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Das zweite Leben der verschmähten Weihnachtsbäume im Zoo / Unverkaufte Tannen sorgen bei Wilhelma-Tieren für Abwechslung

Wilhelma-Tiere bekommen Weihnachtsbäume

Von Ronald Lars

Stuttgart. Alles muss raus! Für manche potenziellen Weihnachtsbäume war das Fest schon an Heiligabend vorbei. Händler und Baumschulen stoßen die unverkauften Tannenbäume ab, um Platz zu schaffen. In der Wilhelma finden die gespendeten Restposten auf vielfältige Weise noch eine sinnvolle Bestimmung in den Tiergehegen.

In den meisten Wohnungen strahlen die reich dekorierten Christbäume traditionell bis zum Feiertag Heilige Drei Könige am 6. Januar. Umfragen zufolge behalten ihn ein Drittel der Menschen danach noch eine Weile, solange er nicht zu sehr nadelt. Schluss ist jeweils spätestens am 2. Februar, wenn an Mariä Lichtmess die Weihnachtszeit laut dem Katholischen Kirchenkalender endet.

Jedes Jahr 150 Bäume

Bis dahin sind die Ladenhüter unter den Tannen in der Wilhelma längst verwertet. Rund 150 Stück nimmt der Zoologisch-Botanische Garten in Stuttgart jedes Jahr als Geschenke für ihre Tierwelt an – allerdings nicht von privat. Nur bei ungenutzten Exemplaren aus der Hand der Profis ist sicherzustellen, dass die Bäume nicht mit Pestiziden behandelt sind, keinen Fraßschutz enthalten oder sich keine Reste vom Weihnachtsschmuck in den Zweigen verstecken: Lametta, Kerzen, Wachs, Kugeln und andere Deko oder deren Aufhänger könnten den Tieren gefährlich werden.

Das gilt es zu verhindern, denn die Verwendung der Tannenbäume fällt je nach Tierart höchst unterschiedlich aus: als Nahrung, Beschäftigung oder Dekoration. Während manche Familien Süßigkeiten in den Baum hängen, sind es für viele Huftiere die Rinde und Zweige selbst, die ihnen schmecken. So finden sich die zuvor formschön gewachsenen Tannen und Fichten nach wenigen Tagen als dürre Gerippe in den Gehegen des Schaubauernhofs wieder: ob beispielsweise bei den Afrikanischen Zwergziegen, Dülmener Ponys, Poitou-Eseln oder Limpurger Rindern.

Auch den Yaks, Milus und den Mesopotamischen Damhirschen bieten die Pflegerinnen und Pfleger das Nadelgehölz an. Für die Asiatischen Elefantenkühe Pama und Zella scheinen die Tannenzweige kein spezieller Leckerbissen zu sein, aber sie nehmen die winterliche Abwechslung auf dem Speiseplan gerne an. Schließlich braucht ein Elefant gut 120 Kilo an Futter pro Tag.

Willkommene Affenschaukel

Auch in der Afrika-Wohngemeinschaft auf der Felsenanlage ist es schon Brauch, dass sich die Tiere dieser Tage zum gemeinsamen Weihnachtsessen treffen – nur dass Mähnenspringer und auch Dscheladas eben den Weihnachtsbaum an sich abnagen. Die Blutbrustpaviane ernähren sich nämlich weitgehend vegetarisch, meist von Gras, Wurzeln und Knollen. Bei anderen Primaten dienen die Tannen an einem Seil aufgehängt eher als Affenschaukel. Gerade der Nachwuchs der Gorillas turnt gerne schwungvoll daran herum. Auch die Haubenlanguren und Gibbons gehen mit dem „Holzspielzeug“ eher neugierig um.

Für viele Raubtiere ist vor allem der reizvolle Geruch unterhaltsam. Ihre besonders feinen Nasen springen auf den Tannenduft an. Ob Brillenbären oder Asiatische Löwen: Sie gehen dem ungewohnten Aroma nach und beschäftigen sich intensiv damit. Manche reiben sich an den Bäumen oder schlecken die Zweige ab.

Dem ursprünglichen Sinn als Dekoration kommt die Verwendung der Weihnachtsbäume in den Volieren auf den Subtropenterrassen näher. Die Vögel lassen sich gerne einmal zum Probesitzen auf den piksigen Ästen des neuen Mobiliars nieder. Jede Neuerung in ihrem Umfeld ist auch ein Zeitvertreib für die Tiere. Nicht zuletzt ist es für die Besucherinnen und Besucher der Wilhelma als winterlicher Gestaltung nett anzusehen.

Mit rund 150 Stück pro Jahr ist der Bedarf an Tannen jeweils gedeckt. Denn Mitte bis Ende Januar erlischt dann auch für die Zootiere der besondere Reiz an den Nadelbäumen.