrand gedrängt.Ein Anwohner bekam Recht, dass er wegen des geplanten Konzerts unzumutbarer Ruhestörung ausgesetzt worden wäre.

Gleiche Zeit, anderer Ort. Wie bei einem Sternenmarsch strömen Besucher in Scharen zu Hofmeister, biegen am Eingang ab nach links auf den Parkplatz. An dessen Ende steht eine große Bühne, die vor zwei Tagen auf dem Marktplatz erst auf und nach dem Gerichtsbeschluss wieder abgebaut wurde. Ruhige Hintergrundmusik durchdringt ganz sanft ein Gewirr aus tausenden von Stimmen. Vor den Foodtrucks bilden sich Schlangen, alle Sitzgelegenheiten auf den Bierbänken sind vergeben, die besten Stehplätze vor der Bühne ebenfalls. Menschen genießen die Vorfreude aufs Konzert mit etwas Essen und einem Getränk. Chillen in einem der aufgestellten Liegestühle, quatschen. Und finden es irgendwie seltsam, dass sie diesen Abend auf einem Parkplatz verbringen müssen. „Es ist zum Glück echt viel los“, sagt der Maichinger Einzelhändler und Organisator von Lauf.- und Mountainbike-Veranstaltungen, Axel Stahl. „Aber eigentlich darf es nicht sein, dass man so aus der Innenstadt vertreiben wird. Was kommt als nächstes? Dass ein Stadtlauf zu laut ist?“

Demonstranten ziehen auf den Marktplatz

Zurück in die Innenstadt. Dort ist es längst nicht mehr ganz so still. Kurz nach 17.45 Uhr ziehen nämlich die ersten Demonstranten von Richtung Traube auf den Marktplatz. Im Gepäck: Lautsprecher, Musikinstrumente, Bier und jede Menge selbstbeschriebene Plakate. „Sindelfingen rockt muss auf dem Marktplatz bleiben, deshalb machen wir, der Verein Assis und die Traube, heute um 18 Uhr ein Konzert hier. Dann gibt's halt heute zwei Konzerte“, sagt Traube-Wirt Andreas Ankele.

Ein Schlagzeug beendet derweil wenig später die Redseligkeit auf dem Hofmeister-Parkplatz. Es ist kurz nach halb sieben, „True Collins“ eröffnen ihr Konzert mit einem Genesis-Klassiker. „Mama“ gibt's zum Auftakt – und das Publikum ist vom ersten Takt an voll dabei. Ein paar Minuten später folgt eine etwas kleinere Nummer, „Don't lose my number“. Dann ein dickes Lob von Sänger Tom Ludwig, der nicht nur so klingt wie sein großes musikalisches Vorbild, sondern auch irgendwie so aussieht wie Phil Collins. Früher jedenfalls. „Danke an alle, die gekommen sind, obwohl wir nicht auf dem Marktplatz spielen dürfen“, sagt er. „Wir sind das erste Mal in Sindelfingen. Lasst uns zusammen feiern!“ Das nächste Lied beginnt. „No Son of mine.“ Das Publikum ist da. Begeistert. Marktplatz hin, Ärger her. Dis Stimmung ist hervorragend.

„Wo ist denn hier die Bühne?“

Währenddessen ratlose Gesichter auf dem Marktplatz. „Wo ist denn hier die Bühne?“, wundern sich Alina Veith und Julian Steimle. Eigentlich wollen sie nach ihrem Feierabend zusammen auf das „Sifi rockt“-Konzert. Dass das aber auf den Hofmeister-Parkplatz verlegt werden musste, davon haben sie nichts mitbekommen. „Das ist ja schade. Aber jetzt laufen wir auch nicht mehr extra zu Hofmeister“, ärgern sie sich.

