

Böblingen. „Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus wurde auf dem Gebiet der heutigen DDR das verwirklicht, wovon seit Jahrhunderten die werktätigen Bauern träumten.“ Im Jahr 1975 sind diese Zeilen in einem Jugendmagazin der DDR zu lesen. Sie zeigen: In den letzten 500 Jahren erhielt der Bauernkrieg verschiedene Gesichter – in der DDR sollte der Aufstand zum Vorbild des eigenen Handelns werden. Welchen Stellenwert der Bauernkrieg „im Arbeiter- und Bauernstaat“ der DDR einnahm und welche Rolle dabei der Anführer der Thüringer Bauern Thomas Müntzer spielte, beleuchtet der Müntzer-Experte Dr. Jan Scheunemann in einem öffentlichen Abendvortrag am Donnerstag, 20. November, um 19 Uhr, zu dem das Deutsche Bauernkriegsmuseum Böblingen in die Zehntscheuer einlädt.
131 Minuten, über 150 Schauspieler und 5000 Statisten: Mit überwältigendem Aufwand inszeniert, erweckte der DEFA-Film „Thomas Müntzer“ von 1956 den Bauernkrieg auf der Leinwand wieder zum Leben. Der Reformator und Bauernführer aus Mühlhausen wird darin zum tragischen Helden, ja gar zum Märtyrer stilisiert, der für das Streben der Aufständischen nach Veränderungen sein Leben gibt. Das Ziel der Aufständischen, so wird im Film deutlich, sollte der Weg in die klassenlose Gesellschaft des Sozialismus sein – der Film also als Propagandainstrument und Geschichte als verformbares Argument, um die eigene Gesellschaft auf eine Ideologie einzuschwören.Diese Ideologie prägte nicht nur die Politik, sondern auch das gesellschaftliche Bewusstsein: In Schulen, Museen, Kunst und Literatur – der Bauernkrieg war überall präsent.
Dr. Jan Scheunemann, Historiker und ausgewiesener Müntzer-Experte, studierte Museologie und Geschichte in Leipzig, Rostock und Montreal. Er arbeitete unter anderem für die Stiftung „Luthergedenkstätten“ sowie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Zuletzt war er Co-Kurator der Dauerausstellung „Sein und Schein. Thomas Müntzer“ im Schloss Allstedt.Die Veranstaltung ist kostenfrei, mehr Informationen unter: www.bauernkriegsmuseum.boeblingen.de.



