Menü
SZ/BZ-Zukunftsveranstaltung im Marriott-Hotel

Sindelfingen: Schwarze Zahlen mit grüner Energie

Dr. Andre Baumann, baden-württembergischer Staatssekretär für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, bei der SZ/BZ-Zukunftsveranstaltung.
Von Daniel Krauter

Sindelfingen. „Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat die Augen dafür geöffnet, wie fatal die energiewirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands vom Kreml ist. Aber wir sind nicht machtlos. Es sind die Erneuerbaren Energien, die das Stromnetz in Deutschland stabilisieren, die die Energiepreise senken, und die uns unabhängig machen.“ Das ist eine der zentralen Aussagen von Dr. Andre Baumann (Grüne), baden-württembergischer Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft bei der SZ/BZ-Zukunftsveranstaltung im Sindelfinger Marriott-Hotel vor rund 100 Gästen aus Wirtschaft und Politik.

Um unabhängiger von Kriegstreiber Putin zu werden, sei der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien so wichtig – im Strom, im Verkehr, vor allem im Wärmesektor. „Ein erster Schritt hierfür war die Pflicht zur Wärmeleitplanung und die Solarpflicht in unserem Klimaschutzgesetz.“ Vieles dauere zu lange. „Der Ausbau der Windenergie muss deutlich forciert werden. Da müssen und wollen wir besser werden, etwa indem wir den Staatsforst noch stärker für den Ausbau der Windenergie nutzen. Derzeitige Planungs- und Genehmigungszeiten sollten mindestens halbiert werden – auf dreieinhalb Jahre“, so Dr. Baumann.

Laut Klimaschutzgesetz sollen zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie und Photovoltaik in den Regionalplänen reserviert werden. Planung und Bau in Schutzgebieten soll so lange erlaubt sein, bis dieses Flächenziel erreicht ist. Es müsse gelingen Artenschutz und Klimaschutz zusammenzubringen. „Wir dürfen nicht vergessen: Auch der Klimawandel ist eine wesentliche Gefahr für die Artenvielfalt. Erneuerbare Energien sind folglich kein Risiko, sondern ein Schutz für die Biodiversität”, sagte Andre Baumann.

Der Strombedarf steigt

Der steigende Strombedarf - zum Beispiel durch die E-Mobilität und den vermehrten Einbau von Wärmepumpen - sollte durch verstärkten Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dächern und Freiflächen sowie durch den Bau von Windkraftanlagen ausgeglichen werden.

Doch der Teufel steckt im Detail: Zwar ist die Nachfrage von PV-Anlagen derzeit groß, aber es gibt Lieferengpässe und es mangelt an den Möglichkeiten der Weiterleitung sowie der Speicherung des erzeugten Stroms. „Deshalb müssen im Stromsektor die Netze ausgebaut werden, um die notwendigen Kapazitäten zu schaffen“, so Dr. Baumann.

„Wir haben das modernste und fortschrittlichste Klimaschutzgesetz in Deutschland. Baden-Württemberg nimmt eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz als europaweit führende Wirtschaftsregion ein. Dennoch gibt es noch viel zu tun“, so Dr. Baumann.

„Wir als Baden-Württemberg wollen schon 2040 – fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre früher als die EU – klimaneutral werden. Was wir benötigen, sind nicht längere Laufzeiten der Kernkraftwerke oder gar neue Reaktoren; was wir hierzulande brauchen, ist ein beherzter, mutiger Aufbruch in die neue Welt, in der der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Nur muss das alles sehr viel schneller und konsequenter gehen, weil wir im Land nach heutiger Schätzung bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung nahezu verdoppeln müssen“, sagte der Staatssekretär.

Insgesamt stehe die Wirtschaft in Baden-Württemberg vor einem gewaltigen Transformationsprozess beziehungsweise stecke schon mittendrin. Dr. Baumann: „Die Entwicklung neuer Technologien und neuer Geschäftsmodelle sind erforderlich, industrielle Prozesse müssen klimaneutral gestaltet werden.“ Der Klimaschutz sei eine Menschheitsaufgabe für das 21. Jahrhundert, erklärte Dr. Baumann. Baden-Württemberg sei zwar zu klein, um das Weltklima zu retten. Als Hightech-Region müsse es aber ein „kopierfähiges Modell“ für andere Gegenden entwickeln.

Klimaschutz bringt dreifach Rendite

Voraussetzung für Energiewende und Klimaneutralität seien ebenso Energieeffizienz und Energieeinsparungen in den Unternehmen. Hierzu gibt es vom Land verschiedene Förder- und Beratungsangebote. Bei allen Herausforderungen – es gebe auch viele Chancen: „Die Modernisierung der Wirtschaft und der Übergang zur Klimaneutralität stärken die Wirtschaft in Baden-Württemberg, bieten Wachstumschancen und helfen, zukünftige Klimaschäden zu vermeiden“, hob der Staatssekretär hervor. „Die Umsetzung der gemeinsamen Aufgaben ist eine Herausforderung für Wirtschaftsunternehmen, Politik und Gesellschaft.“

Der Einsatz in Sachen Klimaschutz lohne sich auf vielen Ebenen: „Es ist ein lohnenswertes Geschäftsmodell mit dreifacher Rendite: Wir schützen das Klima, unsere Lebensgrundlagen und sorgen dafür, dass unsere Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, weil sie beispielsweise Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologien in alle Welt exportieren können. Das mehrt gleichzeitig den Wohlstand der Menschen bei uns.“

Gemeinsam mit den Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen gelte es einen Fahrplan für eine Wirtschaft zu entwickeln, die schwarze Zahlen mit grüner Energie schreiben kann.

Im Interview mit SZ/BZ-Chefredakteur Jürgen Haar ging es um die Situation im Landkreis Böblingen. Auch da zeigte sich Dr. Andre Baumann gut vorbereitet: „Laut aktuellem Windatlas sind 14,6 Prozent der Fläche im Landkreis Böblingen als Standorte für Windräder geeignet.“

Baden-Württemberg sei ein starkes und innovatives Land. „Deswegen haben wir allen Grund zur Zuversicht, diese Krise zu meistern, wenn wir zusammenstehen und gemeinsam anpacken“, sagte der Grünen-Politiker im Marriott-Hotel.

Für Dr. Andre Baumann ist dabei eines klar: „Wir brauchen einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, damit die Strom- und Wärmeversorgung morgen und übermorgen klimaschonend, versorgungssicher und bezahlbar ist. Damit die Energiewende gelingt, muss auch das Bewusstsein für Energieeinsparungen geschärft werden. Und dies auf allen Ebenen.“