Unterstützende Worte vom Stadtrand

Das erste Konzert bei „Sindelfingen rockt 2019“ springt währenddessen munter von Hit zu Hit. Und unter den Besuchern, die aus dem ganzen Umkreis an den Sindelfinger Stadtrand gekommen sind, macht die Runde, dass es auf dem Marktplatz ein kleines Protestkonzert gibt. „Klasse“. „Super“, „Daumen hoch“. „Sollte man mit einem Besuch nach dem Konzert unterstützen.“ Der Tenor fällt eindeutig aus. Gleichwohl gibt es inzwischen Stimmen, die andererseits das Hofmeister-Gelände im Laufe des Abends schätzen gelernt haben. „Trotz der vielen Leute herrscht hier kein Gedränge, für die Veranstaltung optimal“, findet die Ehninger Immobilienexpertin Bärbel Bahr. „Auf der anderen Seite soll das Event ja die Innenstadt beleben. Schon schade, dass das untersagt wurde.“

Spontanes Treffen organisiert

Inzwischen ist es 19 Uhr. Die Menschen auf dem Marktplatz stehen gemütlich zusammen. Reden, trinken und tanzen. Über den Platz schallt „In the air tonight“ von Phil Collins. Moment! Das Konzert läuft doch eigentlich wo anders. Oder? „Wir haben weiter die Hoffnung, dass 'Sindelfingen rockt' zurück auf den Marktplatz kommt. Bis dahin spielen wir hier eben jeden Mittwoch mit unserer Anlage die passende Musik“, sagt Ladenbesitzerin Irene Georgii. Gemeinsam mit Stadtrat Wolfgang Knote hat sie das Treffen von Freunden und Kunden organisiert. Jeder bringt etwas zu Essen und Getränke mit. „Wir sind alle dafür, dass diese Veranstaltung hier auf dem Marktplatz stattfindet und finden es so schade, dass einzelne Personen so eine Veranstaltung koppen können, obwohl das so wichtig ist, um die Innenstadt zu beleben“, sagt Wolfgang Knote.

Großer Beifall für Frank Hofmeister

Zurück an den Stadtrand. Sänger Tom Ludwig meldet sich übers Mikrofon zu Wort: „Habt Ihr Spaß?“, fragt er. Und die Masse antwortet mit einem lauten und langen „Jaaaa!“. Die Band stimmt „Follow you, follow me“ an. Es ist 19.20 Uhr und Pause. Vor den Foodtrucks und Getränkeständen bilden sich wieder längere Schlangen. Von Johannes Leichtle, Veranstalter von „Sindelfingen rockt“ ob des spontanen Umzugs des Events befürchtete Umsatzeinbußen gibt es nicht. Umso geplätteter ist Leichtle, als er zusammen mit Möbelhaus-Chef Frank Hofmeister die Bühne betritt und von oben in tausende zufriedene Besucheraugen blickt. „Ich bin sprachlos, überwältigt von diesem Besuch“, erklärt er. „Und das nach diesen aufreibenden letzten 36 Stunden in denen wir alles umorganisieren mussten.“ Er dankt seinem Team. Und vor allen Dingen Frank Hofmeister, der spontan sein Gelände für „Sindelfingen rockt“ zur Verfügung gestellt hat. „Ich habe das gerne gemacht“, unterbricht Hofmeister aufbrandenden Beifall. Und erhält für seinen folgenden Satz noch eine ganze Ladung mehr Applaus: „Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass das Festival wieder dort stattfinden darf, wo es hingehört!“

Ein paar Minuten später betreten „True Collins“ wieder die Bühne. „Land of confusion“ ist das perfekte Lied um die Stimmung weiter anzuheizen. Der Rest des Abends besteht aus mitsingen, mitklatschen, feiern. Ein perfektes Tribute-Konzert auf einem bestens dafür geeigneten Gelände. Und trotzdem am falschen Ort.

Und am richtigen? Bis 21.30 Uhr spielt ein Teil der Band „Diebische Elstern“ ein spontanes Live-Konzert vor dem Modegeschäft Georgii. Friedlich singen und tanzen die Demonstranten zu Liedern der Ärtze, Nena und Co. Gegen 22 Uhr ändern sich die Töne. Statt Gitarren klingen nun Hupen, Tröten und Fahrradklingeln auf dem Marktplatz.Ganz schön laut.